Melkmeister Tobias Löw:"Ich rede besonders viel mit den Kühen"

Tobias Löw, Bayerischer Melkmeister.

Tobias Löw sagt manchmal lieber nicht, dass er Landwirt ist. Er nennt sich dann Agrarökonom - damit neue Bekannte nicht gleich in Klischees verfallen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Tobias Löw aus dem Kreis Rosenheim ist bayerischer Meister im Kühemelken. Im Gespräch verrät der 18-jährige Landwirt, wie er das geworden ist, wann sein Wecker klingelt - und warum er "Bauer sucht Frau" verflucht.

Von Laura Hertreiter

Tobias Löw ist bayerischer Meister. Im Kühemelken. Der 18-jährige Landwirtschaftslehrling aus Kirchensur im Landkreis Rosenheim hat sich vor Kurzem in der offiziellen Meisterschaft gegen die Konkurrenz aus dem Freistaat durchgesetzt.

SZ: Glückwunsch zum Titel! Verraten Sie Ihre Siegertechnik?

Tobias Löw: Ich rede besonders viel mit den Kühen. Je entspannter sie sind, desto mehr Milch geben sie. Wenn man sie mit der Melkmaschine überfällt, geht da gar nichts mehr.

Was sagt man zu einer Kuh, damit sie sich entspannt?

Griaß di, i bin's bloß, wia geht's da'n heid? Irgendwas. Hauptsache, man sagt was.

Und dann?

Langsam runterbeugen, mit dem Handrücken das Hinterbein entlangstreichen, keine hektischen Bewegungen. Dann vormelken, Milchqualität prüfen, Euter reinigen, Melkgeschirr anlegen - und los geht's.

Mit der Hand melkt wohl niemand mehr?

Nein, dafür sind die Betriebe heute viel zu groß. In meinem Ausbildungsbetrieb gibt es 160 Rinder, im Stall meiner Eltern 75. Auf beiden Höfen würde das stundenlang dauern. Manuell melkt man eine Kuh etwa 20 Minuten lang, die Maschine braucht nur sechs bis zehn Minuten.

Als Landwirts-Sohn haben Sie sicher eine Menge Übung.

Klar, die Kühe bei uns zu Hause melke ich, seit ich acht Jahre alt war. Ich weiß noch genau, als mein Vater mir das zum ersten Mal gezeigt hat. Ich war mir sicher, dass ich das nie so gut können würde wie er. Aber es ist natürlich eine Frage der Routine, heute sitzt jeder Handgriff im Schlaf.

Wie haben die Juroren festgestellt, dass Sie Bayerns bester Melker sind?

Mit einem Theorietest, ähnlich wie bei der Führerscheinprüfung, und einem Praxisteil. Dafür mussten wir acht Kühe melken, die meisten Punkte gab es für den Schnellsten. Oder wie es in der Fachsprache heißt: für den mit dem meisten Minutengemelk. Im Idealfall können Kühe so bis zu 30 Liter Milch am Tag geben. Für Gehudel und Schlampereien gibt es allerdings Abzüge, beim Melken gelten ja jede Menge Hygienevorschriften. In meinem Fall lief alles gut. Buchstäblich.

Was gab es als Preis?

Eine Urkunde. Klingt nach nicht viel, aber ich bin ja noch in der Ausbildung und kann gute Referenzen gebrauchen.

Zum Beispiel für eine Gehaltserhöhung?

Hoffentlich. Darüber muss ich mit meinem Chef aber noch verhandeln. Ich sollte mich beeilen, solange er noch so stolz auf mich ist.

"Ich kann auf keine Party gehen, ohne dass ich Vorurteile höre"

Im Beruf scheint es also gut auszusehen. Müssen Sie sich in der Freizeit denn oft mit Klischees über Landwirte herumschlagen?

Und wie. Ich kann auf keine Party gehen, ohne dass ich die ewig gleichen Vorurteile höre. Dass Landwirte dumm sind und schlecht riechen zum Beispiel. Das macht mich manchmal ehrlich fertig. Es gibt Abende, an denen ich fremden Menschen lieber sage, dass ich Agrarökonom bin - oder gar nichts -, damit ich mich nicht für meine Arbeit rechtfertigen muss. Landwirt ist kein angesehener Beruf. Für mich aber ist es der absolut schönste, deshalb treffen mich abwertende Worte sehr. Ich würde gern zu meinem Job stehen können wie ein Lehrer, Maler oder Verkäufer. Stattdessen drücke ich mich um das Thema, weil ich keinen Bock habe, gegen Klischees zu kämpfen.

Woher kommen die?

Die Leute sehen Landwirte im Frühjahr beim Gülle-Ausfahren, und das stinkt. Sie sehen die Erdspuren, die Traktoren auf den Straßen verteilen, und der Schmutz stört. Sie sehen nur einen kleinen Teil der Arbeit und schließen daraus auf den Menschen, der sie macht. Mit vielen anderen Aspekten beschäftigen sie sich kaum. Wie die Milch in der Tüte landet oder die Haferflocken in der Müslipackung zum Beispiel. Und am schlimmsten ist das Fernsehen. Sendungen wie "Bauer sucht Frau" zeigen nur die größten Chaoten, damit das Publikum etwas zum Lachen hat. Damit bekommt der ganze Berufsstand den RTL-Stempel aufgedrückt und wird ins Lächerliche gezogen. Mit dem echten Leben hat das nichts zu tun.

Wie sieht das denn aus?

Landwirte sind heute hauptsächlich Manager, weil die Betriebe so groß geworden sind und es immer mehr Richtlinien und Vorschriften gibt. Außerdem sind sie Elektriker, Zimmerer, Mechaniker, Biologen, Tierärzte - von allem ein bisschen. So ein Hof hat seinen ganz eigenen Rhythmus, die Tiere im Stall und die Pflanzen auf den Feldern diktieren das Arbeitspensum und die Abläufe. Kein Tag ist wie der andere, was anfällt, weiß man vorher nie genau. Außerdem fasziniert mich immer wieder, wie die Technik den Beruf erleichtert. Es gibt jede Menge neuer Maschinen, Fahrzeuge und technischen Firlefanz, der den Beruf von harter körperlicher Arbeit in einen strategischen Managementberuf verwandelt hat.

Wie steht es um das Klischee, dass Landwirte niemals frei haben?

Da ist schon was dran. Wenn ich Urlaub haben will, muss ich das langfristig planen. Ansonsten arbeite ich sieben Tage die Woche, mein Wecker klingelt um halb fünf Uhr morgens.

Lässt sich das mit durchgefeierten Partynächten vereinbaren?

Klar. Manchmal klingelt der Wecker eben, wenn ich noch wach bin.

Und Fernweh plagt Sie nicht?

Ich gehe demnächst für drei Monate nach Kanada. Da will ich ein Praktikum auf einer Farm mit mehr als 2000 Rindern machen. Ich bin so gespannt zu erleben, wie man einen Betrieb mit so gigantischen Dimensionen führt.

Hört sich auch nicht so richtig nach Freizeit an. Bleibt denn Zeit für eine Freundin?

Das ginge schon irgendwie. Momentan habe ich aber keine. Mädels finden die Landwirtschaft nicht so sexy, wegen all der Klischees, über die wir gerade gesprochen haben. Eigentlich verrückt, dass mir ausgerechnet "Bauer sucht Frau" meine Dates verhagelt.

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