Michael Adam vor Karrieresprung:Wald-Wowi aus dem tiefschwarzen Niederbayern

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Als Bürgermeister hat Michael Adam den Ort Bodenmais zur Top-Destination gemacht, nun steht der SPD-Politiker vor dem nächsten Karriereschritt. Er wird wohl die Landratswahl in Regen gewinnen. Das überrascht: Denn Michael Adam ist jung, schwul und evangelisch.

Max Hägler

Sie verstehen dieses Ergebnis nicht bei der CSU, das ist offensichtlich. Als Erklärung für den Etappensieg von SPD-Mann Michael Adam müssen nun die kostenlosen Kinovorführungen samt Popcorn und Kaffee herhalten.

"Wir können Landrat" steht auf dem T-Shirt eines Anhängers in Regen. Michael Adam geht in die Stichwahl. (Foto: dapd)

Was die Christsozialen schon seit der ersten Runde der Landratswahl in Regen tuscheln, mit ärgerlichem oder auch neidvollem Unterton, das hat nun einer von ihnen, ein Mitglied des Regener Kreisvorstandes, aufgeschrieben. In einem Leserbrief im Bayerwald-Boten beklagt er, dass die Landratswahl zu "einer wahren Materialschlacht" ausgeartet sei und SPD-Mann Adam dabei "augenscheinlich den aufwendigsten Wahlkampf" führe - sich aber über die Einnahmen ausschweige.

Tatsächlich ist der Einsatz des jungen Sozialdemokraten bei dieser Landratswahl enorm, er hat die größten Werbeanzeigen in den Zeitungen, fährt mit einem beklebten Smart durch die Gegend und veranstaltet nicht nur Kinoabende für die Menschen im Landkreis, sondern auch noch ein Seniorenkonzert bei freiem Eintritt: 500 Damen und Herren kamen zu Margot Hellwig in den Faltersaal in Regen. Die Leute schunkelten begeistert mit, als Adam zum Absingen des Kufstein-Lieds auf die Bühne stieg. Manche spitzen den Vorwurf der Materialschlacht entsprechend zu: Vom "Wald-Wowi" reden sie dann, der nur auf Showbiz mache und so Stimmen sammle.

Eine Woche noch, dann ist Stichwahl im Landkreis Regen. Die Zeichen stehen gut für Adam, den Sohn eines Schweißers und einer Zahnarzthelferin aus Zwiesel: Auf Platz eins wurde er gewählt in der ersten Runde, mit acht Prozent Vorsprung vor dem CSU-Kandidaten Helmut Plenk. Einer der unterlegenen Kandidaten, der parteilose Polizeibeamte Franz Xaver Eckl, empfiehlt seinen 2000 Wählern nun die Wahl Adams.

Sein Argument ist eines, das viele im Landkreis teilen, die Veränderung wünschen: "Es muss verhindert werden, dass ein Triumvirat aus Brunner (Landwirtschaftsminister, CSU, d. Red.), Hinsken ( CSU-Bundestagsabgeordneter) und einem CSU-Landrat unseren Landkreis leitet." Würde er tatsächlich siegen, wäre es eine Sensation - und ein Menetekel für die CSU. Denn Adam ist sozialdemokratisch und schwul, wie Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister in Berlin.

Hier, am äußersten Rand Bayerns, sind die Bedingungen härter als in Berlin: Denn Adam ist auch noch evangelisch mitten im katholischen Niederbayern - und unglaublich jung. Schon seine Wahl in Bodenmais im Frühjahr 2008 war eine Sensation. Die Leute machten ihn, 23 Jahre alt, Student der Politikwissenschaft, zum Bürgermeister, übrigens dem jüngsten hauptamtlichen Deutschlands.

Drei Jahre sind vergangen seitdem. Eigentlich strebt Adam in ein Parlament, doch nach dem Selbstmord des früheren Amtsinhabers, des CSU-Landrats Heinz Wölfl, versucht er nun diesen Karriereschritt. Bodenmais reicht ihm nicht mehr, dieser Ort, in dem alles Landhausstil ist, die Ferienwohnungen, Pensionen, Hotels. Gemeinsam mit dem Tourismusmanager hat er Bodenmais wieder zur Top-Destination im Bayerischen Wald gemacht, eine Million Übernachtungen stehen in den Statistiken. Die Zustimmung in der eigenen Gemeinde bei der Landratswahl für Adam: 65 Prozent.

Im Café Zucchero sitzt er, ganz hinten in der Ecke, beinahe versunken in dem tiefen Sessel. "Soll ich Dir ein Kissen bringen?", fragt die Chefin. Sie ist besorgt um ihren Gast, den Bürgermeister, der Pausbacken hat, wie ein Schüler und gern Trachtenjanker trägt. Doch Michael Adam winkt ab.

Er nippt am Tee, tippt auf dem Handy und erzählt davon, was sich ändern soll im Landkreis. Und von seinem Antrieb: "Die Gegend hier hat so viel Potential, hier könnte so viel mehr los sein." 32 Seiten umfasst sein Programm, im Verhältnis wohl mehr, als Wowereit zu bieten hatte: Ehrenamtliche sollen belohnt werden für ihre Mühen, Straßen gilt es auszubauen und beim Thema Internet muss endlich angepackt werden - notfalls ohne Regierungshilfe.

"Dieses programmatische Arbeiten habe ich ihm nicht zugetraut, da zeigt er Haltung", sagt einer, der Adam nicht gewählt hat in der ersten Runde. Heinz Rösing, Zauselfrisur und wilder Vollbart, macht seit vielen Jahren als Kreisrat grüne Kommunalpolitik, ist Kreisvorsitzender des Bundes Naturschutz. Adam sei anders, sagt Rösing. Der habe das Machtgen, sei ein Politikjunkie. Wieso nehmen ihn die Leute eigentlich ernst in diesem konservativen, katholischen Stammland der CSU?

"Es spricht für die Waidler, dass sie einem zuhören, der nicht ins Bild passt", sagt Rösing. Vielleicht zeigt sich ja, was der Bayerische Rundfunk vor einiger Zeit erforscht hatte: Dass nämlich der typische Niederbayer nicht nur der heimatverbundenste Bayernbewohner ist, sondern auch der toleranteste.

Zugute kommt Adam dabei wohl, dass er wirklich zu Hause ist in diesem Landkreis: Im Waldverein, bei den Schützen, bei Weiß-Blau Königstreu, bei der Feuerwehr. "Er hat sich kein politisches, sozialdemokratisches Paralleluniversum aufgebaut wie manche", sagt auch der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold.

Übrigens: Das mit den Wahlkampf-Einnahmen hat Adam am Tag danach, ebenfalls per öffentlichem Brief, beantwortet. Insgesamt 9000 Euro habe er von den SPD-Verbänden erhalten, teils als Darlehen. 20.000 Euro habe er sich von der Bank geliehen. Die Sängerin Margot Hellwig sei ihm "aus Sympathie" bei ihrer Gage entgegengekommen. Für die Werbeanzeigen habe er zu Beginn des Wahlkampfes gute Konditionen ausgehandelt. So viel unternehmerisches Geschick brauche ein Politiker schon, stichelt der 26-Jährige in Richtung CSU.

© SZ vom 21.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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