Mitten in Bayern:Rätselhafter Wandbild-Kult

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Warum hängen in manchen Behörden Fotos von Ministerpräsidenten?

Kolumne von Andreas Glas

Es gibt Phänomene, an die man sich derart gewöhnt hat, dass man gar nicht mehr merkt, wie rätselhaft sie sind. Das Phänomen, um das es hier geht, ist dieses gerahmte Foto, das in vielen, aber nicht allen Amtsstuben in Bayern hängt: das Porträt des Ministerpräsidenten. Das Rätsel dahinter ist die Frage, was es mit dem Wandbild-Kult auf sich hat. Eigentlich ein Fall für die "Sendung mit der Maus". Eine Sachgeschichte, die man gerne mal erzählt bekäme. Man ruft also in der Staatskanzlei an: Wie kommt der Strom in die Steckdose? Äh, wie kommt der Söder in die Amtsstube? Und warum? Hm, gute Frage, sagt der Pressesprecher der Staatskanzlei. Da müsse er selbst erst mal recherchieren.

Man wartet also und während man so wartet, springt im Kopfkino eines dieser Maus-Filmchen an. Man stellt sich eine Fabrikhalle im Keller der Staatskanzlei vor, mit Druckerpressen, die zurzeit im Sekundentakt Söder-Rüben auf Fotopapier stampfen, die automatisch gerahmt werden und über kilometerlange Förderbänder auf Paletten landen, die Hunderte Freistaatkuriere in Tausende Landratsämter und Rathäuser nach Tirschenreuth, Buxheim oder Mariaposching ausliefern und dort alle Seehofer-Bilder einsammeln, die ein Frachter zu einer Mülldeponie nach Gambia bringt, wo bereits Strauß, Streibl und Stoiber . . . plötzlich, Filmriss. Das Telefon klingelt, der Sprecher der Staatskanzlei ruft zurück.

Er sagt: Eine Vorschrift, dass bestimmte Amtsstuben mit Ministerpräsidenten verziert werden müssen, habe er nicht finden können. Auch keine Zahlen, in wie vielen Stuben die Porträts hängen. Wahrscheinlich hat also irgendein Landrat mal mit dem Wandbild-Kult angefangen, ein anderer hat es nachgemacht und so weiter und irgendwann hat sich da etwas ritualisiert, von dem niemand mehr weiß, was das überhaupt soll. Die Druckerei aus dem Kopfkino gibt es ebenfalls nicht, alles Outsourcing. Wer ein Ministerpräsidenten-Foto haben will, kann es bei der Staatskanzlei bestellen. Den druckfrischen Söder gibt es in drei Formaten. Kostenlos. Aber ohne Rahmen. Den vergilbten Seehofer muss jeder selbst entsorgen. Das Foto gehört in den Restmüll, der Rahmen in den Sperrmüll, das Glas in den Container am Wertstoffhof. Immerhin dafür gibt es Vorschriften.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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