Direktvermarktung:Von der Kuh direkt zum Kunden

Direktvermarktung: Vor sechs Wochen haben Hanna Müller, Max Steinbacher und Max Müller einen Milchautomaten auf dem Stroblhof aufgestellt. Die Nachfrage ist groß.

Vor sechs Wochen haben Hanna Müller, Max Steinbacher und Max Müller einen Milchautomaten auf dem Stroblhof aufgestellt. Die Nachfrage ist groß.

(Foto: Claus Schunk)
  • Immer mehr Landwirte vermarkten ihre Produkte selbst.
  • Milchtankstellen, an denen sich die Kunden ihr Produkt selbst zapfen können, boomen derzeit in Bayern.
  • Die Kunden bekommen nicht nur ein regionales, frisches Produkt, sondern es entsteht auch ein Dialog mit den Landwirten.

Von Christian Sebald

Ein mannshoher Metallschrank mit einer großen Klappe, drinnen ein 150-Liter-Tank samt Kühlung, dazu Schlitze, welche die Kunden mit Münzgeld oder Scheinen füttern und natürlich ein Rückgabeschacht für das Restgeld: Das ist der neue Renner auf dem Stroblhof bei Großhartpenning im Miesbacher Oberland. "Unser Milchautomat kommt sehr gut an", sagt der Jungbauer Max Müller. "Es gibt Tage, da fahren alle paar Minuten Kunden vor und holen sich die frische Milch von unseren Kühen ab." Vor guten sechs Wochen haben sie den Milchautomaten auf dem Stroblhof aufgestellt. Inzwischen kommen die Kunden sogar schon bis aus dem 40 Kilometer entfernten München heraus.

Der Stroblhof ist kein Einzelfall. Viele Milchbauern stellen derzeit auf ihren Bauernhöfen Milchautomaten auf - in der Oberpfalz genauso wie im Allgäu, in Niederbayern oder eben in Oberbayern. "In der Oberpfalz haben wir Ende Juli eine Info-Veranstaltung zu Milchautomaten angeboten", sagt Anja Hensel-Lieberth, Expertin für Direktvermarktung an der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). "Wir haben mit 20 oder 30 Interessenten gerechnet. Gekommen sind über hundert."

Zwar weiß Hensel-Lieberth nicht genau, wie viele Bauern in den vergangenen Wochen mit der Direktvermarktung ihrer Milch begonnen haben - "wir führen da keine Statistik". Aber allein rund um München dürfte es ein halbes Dutzend gewesen sein. "Und das ist sicher erst der Anfang", sagt die Expertin. "Denn so schlecht wie die Zeiten für die Milchbauern nun mal sind, schaut sich ein jeder nach einem Zuverdienst um."

Einen Euro kostet der Liter Milch am Milchautomaten auf dem Stroblhof, aber auch bei den meisten anderen Selbstvermarktern. Das ist gut doppelt so viel wie bei den Discountern. "Aber dafür bekommen die Kunden auch ein Naturprodukt", sagt der Jungbauer Müller. "Die Milch in unserem Automaten ist unbehandelt, also so wie sie aus der Kuh rauskommt, mit all ihren wertvollen Inhaltsstoffen, nur auf vier Grad heruntergekühlt." Außerdem bekommen Müllers Kunden das Erlebnis Bauernhof gratis mit dazu. Der Stroblhof ist ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch. Die 23 Milchkühe, die Kälber und der Stier sind von April bis Ende Oktober draußen auf der Weide. Außerdem halten Müller, seine Frau Hanna und der Altbauer Max Steinbacher noch vier Schweine, Ponys, Puten und eine ganze Schar Hennen - und natürlich dürfen sie alle ausgiebig bestaunt werden.

Einen Euro für den Liter Milch, das ist aber auch fast vier Mal so viel wie der Durchschnittspreis von 26 Cent, den die bayerischen Bauern derzeit von ihren Molkereien für den Liter Milch bekommen. Denn die Milchkrise hat die Bauern weiter fest im Griff. "Seit bald zwei Jahren ist der Milchpreis schon im Keller", sagt Hans Foldenauer vom Milchbauernverband BDM. "Auch wenn er sich in letzter Zeit etwas stabilisiert hat und bis Jahresende auf 28 Cent steigen könnte, so schlimm wie diese Krise war noch keine in den 36 Jahren, in denen ich jetzt Milchbauer bin."

Die Milch ist teurer, aber regional und frisch

45 Cent Milchpreis, so rechnet der BDM vor, bräuchten die Bauern, damit sie kostendeckend wirtschaften und genug Rücklagen für Investitionen bilden könnten. Jeder Cent weniger bedeutet allein für die bayerischen Milchbauern einen Gesamtausfall von 75 Millionen Euro im Jahr. Die Verluste sind also immens. Beim BDM schätzen sie, dass allein 2015 in Bayern 1500 Bauern die Milchwirtschaft aufgegeben haben - das sind knapp fünf Prozent der Milchbauern insgesamt im Freistaat.

Natürlich ist so ein Milchautomat kein Ausweg aus der Krise. "Allein schon, weil die Selbstvermarktung ja nicht für jeden Bauern taugt", sagt Hensel-Lieberth. "Wenn zum Beispiel ein Hof zu weit abseits liegt, kann sie nicht klappen." Zum anderen ist so ein Milchautomat nicht billig. "Mit einem Holzhäuschen als Wetterschutz ist man schnell bei 20 000 bis 30 000 Euro", sagt die Expertin. "Da muss dann einer schon wenigstens 50 Liter Milch am Tag absetzen, damit sich die Investition rechnet." 50 Liter Milch, das ist in etwa so viel, wie drei Kühe geben. Selbst für kleine Milchbauern, wie Maximilian Müller und Max Steinbacher sie mit ihren 23 Kühen sind, kann der Milchautomat also immer nur ein Zubrot sein. Den Löwenanteil ihrer Milch werden sie immer über Molkereien vermarkten müssen.

Für Hensel-Lieberth hat der neue Trend aber noch einen Effekt - aus ihrer Sicht ist er mindestens so wichtig ist wie das Zubrot. "Wenn Verbraucher wenigstens ab und zu Milch direkt beim Bauern holen, dann kommen sie automatisch miteinander ins Gespräch", sagt die Expertin. "Das ist ungeheuer wertvoll. Denn es gibt immer mehr Leute, die gar nicht mehr wissen, wie es auf einem Bauernhof zugeht - geschweige denn, was die Landwirte für Sorgen drücken."

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