Missbrauchsvorwürfe gegen Chefarzt:"Ich bin weder Sex-Arzt noch Dr. Pervers"

Lesezeit: 2 min

  • In Bamberg steht der ehemalige Chefarzt Heinz W. vor Gericht. Er soll zwölf Frauen narkotisiert und missbraucht haben.
  • Am zweiten Verhandlungstag hält er einen ausführlichen Vortrag über medizinische Methoden - mit Powerpoint.
  • W. verliert dabei kein einziges Wort verliert er darüber, warum er die Patientinnen ohne ihr Wissen betäubt hat.

Von Annette Ramelsberger, Bamberg

"Ich bin weder Sex-Arzt noch Dr. Pervers. Ich bin weder Sexualstraftäter noch Vergewaltiger." Der frühere Chefarzt des Bamberger Klinikums spricht die Sätze wie eine Beschwörungsformel. Zwei Stunden lang trägt Heinz W., 49, vor, wie er zu den Vorwürfen gegen sich steht. Er soll zwölf Frauen narkotisiert und missbraucht und von der Patentochter seiner Frau gegen deren Willen Nacktbilder gemacht haben. Alles, sagt der Arzt, im Dienste der Wissenschaft. Vielleicht sei er dabei über das Ziel hinaus geschossen.

Es ist der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen Heinz W. am Landgericht Bamberg. 48 Seiten trägt W. vor, er geht ausführlich auf die 800 verschiedenen Arten von Venenkathetern ein, auf die Bauweise von Stents zur Überwindung von Venen-Engstellen oder auf ungeschultes OP-Personal, mit dem er sich herumschlagen musste. Kein einziges Wort aber verliert er darüber, warum er die Patientinnen ohne ihr Wissen betäubt hat.

Ihm sei es nur um neue Therapiemethoden gegangen

"Ich habe erkannt, dass ich das Selbstbestimmungsrecht der Frauen hinter meine klinisch-medizinischen Interessen zurückgestellt habe. Ich wollte ihre Intimsphäre nicht verletzen, ich hätte sicherstellen müssen, dass sie in vollem Umfang der Untersuchung zustimmen", sagt Heinz W., "das macht mich aber nicht zum Straftäter und Vergewaltiger." Ihm sei es immer nur um neue Therapiemethoden gegangen.

Prozess
:Ehemaliger Bamberger Chefarzt wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt

Hat er - unter dem Vorwand einer medizinischen Studie - Frauen ruhiggestellt und sich an ihnen vergangen? In Bamberg beginnt der Prozess gegen einen ehemals angesehenen Mediziner.

Von Annette Ramelsberger

Er will auch weiterhin so ausführlich seine Sicht der Dinge darstellen - eine Ermunterung des Richters, sich aufs Wesentliche zu beschränken, haben seine Anwälte umgehend gerügt. Das verstoße gegen das verfassungsmäßige Recht des Angeklagten, sich vollinhaltlich zu verteidigen. Und das wäre ein Revisionsgrund. Die Verteidigung baut schon mal vor.

"Wie in Hexenprozessen"

Schon jetzt ist zu erkennen, dass dies kein leichter Prozess wird. Mindestens zwei Tage will W. über seine Untersuchungen referieren - per Powerpointvortrag. Die Verteidiger geben zu verstehen, dass sie die Gutachter nicht akzeptieren, die die Erklärungen von W. für nicht nachvollziehbar halten. Als der Staatsanwalt einmal lacht, droht ihm die Verteidigung mit Dienstaufsichtsbeschwerde. Und Verteidiger Dieter Widmann spricht von "Mechanismen, wie sie auch in den Hexenprozessen funktionierten: Unwissen und daraus resultierende Verdächtigungen. Keiner aus der Justiz hat mal ein medizinisches Handbuch in die Hand genommen." Das medizinische Fachwissen werde nun vom Angeklagten in den Prozess getragen.

Prozess gegen Bamberger Ex-Chefarzt
:"Die Vernichtung von Dr. W. ist in vollem Gang"

Er soll 13 Frauen betäubt, missbraucht und zum Teil vergewaltigt haben: Zum Prozessauftakt lässt der ehemalige Chefarzt des Klinikums Bamberg die Vorwürfe zurückweisen, seine Verteidiger sprechen von Vorverurteilung.

Report von Annette Ramelsberger

Der steht dann auf, um dem Gericht an seinem eigenen Körper zu zeigen, wo die Venen verlaufen und sich verzweigen. Er berichtet, dass sich Verdickungen der Venen in den Schamlippen zeigten, wenn Beckenvenen verstopft seien - das erkläre die vielen Bilder von Schamlippen auf seinem Computer. Auch gebe es nur 84 Bilder von Patientinnen, nicht eine halbe Million, wie es anfangs hieß. 24 davon zeigten die Narben nach einer Operation. "Wenn ich den Hautschnitt im Bereich des Bikinis mache, meine Herren, ist es unabdingbar, dass die Unterhose ausgezogen wird, um davon Bilder zu machen", erklärt er. "Es dient nicht meiner Belustigung und nicht meiner sexuellen Befriedigung."

Der Prozess wird am 28. April fortgesetzt.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: