Huber-Wirt in Pleiskirchen:Michelin-Stern nach 400 Jahren

Huber Wirt

Familie Huber in Pleiskirchen hat sich einen Michelin-Stern erkocht.

(Foto: oh)

Mehr Tradition geht kaum: Seit 401 Jahren ist das Wirtshaus in Pleiskirchen in Familienbesitz. Alexander Huber ist der erste gelernte Koch in der Sippe - als er übernahm, schmiss er den Champignon-Toast von der Karte, inzwischen ist er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet worden.

Von Heiner Effern

Als Alexander, der elfte Huberwirt in direkter Folge, von seinen Wanderjahren nach Pleiskirchen heimgekehrt ist, gab es zuerst mal ein Gespräch mit Josef, dem zehnten Huberwirt. Wie das auch immer abgelaufen sein mag, Toast mit Champignons, Schweinelendchen, Zigeunerschnitzel und verwandte Gerichte verabschiedeten sich danach auf Nimmerwiedersehen.

"Wir haben die Hälfte gestrichen, weil es gar nicht möglich ist, das in der gewünschten Qualität alles zu kochen", sagt Alexander Huber, 34. Peu à peu habe er die Speisekarte umgebaut, lieber ein altes, vergessenes Gericht aufgenommen und verfeinert, als eines behalten, das jeder Wirt auf der Karte hat. Die Folge: Alexander, der erste gelernte Koch der Wirte-Familie Huber seit 1612, ist nun im Feinschmecker-Führer Guide Michelin mit einem Stern verzeichnet.

Ein Sterne-Koch im Holzland? So nennen die Einheimischen die waldigen Hügel nördlich von Altötting. Große Bauernhöfe prägen hier das Landschaftsbild, Tradition wird noch gelebt. Dass in einem Gasthaus 401 Jahre ohne Unterbrechung ausgeschenkt wird, passt in die Region. Dass eine Familie den Atem und die Nachkommen hat, dafür ebenso lange zu sorgen, auch.

Taktik: Geschickt heiraten

Begonnen hat die Geschichte der Hubers und ihres Wirtshauses im Jahr 1612. Jedenfalls die des Gebäudes. "Hochgrant von Taufkirchen zu Gutenburg und Clebing hat im Jahre 1612 dieses Haus erbaut." Dieser Satz ist aus einem Stein herauszulesen, der noch heute über dem Eingang des Huberwirts zu sehen ist. Wie und wann genau der erste Wirt aus der Familie Huber, Wolfgang, an das Gasthaus gekommen ist, konnte der Verfasser des Stammbuchs der Familie nicht belegen.

Vermutlich hat Wolfgang es mit der Taktik geschafft, mit der die Habsburger ein Weltreich aufbauten und auch die Hubers oftmals reüssierten: mit einer geschickten Heirat. "In den ersten Jahren diente das Haus als Landwirtschaft, Dorftreff und auch als Post", sagt Alexander Huber. Lange hieß das Haus klassisch "Gastwirtschaft zur alten Post".

Huber-Wirt in Pleiskirchen: Begonnen hat die Geschichte der Hubers und ihres Wirtshauses im Jahr 1612. Jedenfalls die des Gebäudes.

Begonnen hat die Geschichte der Hubers und ihres Wirtshauses im Jahr 1612. Jedenfalls die des Gebäudes.

(Foto: oh)

Der junge Wirt ist nach der Mittagsarbeit herausgekommen aus der Küche und hat sich an einen Tisch in die Stube gesetzt. Die Decke über ihm ist noch im Original erhalten, die Jahreszahl 1612 ist in einen alten Balken geritzt. Das Gespür fürs Kochen habe er von der Mama und der Oma, sagt er. "Was es da gegeben hat, war sehr gut." Die bayerische Küche nach so vielen Generationen aufgeben, das konnte und wollte er nicht.

Im Guide Michelin steht, er mische "im elterlichen Betrieb gelungen Gourmetküche mit regionaler Kost - die Basis dafür sind saisonale Produkte, von denen viele direkt aus der Gegend stammen". Vater Josef setzt sich kurz dazu, und sagt: "Das erste Kochbuch hat er von seiner Oma bekommen, mit viereinhalb Jahren." Wie schafft man es, dass sich immer einer findet, der den Wirtshausschlüssel übernimmt? "Du musst das vorleben", sagt Josef, der Zehnte. "Und du musst immer dranbleiben. Ausrasten darfst nie", sagt sein Sohn.

Auf der Suche nach einer Nische

Schon der zweite Wirt in der langen Geschichte der Familie Huber, Johann, brauchte ums Geschäft nicht zu fürchten. Er hatte ebenfalls klug geheiratet und deshalb "sehr günstige Verwandtschaften", wie der Familienchronist schreibt. Viele Großbauern rund um Pleiskirchen waren Brüder oder Schwager. "Hätte es damals schon Gemeinde und Wahl gegeben, es wäre Johann Huber sicherlich zum Bürgermeister gewählt worden", steht in der Chronik.

Die Verbundenheit mit den Menschen in der Region will auch Alexander Huber nicht aufgeben. Der Tisch am Kachelofen ist nicht eingedeckt, drei Stammgäste trinken dort ihr Bier und fachsimpeln über Fußball. Der Frauenbund, der CSU-Ortsverein und schon auch noch die Sportler kämen vorbei, doch das Geschäft mit den Vereinen werde weniger, sagt Huber. "Nicht weil wir das nicht wollen, die ziehen sich überall mehr in ihre Vereinsheime zurück. Das Thema erledigt sich von selbst."

Überleben kann ein Gasthaus nur noch, wenn es sich eine Nische sucht, davon ist Alexander Huber überzeugt. Seine Eltern haben ihn als jungen Mann ziehen lassen, er kochte bei Jean-Luc Garnier in Wartenberg und bei Hans Haas im Tantris. "Das war oft auch eine harte Schule, aber ich habe wahnsinnig viel gelernt", sagt er.

2005 kehrte er ins Familien-Wirtshaus zurück, mit vielen neuen Ideen. Der Entrümpelung der Karte folgten Gourmet-Abende und Weinverkostungen mit Winzern. Er bekam eine neue, sehr moderne Küche. In ihr entwickelte der Koch nach und nach einen persönlichen Stil, den die Tester von Michelin nun auszeichneten. Auch sie suchen offenbar das Neue auf der Basis der Tradition. "Der Gasthof ist schon seit Generationen ein Familienbetrieb", erwähnen die Tester lobend.

Huber-Wirt in Pleiskirchen: Begonnen hat die Geschichte der Hubers und ihres Wirtshauses im Jahr 1612. Jedenfalls die des Gebäudes.

Begonnen hat die Geschichte der Hubers und ihres Wirtshauses im Jahr 1612. Jedenfalls die des Gebäudes.

(Foto: oh)

"Da ist man schon unheimlich stolz", sagt Vater Josef. Der kann sich immer wieder selbst begeistern, wenn er an die lange Tradition seiner Familie zurückdenkt. "Das ist der Wahnsinn. Zehn Generationen, 79 Kinder." Aus seiner Sicht, sein Sohn ist in der Zählweise jeweils schon eins weiter. In alten Zeiten war allerdings die Zahl der Kinder eine andere.

Matthias etwa, der vierte Huberwirt, soll mit seiner Frau Maria Franziska "eine ziemlich kurze, aber doch glückliche Ehe" geführt haben, schreibt der Chronist: "Von 1782 bis 1788 brachte Frau Fanny sechs Kinder zur Welt, von denen kaum eins frühzeitig starb." Alexander und auch seine Tochter sind Einzelkinder, da steigt die Gefahr, dass der lange Faden reißt.

Zwingen will er seine wenige Monate alte Tochter später aber zu nichts. Es könne sein, dass das achtzigste Kind der Familie Huber etwas ganz anderes macht. Momentan hält der Vater es für realistisch, "dass sie mal Prinzessin werden will". Ob das so leicht wird mit dieser Familiengeschichte? Alexanders Partnerin hilft im Service, die Kleine "gangerlt schon mal am Stammtisch rum". Vielleicht wird es doch ein Wirtshauskind, wie seine Vorfahren. Bei Alexander hat sich irgendwann dieser Gedanke eingeschlichen: "In der elften Generation, da magst nicht gerne der letzte sein."

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