Mitten in Bayern:Die Kuh gibt Ruh

Kuhglocken sind romantisch? Ja geht's noch! Ein Holzkirchner hat erfolgreich gegen den Lärmterror geklagt. Und auch andernorts hat sich's ausgebimmelt

Von Lisa Schnell

Machtlos ist er, der moderne Mensch. Er kann sich beklagen - über die ungerechte Verteilung von Reichtum auf der Welt, den Klimawandel, die Umweltverschmutzung - doch tun kann er wenig. Einfache Lösungen gibt es nicht, allmächtige Herrscher kaum noch, und wenn, wollen sie selten Gutes. Alles hängt mit allem zusammen, jeder muss mit jedem reden. Alles ist komplex oder global oder sogar beides. Nur in einer Sache, da hat der Einzelne noch Macht. Das Zauberwort heißt: Belästigung. Steht irgendwo ein Windrad im Garten, erdreisten sich Kinder zu existieren, manchmal sogar zu lachen - dann kann der Mensch sich beschweren, klagen, etwas bewegen. Er kann doch noch die Welt verändern, Bayern zum Beispiel.

Das ist ja die Vorstufe zum Paradies, ganz das Himmelreich ist es aber noch nicht. Dazu ist es hier einfach zu laut. Vor allem auf dem Land, etwa auf einer Weide bei Holzkirchen vor dem Schlafzimmerfenster von Reinhard U. Dort stehen fünf Kühe und wenn sie nicht stehen, sondern gehen, dann bimmeln sie oder genauer: die Kuhglocken an ihren Hälsen. Bei dem "Lärmterror" könne U. nicht schlafen. Das hatte er auch der Kuhbesitzerin nebenan gesagt. Die nahm vier der fünf Kühen die Glocke ab. Doch auch nur eine Glocke läutete in den Ohren des Nachbarn noch zu laut. Er klagte - und bekam Recht. Nach einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Miesbach müssen die Kuhhälse von 19 Uhr abends bis sieben Uhr morgens glockenfrei bleiben.

Ein weiterer Erfolg für die europaweite Bewegung: Bürger gegen Kuhglocken. Die Zeit, in der Kuhglocken den "Soundtrack der Alpen" ausmachten oder als Kulturgut galten, scheinen vorbei zu sein. Auch in der Schweiz hat ein Gericht den Bauern in einem Ort bei Zürich verordnet, ihre Kühe von nun an still über die Weide wackeln zu lassen. Auch hier zeigte der lärmbelästigte Bürger seine Macht. Die in der Schweiz lebende Nancy Holten fordert sogar, Kuhglocken ganz zu verbieten aus Gründen des Tierschutzes. Auch wenn man es den Kühen nicht ansieht, Holten ist überzeugt, sie leiden unter dem Glockenlärm. Bei sich zu Hause betätigt sie selbst gerne Klangschalen. Gegen die müsste man doch eigentlich auch klagen können.

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