Mitten in Bayern:Der Wisirih und das Allgäu

Schon vor 1200 Jahren hat es sich gelohnt, für das Alter vorzusorgen. Das belegt eine Urkunde vom 7. Februar 817, die im Kloster St. Gallen sorgfältig aufbewahrt wird

Von Christian Rost

An diesem Dienstag schauen die Allgäuer "hindrsche", also rückwärts, weil es exakt 1200 Jahre her ist, dass das "Albgau" erstmals urkundlich erwähnt wurde. Ein Mann namens Wisirih übertrug dem Kloster St. Gallen am 7. Februar 817 seinen Besitz, das heutige Dörfchen Zell bei Oberstaufen. "Im Namen Gottes übergebe und übertrage ich, Wisirih, an das Kloster St. Gallen eine Zelle, im albgauischen Gau gelegen, welche Wisirihzell genannt wird", heißt es in der in lateinischer Sprache verfassten Urkunde, die im Kloster sorgsam verwahrt wird. Man könnte nun meinen, dass der gute Mann "it ganz bache" war, wie der Allgäuer sagen würde, also nicht ganz bei Trost, weil er einfach seinen Besitz verschenkte. Tatsächlich handelte er vorausschauend. Mit der Schenkung erhielt er das Recht, jederzeit in das Kloster eintreten zu dürfen, in dem man sich auch um ihn kümmern würde. Wisirih tat nichts anderes, als fürs Alter vorzusorgen. Wahrscheinlich hat er sich gedacht: "Ma muaß an Schtecka schneida, solang ma no jung isch, nochert hot ma'n, wenn ma alt isch."

Was er mit seinem Stecken gemacht hat und ob er als Rentner tatsächlich ins Kloster zog, ist leider nicht überliefert. Anhand der Urkunde können die Allgäuer nun jedenfalls genau ihre Wurzeln bestimmen. Im Jahr 817 war in Zell allerdings noch nicht besonders viel los, immerhin soll ein Kirchlein aus Holz an der Stelle gestanden haben, an der heute die Kapelle St. Bartholomäus Brautpaare aus aller Welt anlockt. Sogar "Gelbfiaßlar" (Schwaben) haben sich hier angeblich schon getraut. Ansonsten nehmen die Dinge in Zell behutsam ihren Lauf, wie es in den vergangenen 1200 Jahren auch schon war. Im Dorf der Ur-Allgäuer leben heute 54 Menschen, beim Friseur trifft man sich zum "d' Leit ausrichte" (Ratschen). Dabei kann man sich trefflich darüber unterhalten, was eigentlich einen echten Allgäuer ausmacht. Der Heimatbund Allgäu zählt zu den charakterlichen Vorzügen eines Einheimischen die Freiheitsliebe und eine positive Lebenseinstellung. Und wer hier geboren ist, darf sich beim Heimatbund sogar einen speziellen Allgäu-Ausweis bestellen. Auf Reisen kann der Allgäuer damit seine Herkunft belegen. Das ist praktisch, weil man ihn so schwer versteht.

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