Mitten in Bayern:Der Freistaat, völlig atemlos

Längst vergessen die Szene, als Helene Fischer sich bei einem Konzert in München einen Borussia-Dortmund-Schal schenken ließ. Die Bayern haben die Schlagersängerin längst wieder lieb

Von Heiner Effern

Die Zeiten, in denen Helene Fischer einen Schubser im Ranking benötigte, um wenigstens in die Top five zu kommen, sind vorbei. Fünf Positionen beförderte sie das ZDF noch letztes Jahr in der Rangliste "Deutschlands beste Frauen" heimlich nach vorne. In der jüngsten Umfrage des Blättchens Neue Post wurde Fischer nun erwartungsgemäß mit großer Mehrheit zur beliebtesten deutschen Sängerin gewählt. 32 Prozent stimmten für sie.

Was Helene Fischer in der Musik ist, das ist im richtigen Leben der Freistaat Bayern. Jedes Ranking, in dem das Land nicht an der Spitze steht, wird als persönliche Beleidigung aufgefasst. Staatshaushalt, Öko-Landwirtschaft, Dauer-Schafkopfen, Käse-Erzeugung, Politiker-Derblecken, überall hat das Land den Anspruch, erster zu sein. Folgerichtig ist Bayern auch das beste Bundesland im Helene-Fischer-lieb-haben. Zwölf Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt schaffte der Freistaat. Die scharfe Analyse der Neuen Post: "Die Bayern fahren dabei auf Helene Fischer ab."

Erleichtert kann man feststellen, dass es doch keine Krise Bayern - Fischer gibt. Im vergangenen Herbst hatte es noch anders ausgesehen, wenn man einem Handy-Video im Internet vertraut: Fischer gab ein Konzert in der Münchner Olympia-Halle, als sie von einem Fan einen Schal von Borussia Dortmund entgegennahm und sagte: "Du traust dich was." Den Ärger kriegte daraufhin die Sängerin ab: Die Liebe der Zuschauer zum FC Bayern war größer als die zu Helene Fischer, minutenlang konnte sie das Konzert nicht fortsetzen, weil ihre Fans lieber Fußball-Parolen grölten.

Im Sommer 2015 ist das vergessen. Auf den Auto-Rückbänken im Freistaat singen schon sechsjährige Kinder "Lust pulsiert auf meiner Haut". Dem früheren Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, dem jetzigen Europaabgeordneten Martin Sonneborn, wurde die Einreise in den Freistaat verboten. Der Mann soll in einer Wortmeldung zu den Folterpraktiken der CIA vorgeschlagen haben, eine neue Form der "Musikfolter" einzuführen, "zum Beispiel mit Helene-Fischer-Songs". Angeblich hat Markus Söder bereits um ein Duett angefragt. Vom Ranking her, findet er, würden sie ein prima Paar abgeben.

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