Klinikum Regensburg:Mit Mikrowellen gegen Leberkrebs

Computertomograf

Das Team um Philipp Wiggermann (Zweiter von links) operiert mithilfe innovativer Technik.

(Foto: Klaus Völcker/UKR)
  • Am Regensburger Uniklinikum werden Patienten, bei denen der Leberkrebs operativ nicht mehr zu entfernen ist, mit einer neuartigen Methode behandelt.
  • Mikrowellen sollen den Tumor zerstören.
  • Das Krankenhaus nimmt an einer weltweiten Studie zu der Methode teil.

Von Dietrich Mittler

Margitta Brebach ist "eine Kämpfernatur", wie sie selbst sagt. Doch als bei ihr im vergangenen Jahr ein bösartiger Leberkrebs und eine Leberzirrhose diagnostiziert wurden, war nichts mehr wie zuvor: "Mir gingen tausend Dinge durch den Sinn", erinnert sich die 63-Jährige. Aber sie hatte ein Ziel: "Ich möchte so alt werden wie meine Mutter. Die ist 92 Jahre alt und fit wie ein Turnschuh."

Margitta Brebach hatte Glück: Einer ihrer Ärzte schickte ihre Befunde ans Uniklinikum Regensburg, kurz darauf bekam sie eine Einladung - verbunden mit der Frage, ob es ihr etwas ausmache, aus Nordrhein-Westfalen bis in die Oberpfalz zu fahren. Ihr machte das nichts aus, schließlich ging es um Leben oder Tod.

Innovative Methode eines ausgezeichneten Mediziners

"Auch wir können nicht zaubern", sagt Philipp Wiggermann. Als stellvertretender Leitender Oberarzt behandelt er am Institut für Röntgendiagnostik Patienten, bei denen der Leberkrebs operativ nicht mehr zu entfernen ist. Die Betroffenen sind in der Regel Menschen wie Margitta Brebach, denen mit der Diagnose auch mehr oder weniger deutlich mitgeteilt wird, "dass die Lebenserwartung nicht mehr ganz so lang" sein könnte.

Jährlich erkranken in Deutschland 8600 Männer und Frauen neu an primärem Leberkrebs. Fachleute sprechen von einem "Hepatozellulären Karzinom" (HCC). "Nur etwa 15 Prozent überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnosestellung, die mittlere Überlebenszeit beträgt 30 Monate", sagt Wiggermann, der 2012 für seine Forschung auf dem Gebiet der Interventionellen Radiologie ausgezeichnet wurde.

Radiologie nicht nur zur Bildgebung

Wiggermann gehört zu jenen, die die Grenzen des Fachbereichs Radiologie so weit auslegen, dass sie Tumore nicht nur sichtbar machen, sondern auch aktiv bekämpfen. Dazu nutzt er die er die sogenannte Radiofrequenzablation. Was sich für Laien nach einem Zungenbrecher anhört, ist in Fachkreisen eine seit Jahren bewährte Methode.

Dabei wird eine dicke Nadel zielgerichtet so am Körper angesetzt, dass sie das Tumorgewebe in der Leber erreicht. Ist das geschafft, fahren aus dieser Sonde sogenannte Antennen aus. Sie leiten wiederum die Wechselspannung weiter, die von einem Generator erzeugt wird. Mit dem Stromfluss passiert nun etwas, was sich so in etwa auch in der heimischen Mikrowelle abspielt. Das Gewebe wird stark erhitzt, und der Tumor wird sprichwörtlich "rausgebrannt", wie es Margitta Brebach beschreibt.

Wiggermann würde sagen: "Der Tumor wird zerstört." Den ganzen Vorgang hat er stets im Blick, dank seiner radiologischen Gerätschaften. Hightech hilft ihm sogar beim Nadelsetzen. "Letztlich plane ich die ganze Sache an einem Computer. Ich muss nur noch ein paar Knöpfe drücken, und dann fährt ein Roboter-Arm genau dahin, wo er sein soll." Allerdings muss er selbst doch Hand anlegen und die Nadel in den Körper der Patienten schieben. "Aus rechtlichen Gründen", wie Wiggermann sagt, "denn wenn etwas schiefgehen sollte, dann könnte der Patient ja eines Tages den Roboter-Hersteller verklagen."

