Marktredwitz:Bayerns dienstälteste Oberbürgermeisterin tritt ab

Birgit Seelbinder aus Marktredwitz: Bayerns erste und dienstälteste Oberbürgermeisterin tritt ab.

Birgit Seelbinder: Bayerns erste und dienstälteste Oberbürgermeisterin tritt ab.

(Foto: dpa)

1990 eroberte die Juristin Birgit Seelbinder überraschend das Rathaus von Marktredwitz. Die Partnerschaft mit Tschechien wurde der dienstältesten Oberbürgermeisterin Bayerns zur Herzensangelegenheit. Nun kann sie wegen der Altersgrenze nicht wieder zur Wahl antreten.

Ihre Wahl war eine große Überraschung in turbulenten Zeiten: 1990, kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, wurde Birgit Seelbinder zur Oberbürgermeisterin von Marktredwitz (Landkreis Wunsiedel) gewählt. Nur wenige Kilometer weiter, an der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei, veränderte damals Europa sein Gesicht.

Seelbinder war vor fast zweieinhalb Jahrzehnten die erste Oberbürgermeisterin Bayerns. Inzwischen ist sie die dienstälteste - darf aber wegen der Altersgrenze im März bei der Kommunalwahl nicht mehr antreten.

Man spürt es: Der Juristin fällt es schwer, das Rathaus verlassen zu müssen. "Ich bin eine leidenschaftliche Oberbürgermeisterin", sagt sie. Auch wenn man in so ein Amt viel "Kraft, Zeit und Energie" investieren müsse. Aber das hatte sie 1989 nicht abgeschreckt, als die parteilose Kandidatin für die SPD in den Marktredwitzer Wahlkampf zog. Seelbinder hatte damals in Bayreuth in der Regierung von Oberfranken gearbeitet, kannte aber die Stadt, da sie auch schon im Landratsamt des Kreises Wunsiedel tätig gewesen war.

Mit Diskussionsveranstaltungen und Hausbesuchen bei vielen Bürgern machte sich Seelbinder in Marktredwitz bekannt - und setzte sich prompt und überraschend gegen Amtsinhaber Hans-Achaz von Lindenfels durch. Seither habe sie stets große Sympathie bei der Bevölkerung gespürt, sagt die 66-Jährige. Bei der letzten Wahl schaffte sie einen Stimmenanteil von rund 72 Prozent.

Die Grenzöffnung nach Osten hatte Seelbinder 1990 sogleich als Glücksfall begriffen. Sie hatte über grenzüberschreitende Zusammenarbeit an der deutschen Westgrenze promoviert. "Das war die Chance, mein Wissen nun anzuwenden", sagt sie. Seelbinder baute Kontakte nach Tschechien auf, wurde Präsidentin der Vereinigung Euregio Egrensis und stieß viele Projekte zur Zusammenarbeit von Ost und West an. "Das war Pionierarbeit und macht immer noch großen Spaß."

2006 organisierte Marktredwitz gemeinsam mit der tschechischen Nachbarstadt Cheb (Eger) eine Landesgartenschau. Inzwischen kommen viele Tschechen nach Marktredwitz zum Einkaufen, in einigen Geschäften arbeiten auch tschechische Verkäufer. Oberfränkische und tschechische Rettungskräfte üben regelmäßig miteinander. Radwege im Grenzgebiet sollen den Tourismus ankurbeln.

Die Oberbürgermeisterin wollte Vorurteile oder Animositäten gar nicht erst aufkommen lassen. Beispiel: Strukturwandel in der Industrie und der Verlust von Arbeitsplätzen. Der Einbruch in der Porzellan- und Textilindustrie habe schon weit vor der Grenzöffnung begonnen. "Die Probleme kamen nicht erst mit der Wende", betont sie. Es gebe also gar keinen Grund, die politischen Umwälzungen dafür verantwortlich zu machen. Die Arbeitsplätze seien schließlich nicht nach Tschechien abgewandert, sondern nach Fernost. Und wirtschaftlich stehe Marktredwitz inzwischen gut da.

Wie die meisten Städte im Nordosten Oberfrankens kämpft aber auch Marktredwitz gegen einen Rückgang der Bevölkerung. Seelbinder sagt, die Ansiedlung weiterführender Schulen sei ein wichtiges Instrument, um junge Menschen in der Region zu halten. Seit Jahren setzt sie sich bei der Staatsregierung dafür ein, dass Marktredwitz ein Hochschulstandort wird. Das Beispiel Deggendorf in Niederbayern zeige, wie eine Stadt von einer wissenschaftlichen Einrichtung profitiere, sagt die scheidende Rathauschefin.

Es habe Birgit Seelbinder nie an Ideen zur Weiterentwicklung der Stadt gefehlt, lobte jüngst Oberfrankens Regierungspräsident Wilhelm Wenning. Und ihr Stellvertreter Klaus Haussel bescheinigte ihr Durchsetzungsvermögen und großes Engagement. Haussel ist einer von zwei Kandidaten, die sich bei der Kommunalwahl am 16. März um ihre Nachfolge bewerben. Die SPD hat ihn nominiert, er tritt gegen CSU-Mann Oliver Weigel an.

Und Birgit Seelbinder? Die hofft, nun mehr Zeit fürs Privatleben zu haben. Als OB habe ihr oft die Zeit gefehlt, alte Freundschaften zu pflegen, "die will ich jetzt auffrischen". Und dann seien da noch ihre Hobbys Klavierspielen, Chorgesang und Handarbeit: "Dazu bin ich ja die vergangenen Jahre kaum gekommen."

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