Bayern als Vorbild:Alle wollen bayerische Verhältnisse haben

Bierzeltauftritt von Merkel und Seehofer

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schwingt sich zum Anwalt der ostdeutschen Länder auf.

(Foto: dpa)

Früher hätten das die anderen Bundesländer nie offen zugegeben, heute loben alle den Freistaat. Wo soll das noch hinführen?

Kolumne von Wolfgang Wittl

Man muss sich Sorgen machen um das Bayernland und die CSU. Früher, als die Welt nicht grau, sondern schwarz oder weiß war, sah es doch so aus: Die Bayern und die CSU, das waren die, bei denen angeblich alles besser lief, die alles besser wussten und die zu allem Unglück auch am meisten Geld hatten.

Sie waren wie die Typen aus einer Fernsehwerbung, als sich zwei Schulfreunde nach langer Zeit begegnen und sich gegenseitig beim Prahlen übertreffen: "Mein Haus, mein Auto, mein Boot!" Und auch wenn die Menschen im restlichen Deutschland heimlich anerkannten, dass die bayerischen Häuser, Autos, Boote oft schicker, schneller und schnittiger waren: Öffentlich hätten sie das nie und nimmer zugegeben.

Das hat sich geändert - und es drängt sich die Frage auf, warum das so ist. Plötzlich gilt es außerhalb Bayerns als modern, nicht nur bayerische Verhältnisse haben zu wollen, sondern sich offen dazu zu bekennen. Das war im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen zu beobachten, als die CDU für ihren Satz gewählt wurde, sie wolle Zustände wie in Bayern schaffen. Seit Sonntag ist es sogar amtlich, als Angela Merkel im Truderinger Bierzelt den Freistaat quasi zum Himmel auf Erden deklarierte. Und was die Kanzlerin sagt, stimmt bekanntlich, daran zweifelt ja nicht einmal die CSU.

Wobei: Ob es der CSU gefallen kann, ihren Status als ungeliebter Klassenstreber zu verlieren? Sie hatte schließlich viele Jahre hart für diesen Ruf gearbeitet. Sie ließ Geiseldramen nachstellen, um zu beweisen, dass Bayerns Polizisten die besten sind. Mittlerweile lässt sie Polizisten aus dem ganzen Land einfliegen, nur um einen G-7-Gipfel in Bayern zu sichern.

Franz Josef Strauß flog einst zu Machthabern in aller Welt, Horst Seehofer trifft sich inzwischen mit Dissidenten in China. Früher vermittelte Strauß einen Milliardenkredit an die DDR, heute vermittelt Seehofer im Länderfinanzausgleich auch als Anwalt der ostdeutschen Länder. Die Zeiten ändern sich, die CSU und Bayern mit ihnen.

Wohin das alles führen soll, ist schwer zu sagen. Wenn die zerstörerische Kraft des Lobes erst ihre volle Wirkung entfaltet hat: Wird Bayern dann nur noch ein normales Bundesland sein und die CSU eine normale Partei? Es wird ernst!

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