Mitten in Bayern:Die Chronik von Tüßling

Wer hat was wann gesagt im Gemeinderat? Eine Frage, über die sich streiten lässt

Kolumne von Matthias Köpf

Früher war ja angeblich alles einfacher, aber das mit der Vergangenheit war wahrscheinlich immer schon kompliziert. Die Vergangenheit scheint ja zunächst einmal einfach vorbei zu sein, viel kann da nicht mehr passieren, praktisch perfekt. Andererseits verändert sich die Vergangenheit später vielleicht doch manchmal - zumindest in der Erinnerung derer, denen es übermorgen vorkommt, als sei das alles erst gestern gewesen. Oder im Gedächtnis derer, die es damals schon besser gewusst haben. Hab ich es nicht gesagt? So fragen sie dann, und die Antwort darauf kann sich nur an einem Ort finden: im Protokoll. Was bayerische Gemeinderäte betrifft, so muss das Protokoll einer jeden Sitzung in der nächsten genehmigt werden. So wird die Vergangenheit im Nachhinein per Mehrheitsbeschluss festgelegt, wie jetzt im oberbayerischen Tüßling.

Dort meldete sich laut einem Bericht des Alt-Neuöttinger Anzeigers bei der sonst stets routiniert bis rituell abgehakten Protokollgenehmigung neulich ein Mitglied des Marktgemeinderats zu Wort und mahnte an, dass im vorliegenden Protokoll eine Wortmeldung seinerseits fehle. Demnach will er schon in jener Sitzung im Mai kritisiert haben, dass für die damals beschlossene Erhöhung der marktgemeinderätlichen Sitzungsgelder Geld da sei, nicht aber für die doch deutlich billigere Absenkung bestimmter Randsteine, die er wiederum in einer noch früheren Sitzung vergebens beantragt habe. Der Alt-Neuöttinger Anzeiger lässt da wenig Raum für Zweifel, dass das einst im Mai tatsächlich so gesagt wurde, doch die Bürgermeisterin und der Geschäftsleiter der Gemeinde wollten von einer Ergänzung des Protokolls nichts wissen, weil ein Vergleich von Randsteinen mit Sitzungsgeldern sinnlos sei.

Zwar ist die Sinnhaftigkeit ganz allgemein fast noch umstrittener als die Vergangenheit, und wer da die Deutungshoheit für sich beanspruchen darf, ist auch offen. Aber eines ist dafür gewiss: Ließe man alles Sinnlose weg, dann würden jedenfalls die Protokolle dünner. Das Protokoll für die Juni-Sitzung in Tüßling ist dagegen erst einmal dicker geworden. Es enthält den Berichtigungsantrag des besagten Mitglieds und den ablehnenden Beschluss der Mehrheit. Es muss in der nächsten Sitzung genehmigt werden.

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