Schwaben:OB-Wahl in Memmingen: Kuschelkampagne statt Wahlkampf

Oberbürgermeister-Wahl Memmingen

Das ist der - recht attraktive - Arbeitsplatz des künftigen Oberbürgermeisters: Um den Chefsessel im Rathaus von Memmingen geht es bei der Wahl am Sonntag.

(Foto: dpa)
  • An diesem Sonntag wählt Memmingen einen neuen Oberbürgermeister.
  • Der 46-jährige Markus Kennerknecht war erst Ende Dezember letzten Jahres durch eine Herzattacke plötzlich verstorben.
  • Das hat auch Einfluss auf den Wahlkampf: Beide Kandidaten setzen auf Zurückhaltung.

Von Christian Rost

Als der erst 46-jährige Oberbürgermeister Markus Kennerknecht Ende Dezember beim Joggen mit einer tödlichen Herzattacke zusammenbrach, hat sich ein Schatten über Memmingen gelegt. Die Menschen waren regelrecht geschockt, dass ihr Stadtoberhaupt, erst 38 Tage im Amt, so plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Der Sozialdemokrat war ein offener und umgänglicher Mensch, der gut bei den Leuten ankam.

Einmal setzte er sich für ein Interview in ein Karussell, um dort unter erschwerten Bedingungen Fragen zu seinen politischen Zielen zu beantworten. Umsetzen konnte er die Vorhaben nicht mehr. Ob es um die Ansiedlung von Ikea geht, den Bau eines Minaretts oder das neue Freizeitbad - um diese Projekte muss sich jetzt sein Nachfolger kümmern, der an diesem Sonntag gewählt wird. Wer das Rennen machen wird, der CSU-Kandidat Manfred Schilder oder sein Mitbewerber von der SPD, Friedrich Zeller, ist völlig offen. Und das liegt sowohl an den Umständen, die zu dieser Neuwahl führten, wie auch an den Kandidaten und den Themen, die die Menschen in der 43 000-Einwohner Stadt umtreiben.

Aus Respekt vor Markus Kennerknecht und seiner Familie verordneten sich CSU und SPD Zurückhaltung im Wahlkampf: Die Christsozialen klebten weniger Plakate. Beide Parteien hielten wochenlang keine Wahlveranstaltungen ab. Und auch in den Tagen vor dem Urnengang beschränkten sie sich vor allem auf persönliche Gespräche mit den Bürgern bei Hausbesuchen oder an Infoständen am Marktplatz. Weder persönlich noch bei den Sachthemen rieben sie sich aneinander.

Bis zum Wahltag pflegten Schilder und Zeller einen beinahe unheimlichen harmonischen Umgang miteinander. Mit dem Ergebnis, dass sich niemand traut, den Ausgang der Wahl vorherzusagen. "Wir wollten den Wahlkampf nicht aggressiv führen, auch die CSU nicht", sagte Zeller am Freitag. Er geht nun davon aus, dass es "außerordentlich knapp" werde, "denn beide Kandidaten sind gut". Sein Kontrahent Schilder meinte, "Prognosen sind ein Blick in die Glaskugel. Es wird relativ eng". Wobei immerhin der CSU-Mann davon ausgeht, dass er die Nase vorn haben wird. Er sei "zuversichtlich", sagte Schilder.

Zunächst hatten die Parteien sogar vereinbart, sich auf einen gemeinsamen OB-Bewerber zu verständigen. Die Absprache hielt aber keine zwei Wochen. Die SPD präsentierte mit Friedrich Zeller unvermittelt einen eigenen Kandidaten, was der CSU-Ortsverband verstimmt, aber nicht polternd zur Kenntnis nahm. Der 50-jährige promovierte Politik- und Verwaltungswissenschaftler Zeller ist ein erfahrener Kommunalpolitiker.