Ein schneller und meist erfolgreicher Eingriff

Bei weniger als 20 Prozent der HCC-Patienten sei eine operative Entfernung des erkrankten Gewebes noch möglich, "da der Tumor bei Diagnosestellung oft schon zu weit fortgeschritten ist", sagt Wiggermann. Dass dies so häufig vorkommt, hat einen triftigen Grund: Die Leber ist zwar eines der wichtigsten Stoffwechselorgane des menschlichen Körpers, sendet aber kaum Warnzeichen aus. "Leberkrebs weist im Anfangsstadium so gut wie keine Symptome auf", sagt er. Für die Betroffenen ist das nur zu oft fatal: Die Erkrankung wird meist zu spät entdeckt.

Wiggermann hält viel von der Radiofrequenzablation: "Meine Patienten kommen klassischer Weise am Montagvormittag, haben am Dienstag den Eingriff und gehen am Mittwoch nach Hause. Und das ist der Charme dieser extrem minimalinvasiven Geschichte." Zumeist gelte auch: "Die hatten vorher Krebs an der Leber, und danach haben sie keinen mehr." Aber die Methode hat auch ihre Nachteile: Bei Tumoren ab einer Größe von drei Zentimetern gerät sie an ihre Grenzen, kleinere Metastasen rund um den Tumorherd könnten zwar noch erwärmt, aber nicht mehr zerstört werden.

Regensburg nimmt an einer weltweiten Studie teil

Hier setzt nun die weltweit laufende "Optima-Studie" des amerikanischen Forschungsunternehmens Celsion Corporation an, an der sich das Uniklinikum Regensburg jetzt beteiligt. Zusätzlich zur Radiofrequenzablation wird ein in der Chemotherapie bekanntes Medikament freigesetzt, das die restlichen verbliebenen Tumorzellen zerstören soll. "Dadurch können Lebertumore mit einer Größe von bis zu sieben Zentimetern effektiv behandelt werden", hofft Wiggermann.

Nach wie vor werden noch Patienten gesucht, die sich an der Studie beteiligen wollen. Allerdings, so schränkt Philipp Wiggermann ein, eignen sich nicht alle dafür. Margitta Brebach erfüllte offenbar die Kriterien des interdisziplinären Spezialistenteams, das letztlich die Entscheidung traf. "Mein Tumor hatte nicht gestreut, er war an einem Stück", sagt sie.

"Du schaffst das"

Auch nach der erfolgreichen Behandlung muss die 63-Jährige mehrmals nach Regensburg kommen und sich zur Sicherheit im CT-Gerät untersuchen lassen. "Man weiß ja nicht, ob der Tumor noch mal wiederkommt", sagt sie. Weder die Patientin noch ihr Arzt wissen zudem, ob Margitta Brebach nun das Mittel zur Chemotherapie bekommen hat oder nicht. Ein Teil der Patienten, die an der Optima-Studie teilnehmen, bekommt es eben, ein Teil nicht - denn nur so lässt sich feststellen, ob es tatsächlich wirkt.

Margitta Brebachs Tumor jedenfalls ist weg. "Mir geht es gut", sagt sie. Aber eine Krankheit muss sie nach wie vor im Auge behalten - die Leberzirrhose. Die Ärzte zu Hause teilten ihr mit, damit könne man alt werden, "wenn man nicht täglich ein fettes Eisbein esse und dazu eine Flasche Schnapps trinke". Für die 63-Jährige ist das keine wirkliche Herausforderung: Fettes Essen mag sie nicht, gleiches gilt für den Alkohol. Und außerdem, ihr Mann sagte ihr von Anfang an: "Du schaffst das."

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