Made in Bayern:Zelle der Zukunft

Das fränkische Unternehmen Belectric OPV hat mit seinen organischen Photovoltaik-Modulen den Expo-Pavillon Deutschlands ausgerüstet. Produziert wird in Kitzingen, getüftelt in Nürnberg

Von Tim Sauer, Nürnberg

Das Licht schimmert durch die Membrane, die den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand überdachen. Auf der Terrasse sprießen weiße, neuartige Gebilde aus dem Boden und bieten dem Besucher ein wenig Schatten. Schaut man gen Himmel, erkennt man verschieden große Sechsecke, künstlerisch zu Formationen angeordnet. Die Objekte sollen Bäume darstellen - und sie sind mehr als bloße Spielerei; sie erzeugen Strom. Die Sechsecke, welche die Blätter der Baumwipfel bilden, sind in Wahrheit organische Solarzellen: flexibel und halbtransparent.

Inzwischen sind diese Bäume aus Mailand verschwunden und die Expo ist beendet. Für das Nürnberger Unternehmen Belectric OPV hat sie sich gelohnt. Die Firma stellt die innovativen Solarzellen her und Geschäftsführer Ralph Pätzold kann sich über einige Folgeaufträge freuen. Denn viele haben den Vorteil der modernen Technologie erkannt: Bisher waren Architekten bei der Gebäudegestaltung durch den Wunsch nach einer Photovoltaik-Anlage eher eingeschränkt - sie mussten sich anpassen. Dank der Beschaffenheit der organischen Solarzellen kann Belectric OPV nun jedoch in vielerlei Hinsicht auf die Wünsche der Architekten eingehen; man arbeite Hand in Hand, erklärt Pätzold.

Wie das Ergebnis aussehen kann, zeigt auch ein anderes prominentes Projekt, bei dem die Nürnberger mitgewirkt haben. In Addis Abeba, der äthiopischen Hauptstadt, ist kürzlich das neue "Peace and Security Building" der Afrikanischen Union entstanden. Die Solarmodule von Belectric OPV zaubern die Form des afrikanischen Kontinents auf das zentrale Sonnensegel und tragen ganz nebenbei zur Energieeffizienz bei.

Die besondere Gestaltung wird möglich gemacht durch das spezielle Produktionsverfahren. Auf handelsübliche PET-Folie werden mithilfe großer Rollendruckanlagen Schicht für Schicht Lösungen aufgebracht. Eine Schicht wandelt die Energie einfallenden Sonnenlichts in elektrische Ladungen um, die anderen sorgen für die Trennung der Ladungen und erzeugen so Strom. Anschließend wird ein Silbergitter ergänzt, das die schnelle und gezielte Weiterleitung des erzeugten Stroms gewährleistet. Auf diese Weise entstehen organische Zellen, die im Gegensatz zu herkömmlichen Silizium-Zellen durch ihre einfache Handhabung und vielseitige Einsatzmöglichkeiten überzeugen.

Kritiker führen als größten Nachteil der Technologie die geringere Effizienz im Vergleich zu herkömmlichen Silizium-Anlagen an. Pätzold relativiert: "Wenn man mich heute fragen würde, ob man organische Solarmodule in einem großen Freiflächenkraftwerk verbauen sollte, würde ich nein sagen." Bei der Integration von Photovoltaik in Gebäuden handele es sich aber um ein gänzlich anderes Feld. Hier werden durch die Verwendung der modernen Technologie Flächen nutzbar, die es sonst nicht wären: "Wir optimieren dort, wo die klassische Technologie gar nicht hin kann."

Das Verfahren ist allerdings nicht neu: Seit den Achtzigerjahren wird an organischen Solarzellen gearbeitet. Dass Belectric OPV nun so erfolgreich und öffentlichkeitswirksam in Erscheinung tritt, führt Ralph Pätzold auf eine besondere Strategie zurück. Es gehe nicht darum, in direkte Konkurrenz zu den Herstellern herkömmlicher Photovoltaik-Anlagen zu treten und sie preislich zu schlagen. Dieser Ansatz wurde der amerikanischen Firma Konarka zum Verhängnis. Sie stellte organische Solarmodule her, musste aber 2012 Insolvenz anmelden.

Das deutsche Unternehmen Belectric, das schon seit dem Jahr 2001 in der Solarenergiebranche tätig ist, reagierte und sicherte sich die deutsche Niederlassung in Nürnberg: Die Firma Belectric OPV wurde gegründet. Mit Zugriff auf das Know-How und die Mitarbeiter konzentrierte sich das Unternehmen auf die Gestaltbarkeit, die das organische Material mit sich bringt. Gefertigt wird in Kitzingen, gegrübelt in Nürnberg: Beim Besuch des Büros hinter dem Hauptbahnhof begegnen einem mitunter Gestalten in weißen Ganzkörperanzügen. Sie sind auf dem Weg ins Labor - ständig bemüht, die Zellen noch weiter zu verbessern. Der Wille, Neues zu schaffen, liegt beinahe in der Luft.

Pätzold führt durch die Räume und zeigt auf seine fränkisch-nüchterne Art sein Reich. Er wird nicht müde, seine Philosophie zu erklären: Bisher gab es zuerst das Haus, dann kam die Solaranlage auf das Dach. Die organische Lösung soll schon während des Baus angebracht werden. Das sei ein geringer Mehraufwand - es können Kosten gespart werden. Denn wenn sich der Bauherr beispielsweise eine Glasfassade wünscht, können die organischen Solarzellen direkt integriert werden.

Das hat auch Vorteile in Sachen Umweltverträglichkeit, welche bei Genehmigungsverfahren von Neubauten eine wichtige Rolle spielt. Im Gegensatz zu den integrierten Lösungen lassen sich klassische Auf-Dach-Anlagen als jederzeit entfernbar im Zertifizierungsverfahren nicht positiv anrechnen.

Bei Belectric OPV schauen sie optimistisch in die Zukunft. "Namhafte Umsätze" macht das Unternehmen mittlerweile: "Momentan entwickelt sich die Auftragslage sehr positiv", so Geschäftsführer Pätzold. Deshalb plant er nun, die Fertigungskapazität auszuweiten.

Pätzolds Augen leuchten: Das Material bietet Anlass zur Euphorie, schließlich scheinen kaum Grenzen gesetzt zu sein. Er berichtet von Einsatzmöglichkeiten auf Alltagsgegenständen wie Handys, deren Entladung durch die Solarenergie deutlich verlangsamt werden kann. Im Showroom des Unternehmens kann man schon jetzt erste Entwürfe von Handtaschen mit integrierten Solarzellen begutachten. Auf diese Weise können Elektrogeräte im Tascheninneren geladen werden. Pätzold ist sich sicher: "In Zukunft wird jede Oberfläche Strom erzeugen können."

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