Mitten in Bayern:Geschichte ohne Zukunft

Das Hotel Lederer war Schauplatz der Verhaftung des SA-Chefs Ernst Röhm. Damals hieß die erste Adresse am Tegernsee allerdings noch anders. Das aber nur nebenbei. Denn heute ist das Haus mit Geschichte bald selbst Geschichte

Kolumne von Matthias Köpf

Das Haus hat Vergangenheit, eine große sogar. Denn zeitweise war das Hotel Lederer in Bad Wiessee die erste Adresse am noblen Tegernsee. Im Juni 1934, als das Lederer noch "Pension Hanselbauer" hieß, hat sich dort sogar Historisches ereignet, nämlich die Verhaftung des SA-Chefs Ernst Röhm, mit der sich Adolf Hitler eines Rivalen entledigte und die längst lästig gewordene SA entmachtete. Und wo so viel passiert ist, da hätte ja womöglich auch vieles andere passieren können. Wenn die SA-Leute, die damals zum Hanselbauer eilten, sich von Hitler nicht einfach hätten wegschicken lassen. Oder wenn der SA-Mann, dem bei Hitlers Anblick gleich klar war, was die Stunde schlug, seine Pistole zur Hand gehabt hätte, die zumindest laut einer lokalen Legende Wochen später in einer Polsterritze gefunden wurde. Nur führt Geschichte in der Form von hätte, wäre und könnte nicht in die Gegenwart. Und ein Gerichtsprozess im Irrealis nicht zu einer Zukunft für das Lederer.

Denn das Lederer soll Platz machen für ein Luxushotel, das Hexal-Gründer Thomas Strüngmann an den See setzen will. Er wollte sich das Lederer schon 2011 bei einer Zwangsversteigerung sichern, doch Josef Lederer verkaufte sein überschuldetes Erbe in letzter Minute an andere Investoren. Die reichten es 2015 doch an Strüngmann weiter, sodass Lederer seither nur noch der Vor-Vorbesitzer ist. Das hielt ihn aber nicht davon ab, nun eine lange ruhende Klage aus dem Jahr 2007 wieder aufzugreifen. Die Gemeinde und das Landratsamt hatten ihm einst nicht erlaubt, Teile des Hotels in Wohnungen umzuwandeln. Diese Genehmigung wollte er sich nun nachträglich erstreiten, als Basis für eine Schadenersatzklage. Denn Lederer wirft der Gemeinde, dem Landkreis und der Kreissparkasse seit Langem und bisher ohne jeden juristischen Erfolg vor, ihn ruiniert zu haben, um an seine Immobilie zu kommen. Dorthin kam am Mittwoch also das Verwaltungsgericht München zum Ortstermin und versuchte, Lederer von der Aussichtslosigkeit seiner Klagen zu überzeugen. Ein Urteil fiel nicht, aber weil sich für die geschützten Fledermäuse unter dem Dach mittlerweile eine andere Wohnung gefunden hat, wird das Haus mit der großen Vergangenheit wohl bald ganz real und endgültig selbst Geschichte sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: