Mitten in Bayern:Oy-Mittelberg setzt seine Duftmarke

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Was tun als hauptsächlich vom Tourismus lebende Gemeinde im Allgäu, wenn die Attraktionen wie Radfahren und Wandern auch andernorts angeboten werden können? Man erfindet sich neu - etwa als weltweit einziger "Duftort"

Kolumne von Matthias Köpf

Aus irgendeinem Grund sind sie in der kleinen Gemeinde im Oberallgäu auf die Idee gekommen, sie bräuchten ein Alleinstellungsmerkmal. Radfahren könne man hier zwar sehr gut und wandern, aber ganz ehrlich: Das geht ja anderswo auch. Da muss sich eine Tourismuschefin halt was einfallen lassen. Der Kur- und Kneippverein Oy unterstützt ihre Idee jedenfalls per Vorstandsbeschluss, und in der Jahresversammlung der Dorfgemeinschaft Mittelberg haben 16 von 17 Gastgebern ihre Kooperationsbereitschaft bekundet. Im Gemeinderat fiel der Beschluss dann neulich einstimmig 9:0, also gibt es jetzt kein Zurück mehr: Oy-Mittelberg ist auf dem Weg, der erste "Duftort" der Welt zu werden.

Wer da an Luftkurort denkt, liegt vielleicht nicht ganz verkehrt. Aber in einem Luftkurort kann man halt meistens nur Radfahren und Wandern, mehr nicht. In Oy-Mittelberg dagegen soll auch die Nase Aktivurlaub machen, statt sich immer nur den Fahrtwind um die Ohren wehen oder sich den Berg hinauf und mit Sonnenbrand wieder hinunter tragen zu lassen. Als die vier authentischen örtlichen Duftquellen in Oy-Mittelberg gelten laut Konzept erstens die Landwirtschaft, zweitens Holz, Wald, Moor, Wiese und Kräuter, drittens Kaffee und viertens Wohlfühl- und therapeutische Aromen. Für all das gibt es Argumente, aber mit diesen Argumenten verhält es sich ganz genau so wie mit den authentischen örtlichen Duftquellen: Es gibt sie anderswo auch, siehe Radfahren und Wandern. Doch egal wie angenehm es anderenorts nach weiter Welt riechen mag: Nur Oy-Mittelberg nennt sich eben "Duftort", obwohl es manchmal sogar nach Diesel stinken mag am Rand der erst im Mai neu eröffneten Gemeindeverbindungsstraße von Oy nach Mittelberg.

All das riecht ein bisschen nach billigem Touristikertrick, um nicht zu sagen: nach Duftlampe am Gasthausklo. Aber für Aufmerksamkeit sorgt es auf jeden Fall. Womöglich lassen sich aus den authentischen örtlichen Duftquellen sogar Deos für sie und ihn destillieren, oy pour femme mit einem Hauch grüner Kräuter und mit Kaffee in der Kopfnote zum Beispiel. Oder mittelberg for men, aus Wald, Wiese und Landwirtschaft. Die überdecken dann auch den eventuellen Schweißgeruch vom Radfahren und Wandern.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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