Memoiren von Ottfried Fischer:Brummbär von Ornatsöd

Ottfried Fischer

Ottfried Fischer wird 60 Jahre alt und hat aus diesem Anlass seine Memoiren geschrieben: "Das Leben - ein Skandal"

(Foto: dpa)

"Das Leben - ein Skandal": In seinen Memoiren erzählt Kabarettist Otti Fischer von seiner bäuerlich-katholischen Sozialisation, dem Prozess um ein Sexvideo und dem Umgang mit seiner Krankheit Parkinson, der feigen Sau.

Von Franz Kotteder

Ottfried Fischer sah schon schlechter aus. Er scheint sich wohlzufühlen, trotz seiner Parkinson-Erkrankung. Am Sonntag war er sogar auf der Wiesn, im Hofbräuzelt, und schaute dort beim lokalen Fernsehsender münchen.tv vorbei, der das Problem hat, täglich drei Stunden Sendezeit mit irgendwelchem Irrsinn vom Oktoberfest füllen zu müssen.

Fischer sagte dort, dass es kaum einen anderen Ort gebe, "der so viel Magie und Reiz ausstrahlt wie das Oktoberfest". Allerdings: "Der Dirndl- und Trachtenwahnsinn" gefalle ihm gar nicht. Er durfte dann aber trotzdem verraten, dass am Mittwoch dieser Woche sein neues Buch "Das Leben - ein Skandal. Geschichten aus meiner Zeit" (Verlag Langen Müller, 272 Seiten, 19,99 Euro) erscheinen wird.

Ja, das ist er wieder, der Otti Fischer, wie ihn alle kennen. In der deutschen Kabarett-Elite ist er der gutmütige Brummbär, der weniger Scheu als andere davor hat, ins Populistische oder Werbliche abzudriften. Das wird ihm gerne mal vorgeworfen von Kollegen, freilich mehr so hintenrum und selten direkt. Weil: Der Ottfried Fischer ist nicht nur ein sehr netter Mensch, er hat ja bis Ende November 2012 auch 17 Jahre lang mit "Ottis Schlachthof" im Bayerischen Fernsehen seinen Kollegen eine gern genutzte Bühne gegeben.

Auseinandersetzung mit der "Erpressefreiheit"

Natürlich weiß Ottfried Fischer das alles, er schreibt es auch in seinem Buch. Wobei er den Leser im Unklaren lässt, worin dieser Skandal namens Leben so genau besteht. Es gibt ein Kapitel darin, das so heißt wie der Titel des Buches, darin geht es um die Geschichte, deretwegen Ottfried Fischer nun schon eine ganze Weile mit der Bild-Zeitung prozessiert.

Er sollte mit diskreditierenden Filmaufnahmen zu Interviews bewegt werden, um es vorsichtig auszudrücken. Fischer findet im Buch dafür den schönen Begriff der "Erpressefreiheit" und berichtet elegant verklausuliert davon, wie "intimstes Privatleben, das niemanden etwas angeht, an die Öffentlichkeit gezerrt" worden ist, was zweifellos den Kern der Sache trifft.

Die Memoiren, die sich Ottfried Fischer selbst zu seinem 60. Geburtstag schenkt (der allerdings erst in sechs Wochen, am 7. November, sein wird) sind ein wunderliches Buch geworden, im positiven Sinne. Fischer erzählt sein Leben in vielen kleinen Schlaglichtern und in zwei großen Blöcken, allzu Privates, ja gar Intimes lässt er konsequenterweise ganz raus.

Die Schlaglichter aber sind so gut wie nie sentimental, partiell etwas dunkel, düster und archaisch, dann wieder farbig und Funken sprühend und voll jener Anekdoten, die sich der Fan von einem Kabarettkaliber wie Otti Fischer nun einmal erwartet. Natürlich weiß die Rampensau Fischer, wo sie dem Affen Zucker geben muss - und mit diesen beiden tierischen Vergleichen ist auch gleich umschrieben, wie ein Teil der Fischerschen Aufzeichnungen funktioniert: mit vielen hübschen Wortspielen, oft auch am Rande des Kalauers, der gerne (und zu Unrecht) als bucklige Verwandtschaft von Witz und Esprit geschmäht wird.

Von Ornatsöd nach Schwabing

Das ist aber nur ein Aspekt des Buches. Die Fans wird besonders die Schilderung der Jugendjahre auf dem Bauernhof im niederbayerischen Ornatsöd interessieren. Die reine Idylle ist das nicht, diese Kindheit in den fünfziger Jahren auf dem Lande, auch wenn der in Paderborn gebürtige Vater sehr witzig und belesen ist. Es kommen vor: Sommergäste, die unterhalten werden wollen, christsoziale und andere Politiker, außerdem Uschi, die erste Liebe. "Ich ging drei Sommer mit ihr. Das wusste keiner, am wenigsten Uschi."

Otti kommt dann ins Internat, in eine Klosterschule, wo er einiges fürs Leben lernt: "Vielleicht war ich auch deswegen von den Gepflogenheiten im Bayerischen Rundfunk nie zu sehr überrascht, weil ich es teilweise aus der Klosterschule noch schlimmer kannte." Man kann sich vorstellen, was für eine Befreiung für den jungen Fischer die ersten Jahre in Schwabing gewesen sein müssen. Trotz des Jurastudiums.

Immer wieder verblüffend ist, mit welcher Einfühlsamkeit Ottfried Fischer über Menschen und Situationen schreiben kann, über alte Weggefährten wie Jockel Tschiersch und Günter Knoll. Sein Porträt des Schwabinger Fischlokals "Kalypso" und seines ehemaligen kretischen Wirts Manolis Manoussakis ist ein Glanzstück, das zwischen mildem Spott und Staunen pendelt.

Parkinson, eine feige Sau

Ein anderes ist die Passage über seine Mutter Maria, ein liebevolleres Porträt hat lange keine Mama mehr bekommen. Man merkt dann, dass der schon wegen seiner Leibesfülle gern etwas grobschlächtig daherkommende Fischer ein sehr sensibler, verletzlicher Mensch ist. Auch, wenn er über seine Krankheit schreibt, es sind übrigens nur ein paar Seiten.

Da heißt es zum Beispiel: "Im Prinzip ist der Parkinson eine feige Sau, den man ganz gut im Griff haben kann, wenn man aufpasst." Lakonisch schildert Fischer, wie das Zittern begann und die sporadische geistige Abwesenheit, wie er versuchte, die Krankheit geheim zu halten, bis es nicht mehr ging. Welche, auch psychische, Belastung die Krankheit für ihn darstellt, kann man dann allerdings dem Postscriptum des kurzen Kapitels entnehmen: "Das Nächste, was ich schreibe, ist ein Reiseführer für Parkinson-Wunderheiler."

Natürlich spielt auch die Film- und Fernsehkarriere eine Rolle, die mit dem Vorsprechen bei Franz Xaver Bogner für "Irgendwie und sowieso" beginnt und aus folgendem Dialog bestand: "Bist du aus Bayern?" "Ja." "Von wo?" "Gegend von Passau!" "Sprichst du bairisch?" "Ja." "Guat, dann mach ma des, am Donnerstag um achte in Freimann."

So schnell entschlossen wie Bogner damals war Otti Fischer dann auch bei manchen seiner Filmrollen, viele oscarverdächtige waren nicht darunter. Ein paar Serienhöhepunkte immerhin, "Der Bulle von Tölz", "Pfarrer Braun", "Der Pfundskerl". In den Jahren zwischen 1998 und 2008 hat er so ziemlich alles heruntergedreht, was ihm angeboten wurde.

Folgen der bäuerlich-katholischen Sozialisation

Seit 2008, als er seine Krankheit öffentlich machte, spielt er wieder Kabarett, und man spürt, dass ihm das guttut. Derzeit probt er mit seiner Jazzcombo "Die Heimatlosen" ein neues Musiktheaterprogramm mit dem Titel "Die Wandogo-Filosofie", mehr will er noch nicht verraten.

Ganz abgesehen vom Parkinson, der feigen Sau: Ottfried Fischer hatte sich auch bis 2008 schon ein gewaltiges Arbeitspensum aufgehalst, das selbst einen Gesunden viel Kraft gekostet hätte. Aber dieser Arbeitsethos gehört wohl auch zu seiner bäuerlich-katholischen Sozialisation - oder wie in seinem Buch eine Bäuerin zum Thema Frauenbefreiung sagt: "Emanzipation? Nix da! Bei uns hat jeder sei Arbeit!"

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