"Das wollten die Leute nicht hören"

In Schongau war der gebürtige Memminger zwölf Jahre lang Bürgermeister und danach sechs Jahre lang Landrat des Kreises Weilheim-Schongau. Das Amt musste er nach nur einer Wahlperiode wieder abgeben. Seine Erklärung dafür: Er habe für die Schließung eines Krankenhauses plädiert. "Das wollten die Leute nicht hören." Zeller, der sich beruflich mit Personalentwicklung beschäftigt und als Dozent tätig ist, sitzt nach wie vor im Kreistag von Weilheim-Schongau und im Schongauer Stadtrat. Die Wahl am Sonntag könnte ihn wieder in seine Heimatstadt zurückholen, falls er gewinnt.

Genauso gut stehen die Chancen für den Kandidaten der CSU. Manfred Schilder ist Regionalgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer im Allgäu. Zuvor war der Betriebswirtschaftler Geschäftsführer am Allgäu-Airport. Auch er stammt aus Memmingen und ist dort kommunalpolitisch verwurzelt. Im Stadtrat hat der 59-Jährige die Aufgabe des Finanzreferenten übernommen.

Friedrich Zeller in Schongau, 2014

Friedrich Zeller, Ex-Landrat und Kandidat der SPD: "Wir wollten den Wahlkampf nicht aggressiv führen."

(Foto: Johannes Simon)

Wenn die Memminger geglaubt haben, die Kandidaten würden ihnen die Wahlentscheidung leichter machen, indem sie klare Akzente setzen, dann irrten sie sich. Zwar haben sie ihre Standpunkte, es sind aber weitgehend dieselben. Schilder muss zugeben, dass die Unterschiede ihrer Positionen "marginal" sind. Und Zeller räumt ein, dass sie beide bei den Themen "weitgehend übereinstimmen". Das zeigte auch der Auftritt beider Kandidaten bei einer Podiumsdiskussion Anfang März. Da wurde zum Beispiel über die geplante Ansiedlung eines Ikea-Möbelhauses am Autobahnkreuz Memmingen gesprochen. Beide Kandidaten begrüßen das. Nur bei der Frage, ob neben Ikea auf dem Areal auch Fachmärkte entstehen sollen, weichen die Positionen leicht voneinander ab. Zeller sieht dadurch keine Konkurrenz für den Handel in der Innenstadt. Schilder will das Sortiment der Fachmärkte beschränken.

Nur in einem einzigen Punkt gehen die Meinungen klar auseinander

Ähnlich verhält es sich bei einem weiteren Bauprojekt: Die Memminger wollen ein neues Freizeitbad. Sowohl Schilder als auch Zeller versichern, das Projekt voranzutreiben. Sie sind nur unterschiedlicher Auffassung, wo das Bad entstehen soll. Und den Zustand des maroden Bahnhofsareals empfinden beide als unwürdig. Beide sagten, sie wollen das ändern. Die Zuhörer der Podiumsdiskussion mussten also genau zuhören, wo die Unterschiede in den Positionen der Kandidaten liegen.

Schwaben: Manfred Schilder, Stadtrat und Kandidat der CSU: "Prognosen sind ein Blick in die Glaskugel. Es wird relativ eng."

Manfred Schilder, Stadtrat und Kandidat der CSU: "Prognosen sind ein Blick in die Glaskugel. Es wird relativ eng."

(Foto: CSU)

Nur in einem einzigen Punkt machten es Schilder und Zeller ihnen leicht: Der Christsoziale lehnt den Bau eines 20 Meter hohen Minaretts ab, das die Türkisch-Islamische Union in Memmingen errichten will. Der Sozialdemokrat verweist auf die Religionsfreiheit. Als wäre ihnen dieser leichte Disput unangenehm, versicherten sie sodann in gewohnt trauter Einigkeit, dass sie Wahlkampf-Auftritte von ausländischen Politikern in Deutschland ablehnen.

Am Ende der Veranstaltung war es dann nicht mehr verwunderlich, dass sich Schilder und Zeller gegenseitig über den grünen Klee lobten. Der CSU-Mann bescheinigte seinem Mitbewerber, fair zu sein und kommunalpolitische Erfahrung mitzubringen. Und Zeller bezeichnete Schilder als sympathischen und vernünftigen Menschen. "Er ist ein guter Mann", sagte der SPD-Kandidat. Es ist also gut möglich, dass sich die beiden am Sonntag gegenseitig wählen werden.

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