Mitten in Bayern :Lokal-Patriotismus braucht Ausdauer

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Um Bayern angemessen zu würdigen, braucht es einen gewissen Elan, zumal wenn 100 Wirtschaften ausgezeichnet werden sollen. Der Ministerpräsident hat diesen freilich, und das hat bestimmt nicht nur damit zu tun, dass er dann garantiert in der Zeitung auftaucht

Kolumne von Johann Osel

Um Bayern angemessen zu feiern, braucht es Ausdauer. Die "100 besten Heimatwirtschaften" haben Ministerpräsident Markus Söder und der Finanzminister Albert Füracker neulich prämiert, das passte gut zum Jubiläum 100 Jahre Freistaat. "Unsere typisch bayerischen Wirtshäuser und Gaststätten sind ein lebendiges Symbol bayerischer Lebensart und Identität", jubelte Söder. Von Schweinsbraten und Böfflamot, von Bierkutschergulasch und gebratener Renke war seltsamerweise viel weniger die Rede als vom "Heimatgefühl" durch die Wirtschaften - Lokal-Patriotismus sozusagen. Jedenfalls war die Freude groß bei

Wirtsleuten aus Schneizlreuth, Mariaposching und Tuntenhausen, aus Biberbach, Thalmässing, Neudrossenfeld oder Markt Beratzhausen (in München steht übrigens demnach keine gute Heimatwirtschaft). Und weil sich die Wirte so freuten und sicherlich über ein Foto in ihrer Lokalzeitung nicht undankbar wären, und weil sich der Ministerpräsident so freute und über jedes Foto in jeder Zeitung bekanntlich durchaus dankbar ist, kommt nun also die Ausdauer ins Spiel.

Auf der Internetseite des Heimatministeriums kann man bestaunen oder herunterladen: Fotos der Ehrung. 100 Mal wechselnde Wirte mit Ministerpräsident und Finanzminister, vor einer blauen Wand. Es muss ein Knips-Marathon gewesen sein, eine Ewigkeit. Söder lächelt immer, Füracker merkt man die Strapazen bei einigen Aufnahmen an. Unterm Strich ist mal ein Loblied auf den Ministerpräsidenten angebracht, auf Ausdauer und Elan, wenn es darum geht, Bayern zu feiern.

Daran hat es klar am Wochenende in Roding bei Cham gemangelt. Zum Freistaat-Jubiläum wollten sie auf dem Volksfest die längste Bayernhymne der Welt intonieren. Also nicht lang in der Spieldauer - sondern Musiker und Kapellen waren dazu aufgerufen, aus allen Gegenden zu kommen, eine möglichst lange Menschenkette zu bilden und die Hymne zu spielen. Monate hatte man dafür geworben, und einige hundert Musikanten wurden erwartet. Es kamen, wie die Chamer Zeitung jetzt berichtete: 28 Musikanten. Nämlich 28 von der Rodinger Stadtkapelle. Trotzdem spielten sie die Hymne; und konnten am Ende sogar Preise einheimsen - für die mitgliederstärkste Teilnehmergruppe und für die weiteste Anreise.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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