Mitten in Bayern:Lektion in Sachen Rücksicht

Mit seltsamen Forderungen und eigenwilligen Aktionen eckt der Freilassinger Unternehmer Max Aicher immer wieder an. Manche Binsenweisheit muss er sogar von den Richtern erklärt bekommen

Von Stefan Mayr

Achtung, Binsen-Alarm: Ein guter Unternehmer sorgt sich stets um Gesundheit und Wohlergehen seiner Mitarbeiter und um ein gutes Auskommen mit den Nachbarn. Dieses Grundgesetz des Wirtschaftens ist im 21. Jahrhundert auch in Bayern Allgemeingut. Sollte man meinen. In Freilassing lebt ein Mann, der diese Regel immer wieder mit großer Leidenschaft und viel Energie mit Füßen tritt: Max Aicher. Der 82-Jährige ist der Kopf einer Unternehmensgruppe, die nach eigenen Angaben 3500 Menschen beschäftigt und mehr als eine Milliarde Euro Umsatz macht. Der Firmenpatriarch hat jetzt gegen die Baupläne eines Mannes aus Meitingen bei Augsburg geklagt, weil dieser sein Wohnhaus behindertengerecht ausbauen will.

Der Bauherr hat in seiner Familie drei Pflegefälle. Weil er sich um diese kümmern will, möchte er sein Haus barrierefrei machen und für zwei Pflegekräfte vergrößern. So weit, so gut. Doch weil sein Haus etwa 300 Meter Luftlinie von Max Aichers Firma Lechstahlwerke entfernt liegt, klagte Aicher mit seiner Ehefrau gegen die Baugenehmigung. Begründung: Es bestehe die Gefahr, die neuen Bewohner könnten sich darüber beschweren, dass das Stahlwerk zu laut ist. Dies könne die Zukunft des Unternehmens gefährden. Eine mutige Argumentation angesichts der Tatsache, dass erstens das Wohnhaus lange vor der Fabrik errichtet wurde und zweitens das Stahlwerk seit Jahren die geltenden Lärmschutz-Werte erheblich überschreitet.

Aichers Vorgehen erinnert sehr ans Jahr 2009, als er vom Personal des Lechstahlwerks forderte, die Wochenarbeitszeit von 39,5 auf 48 Stunden zu erhöhen - oder auf 20 Prozent Lohn zu verzichten. Der Aufschrei war bis nach Berlin zu vernehmen. Aichers Wunsch zerschellte an der Wand. Das gilt auch für seine Klage gegen den Ausbau des Nachbarhauses: Das Verwaltungsgericht Augsburg wies diese zurück. Das "Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme" existiere schon länger, sagte die Richterin. Es gelte auch weiterhin, egal, wie viele Menschen in dem Haus leben. Eigentlich eine Binse, aber manche kapieren das erst, wenn sie vor Gericht gezogen sind.

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