Mitten in Bayern:Foamer, Russ und Brauser

Die Namensgebung unterliegt in Bayern besonderen Gesetzen. Viele Menschen werden nach ihrem Charakter oder nach ihrem Beruf benannt. Und die Frauen nach ihren Männern. Das Ergebnis lautet dann zum Beispiel: Stickstoff-Toni-Mari.

Von Hans Kratzer

Neulich hat die Kabarettistin Claudia Schlenger im Radio verraten, sie werde häufig als Schnipsi angesprochen, nicht als Frau Schlenger. Dabei ist Schnipsi lediglich eine Kunstfigur, sozusagen das Alter Ego der Frau Schlenger auf der Kabarettbühne. Sie habe sich inzwischen dran gewöhnt, sagte Schnipsi, ääh, Frau Schlenger. Ihren Mann, den Kabarettisten Hanns Meilhamer, trifft's aber noch härter. Der heißt im Programm Herbert (Herbert & Schnipsi), doch in der Öffentlichkeit wird er oft als Herr Schnipsi oder auch als der Schnipsi tituliert.

Die Namenskultur wird in Bayern seit jeher sehr elastisch fortentwickelt. Auf dem Land hört kaum einer auf den Tauf- oder Familiennamen. Die meisten bekommen einen nach dem Charakter oder dem jeweiligen Beruf geformten Namen. Der Foamer Schorsch aus der Landshuter Gegend hieß zwar eigentlich Rott, aber weil immer ein schmaler weißer Schaum zwischen seinen Lippen klebte, also ein Foam, nannte man ihn zeitlebens den Foamer. Die Kabarettistin Monika Gruber erwähnt gelegentlich ihren alten Dorfspezl, den Brauser, der so genannt wird, weil er früher am Telefon immer sagte: "I geh scho mit, aber i muas mi erst no brausen." Der im Rottal bekannte "Russ" wiederum heißt so, weil er mit seinem Stalin-Schnurrbart und seinem georgischen Teint daherkommt wie ein alter Krieger aus der Oktoberrevolution. Diese Namensbräuche fallen zwar männerlastig aus, färben aber - mit anti-emanzipatorischer Note - durchaus auch auf die Frauen ab. Monika Gruber nennt als blühendes Beispiel die Frau vom Stickstoff Toni, die im Dorf als die Stickstoff-Toni-Mari bekannt ist.

Nicht selten verfestigen sich solche Namen auf Dauer. Alte Bauernhöfe in Bayern tragen mündlich tradierte Namen, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen und stets beibehalten wurden, auch wenn die Besitzernamen wechselten. Deshalb haben Bauernfamilien immer mehrere Namen. Der Grafbauer von Solching, der eigentlich Maier hieß, stieß einmal mit dem Wagen eines Adeligen zusammen. "Ja wissen Sie denn nicht, wer ich bin!", polterte dieser los, "ich bin der Graf von Bergen." "Und ich", konterte der Bauer seelenruhig, "ich bin der Graf von Solching!"

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