Mitten in Bayern:Ja, des derf der!

Franken hat seine eigene Form des kategorischen Imperativs: Derf der des? Die Frage wird zuverlässig dann gestellt, wenn etwas von der Norm abweicht. Etwa, wenn jemand einen Briefkasten an einen Grabstein montiert

Von Olaf Przybilla

Eine der hübschesten Wendungen, die der Franke so bereithält, ist "Derf der des?" Wenn sie in den Mainauen wieder mal so tun, als sei Afrika eine musikalische Idee aus Franken, dann wird die Polizei bei entsprechender Bongo-Lautstärke früher oder später zuverlässig gefragt: "Derf der des?" Der ist in dem Fall der Africa-Festival-Organisator. Die Polizei antwortet darauf seit Jahrzehnten: "Der derf des."

Die Sublimierung von "Derf der des" ist "Da könnt' ja jeder komm'". Diese Wendung darf als fränkische Variation des Kategorischen Imperativs von Kant gelten, demzufolge der Mensch nur nach derjenigen Maxime handeln soll, durch die er zugleich wollen kann, sie werde allgemeines Gesetz. Da könnt ja jeder komm' heißt: Würde dies jeder so machen, so hätten wir ein Problem, ein ethisches oder wie auch immer geartetes.

Da könnt ja jeder komm' ist der Gemeindeordnung von Gerolzhofen als Präambel nicht vorangestellt. Man darf sie sich aber hinzudenken. Denn im Grundsatz hatte zwar keiner etwas gegen die Idee eines Friedhofsnutzers, einen Briefkasten am Grabstein des Familiengrabs anzubringen, um dort Gartengeräte zu verstauen. Der Bürgermeister und die zuständige Dame von der Friedhofsverwaltung fanden das pfiffig, die SZ ernannte den Grabnutzungsberechtigten gar zum "Held der Woche" und auch der Kabarettist Hannes Ringlstetter machte sich anschließend Gedanken ("Wir haben Sie leider nicht angetroffen, das Paket wurde beim Nachbargrab abgegeben").

Weil aber die Gemeinde in Unterfranken das ganz große Da-könnt-ja-jeder-komm' durchdeklinierte und für den Fall, dass künftig jeder Briefkästen am Grabstein anbringen würde, ästhetische Einbußen auf dem Gottesacker befürchtete, muss der Briefkasten weichen. Derf der des? Nein, des derf der ned.

Im oberfränkischen Helmbrechts hat mal einer ein Grab mit einem Buddha dekoriert. Derf der des, wurde gefragt, der evangelische Pfarrer befand: nein. Er ließ nach längerer Debatte den Buddha entfernen, woraufhin der Buddha-Besitzer immer wieder Protestschilder auf dem Friedhof anbringen ließ. Inzwischen wurde der Buddha bei der Gemeinde eingelagert. Der Besitzer kann ihn sich dort abholen. Ja, des derf er.

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