Mitten in Bayern:Eine erotische Adventsnote

Einst war der Advent eine stade Zeit. Bis es irgendeinem Eventmanager langweilig wurde, weshalb er die Advents- und Weihnachtsmärkte ersann

Von Hans Kratzer

Vor der Erfindung des elektrischen Lichts war der Advent eine richtig stade Zeit. Es war den ganzen Tag lang finster, die Menschen arbeiteten wenig und gaben sich lieber der Besinnung hin. Irgendeinem Eventmanager wurde es dann zu langweilig, weshalb er - "Süßer die Glocken nie klingen" - die Advents- und Weihnachtsmärkte ersann. Die bislang letzte Eskalationsstufe dieser ökonomisch-romantischen Errungenschaft ist die Waldweihnacht, die besonders in der Gemeinde Halsbach im Altöttinger Land ihre Massentauglichkeit unter Beweis stellt.

75 000 Besucher waren heuer da, sogar Busse aus Spanien wurden gesichtet, in Halsbach blüht der globale Advent hervorragend. Auf ein Adventslied wartete der Besucher zum Ausklang des Events vergebens. Stattdessen erklang 15 Minuten lang das Orchesterstück Boléro von Maurice Ravel, garniert mit einem Feuerwerk. Die Frage, ob in Halsbach ein Klassik Open Air oder der Advent oder ein Neujahrsanschießen zelebriert wurde, stellte sich insofern nicht, als das Stück Boléro mit seiner langsamen Steigerung der Intensität bis zum Höhepunkt eine starke erotische Note enthält. Das hat der bayerischen Waldweihnacht noch gefehlt. Oder doch nicht? Vergessen wir nicht, dass der Landrichter von Berchtesgaden schon 1601 "ain merckliche große Unzucht mit dem Perchtlauffen" beklagte, auch das geschah im Advent. Überhaupt atmet die Vorweihnachtszeit mit all ihren Happy-X-Mas-Partys, halbnackten Bunnys und grellen Lichterketten bisweilen mehr Rotlicht als Stille Nacht. Selbst die bislang sittsamen Buttenmandl haben die sittliche Orientierung verloren. In Schönau am Königssee haben einige dieser Adventsgestalten vor Kurzem Frauen begrapscht.

So manifestiert sich der oft prophezeite Untergang des Abendlandes im Advent auf herausragende Weise. Wer ist der Sohn von Maria und Joseph?, fragte dieser Tage ein heimischer Radiosender. "Joseph II.!" lautete eine beliebte Antwort, "weiß nicht!", nuschelte ein anderer, einer Dame fiel noch Lukas ein. Adventsglöckler aus dem Salzkammergut sind neulich in Dubai aufgetreten, wo sie mit ihrem alpenländischen Habit Verwirrung stifteten. Sie erklärten den Scheichs, sie seien uralte Ghostbusters.

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