Mitarbeiter ausspioniert:Wanzen beim ADAC

Im Chefsekretariat, im Geschäftsführerbüro und auch im Sitzungssaal: In der ADAC-Niederlassung in Nordbayern wurden Mitarbeiter ausspioniert - von wem, ist noch unklar.

Uwe Ritzer

Die Wanzen sollen im Chefsekretariat gewesen sein, gleich neben einer Uhr. Und im Geschäftsführerbüro oben rechts an der Tür. Und auch im Sitzungssaal waren die Teilnehmer nicht vor Spionen sicher: Dort sollen die Wanzen in der Mitte an der Decke und unterhalb des Plasmabildschirms geklebt haben. Beim ADAC Nordbayern sind über Monate, wenn nicht Jahre hinweg Mitarbeiter und ehrenamtliche Funktionäre mit Hilfe von Abhörwanzen bespitzelt worden. Ein Anwalt des gut 930.000 Mitglieder zählenden Autofahrerverbandes bestätigte auf Anfrage entsprechende Informationen der Süddeutschen Zeitung.

Auch Telefone in der ADAC-Niederlassung sollen abgehört worden sein. Sogar im Dienstfahrzeug des Geschäftsführers soll sich eine Wanze befunden haben. Wer wen bespitzeln ließ und zu welchem Zweck ist bisher nicht bekannt. Wer die Verantwortung für die Abhörmaßnahmen trägt, darüber bahnt sich eine Schlammschlacht an. "Unserer Mandantschaft sind Abhörmaßnahmen bekannt", räumte ein ADAC-Anwalt auf Anfrage ein. "Wer sie veranlasst hat und in welchem Umfang sie stattfanden, können wir nicht sagen."

Über Umfang und Art der Bespitzelungen machte er im Detail keine Angaben. Die amtierende Spitze des ADAC Nordbayern hegt den angeblich "begründeten Verdacht", dass ein ehemaliger Mitarbeiter dahinter steckt. Der Mann sitzt seit Ende September 2010 in Untersuchungshaft. Er steht im Verdacht, seit 2005 mehr als 400 000 Euro veruntreut zu haben. Ihm wird vorgeworfen, auf Rechnung des ADAC Ware für sich privat eingekauft zu haben. Zudem soll er Zahlungen an Komplizen veranlasst haben für Leistungen, die diese nie erbracht haben. Jahrelang fiel das beim ADAC Nordbayern niemandem auf.

Doch ob dieser Mann auch die Wanzen hat anbringen lassen? Den Vorwurf, der Ex-Mitarbeiter habe auch Kollegen und ADAC-Funktionäre bespitzeln lassen, weist dessen Anwalt Andreas Ophoff als falsch zurück. "In diese Richtung wird von der Staatsanwaltschaft überhaupt nichts ermittelt", sagt er. Dass die nordbayerische ADAC-Spitze den Abhör-Verdacht auf seinen Mandanten lenke, wertet Ophoff als Versuch, "ihm noch etwas in die Schuhe zu schieben". Der Ex-Mitarbeiter solle offenbar zum Sündenbock für Missstände gemacht werden.

Rückendeckung erhält der Beschuldigte vom langjährigen Vorsitzenden des ADAC Nordbayern, Peter Spruß. "Aus welchem Grund hätte der Mann andere Mitarbeiter und Funktionäre abhören sollen" fragte Spruß im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Ich sehe dahinter keinen Sinn." Auch er bestätigt, von den Lauschangriffen gehört zu haben. Spruß sagt aber, er könne "definitiv ausschließen, dass es zu meiner Zeit Abhöraktionen gab." Dies müsse, so behauptet er, "erst danach" gewesen sei. Das wäre dann während der Amtszeit des amtierenden Vorsitzenden Herbert Behlert gewesen, der Spruß im Jahr 2009 nach acht Jahren an der Spitze des ADAC Nordbayern ablöste.

Der Pegnitzer Rechtsanwalt und langjährige ADAC-Funktionär Herbert Gabler macht dem Vorsitzenden Behlert in diesem Zusammenhang Vorwürfe. Er habe ihn "schon vor Monaten" über die Lauschangriffe in Kenntnis gesetzt, sagte Gabler zur SZ. Gabler äußerte den Verdacht, "ein hochrangiges Vorstandsmitglied des ADAC Nordbayern" habe veranlasst, "dass in bestimmten Bereichen Tonaufzeichnungen gemacht wurden." Dies habe er womöglich getan, weil ihm auf normalem Weg "nicht alle geforderten Informationen zugängig waren".

Vorwürfe bis heute nicht aufgearbeitet

Gabler nennt dafür "gemeinhin gut informierte Quellen" im ADAC. Den Namen des verdächtigen Vorstandsmitglieds wollte er nicht nennen. Gabler nannte allerdings konkrete Abhörpunkte in der Nürnberger ADAC-Zentrale. So seien nach seinen Informationen Wanzen neben einer Uhr im Chefsekretariat, im Geschäftsführerbüro sowie im Sitzungssaal des ADAC Nordbayern angebracht gewesen. Bei einer Neuinstallation der Telefonanlage in der Nürnberger ADAC-Zentrale seien "drei Abhörmöglichkeiten in bestimmten Telefonen gewesen, die aber entfernt wurden".

Ziel der Lauschangriffe soll unter anderem auch ein Mitarbeiter des ADAC Nordbayern gewesen sein, der sich seit Wochen schweren Vorwürfen ausgesetzt sieht. Langjährige Mitarbeiterinnen beklagten sich über Sexismus und Mobbing. Eine Ex-Sekretärin listete in einem Brief an den Betriebsrat auf zwei Seiten obszöne Zoten und Verhaltensweisen des Vorgesetzten auf.

Die Vorwürfe wurden bis heute nicht aufgearbeitet. Kurz darauf trennten sich der ADAC und die Sekretärin per Aufhebungsvertrag. Die Frau soll eine hohe Abfindung bekommen haben. Dies sei Gabler zufolge intern als "Schweigegeld" bezeichnet worden.

Der Süddeutschen Zeitung liegt eine CD vor, die offenkundig Daten vom Dienst-Laptop des ADAC-Mitarbeiters enthält. Neben internen Daten über Mitglieder, Funktionäre und Strategien des ADAC Nordbayern enthält die CD auch private Fotos und Schriftstücke des Mannes. Daran sei nichts auszusetzen, der Mitarbeiter dürfe seinen Dienst-Laptop auch privat nutzen, teilten die ADAC-Anwälte auf Anfrage mit. Im übrigen kenne man den Inhalt der CD nicht und könne ihn daher nicht beurteilen.

So bleibt offen, was die nordbayerische ADAC-Spitze darüber denkt, dass sich auf dem Laptop des Geschäftsführers auch Fotos von Gesäßen von Mitarbeiterinnen befinden, die offenkundig in Diensträumen fotografiert wurden. Der ADAC und der Mitarbeiter haben inzwischen Strafanzeige erstattet wegen der Kopie der Daten.

Gut möglich, dass die inzwischen zahl-reichen anrüchigen Vorgänge beim ADAC Nordbayern am 2. April zur Sprache kommen werden, wenn sich die Mitgliederversammlung des Verbandes zu ihrer Jahrestagung in Nürnberg trifft. Auch vor Gericht kommen auf den ADAC Nordbayern womöglich unangenehme Dinge zu. Der inhaftierte Ex-Mitarbeiter will bei seinem bevorstehenden Prozess "einiges über den ADAC Nordbayern zur Sprache bringen", kündigt sein Verteidiger Andreas Ophoff an.

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