Mitten in Bayern:Politiker-Sprech fürs gute Gefühl

Die Neuen im Söder-Kabinett sind eifrig dabei, sich schnell bekannt zu machen. So wie Familienministerin Kerstin Schreyer, die ihre volle Aufmerksamkeit den Alleinerziehenden schenkt und ihnen damit ganz bestimmt eine große Last nimmt

Kolumne von Maximilian Gerl

Alleinerziehende in Bayern können endlich aufatmen. Alleinerziehend, das ist bekanntlich ein anstrengender Fulltime-Job. Wenn das Kind krank ist oder wohin gebracht werden muss, mault der Chef über Fehlzeiten und vermeintliche Extrawürste; am Monatsende wird dann das Geld knapp, weil die Miete ständig steigt und die übrigen Ausgaben sowieso. Umso besser also, dass das drängendste aller Probleme nun angegangen wird. Am Mittwoch empfing die neue Familienministerin Kerstin Schreyer (CSU) die Vorsitzende des bayerischen Verbands der alleinerziehenden Mütter und Väter - und versprach: "Diese Familien verdienen unser ganz besonderes Augenmerk." Die quasi erste Amtshandlung: "Ich vermeide den Begriff 'Alleinerziehende' - er klingt mir zu sehr nach Defizit. Ich spreche lieber von Einelternfamilien."

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Begriff "Einelternfamilie" hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel. In den Weiten des Internets findet sich zum Beispiel ein Zitat von Schreyers Vorvorgängerin Christine Haderthauer; demnach soll bereits 2012 von Einelternfamilien die Rede gewesen sein. Auch in Fachpublikationen stößt man immer wieder auf die Formulierung. Das allerdrängendste Problem von Alleinerziehenden, Pardon, Einelternfamilien ist also schon lange konkret benannt. Allein die Lösung wurde bislang nicht konsequent umgesetzt.

Kritiker verkennen, welch positiven Effekt Einelternfamilien aus der Vermeidung ihres Defizits erwarten können. Das zeigen bereits etablierte Lösungen. So erhöhen Versicherungen ihre Beiträge nicht mehr, sie passen sie an. Beschäftigte werden nicht entlassen, sondern Firmen umstrukturiert, die Wirtschaft stagniert nicht, sondern verzeichnet ein Nullwachstum, Waren werden nicht teurer, sondern das Preisgefüge entzerrt. Pendler können sich darüber freuen, dass diverse Infrastrukturprojekte nicht stocken, sondern bald in eine Phase des beschleunigten Ausbaus eintreten. Schüler sind nicht dumm, sondern förderungswürdig. Und Flüchtlinge werden selbstredend nicht abgeschoben, sondern rückgeführt. Den Betroffenen geht es nach all dem nicht unbedingt besser, aber zumindest haben sie ein gutes Gefühl dabei.

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