Machtkampf:München bleibt der Sehnsuchtsort der CSU

CSU-Vorstand

Wer einen Konkurrenten in Bayern loswerden will, der versucht, ihn nach Berlin zu schicken.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wer einen Konkurrenten in Bayern loswerden will, der schlägt ihn für ein Ministeramt im Bundeskabinett vor. Doch Seehofer, Söder, Aigner und Herrmann geben sich allesamt heimatverbunden.

Von Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Am Sonntag muss er sie wieder antreten, diese zähe, ungeliebte Fahrt: Die Dienstlimousine wird ihn daheim in Gerolfing abholen, in Ingolstadt-Nord oder Lenting geht es auf die Autobahn, weiter durch Franken und die neuen Bundesländer, erst nach gut 500 Kilometern hat er das Ziel seiner Alpträume erreicht: Berlin, Koalitionsgipfel mit Merkel und Gabriel.

Horst Seehofer reist nicht gerne mit dem Flugzeug, er sitzt lieber im Auto, auch wenn das etwas länger dauert. Der Zeitfaktor stört ihn allerdings am wenigsten daran, dass er ständig nach Berlin zu fahren hat. Es ist der Ankunftsort selbst, der den CSU-Chef abschreckt. Und damit steht er in seiner Partei keineswegs allein. Umso bemerkenswerter ist, wie die einflussreichsten CSU-Leute derzeit leidenschaftlich versuchen, sich gegenseitig in die Hauptstadt wegzuloben. Dumm nur, dass keiner der anderen so recht darauf anspringen will.

Seehofer, so wird geraunt und geschrieben, müsse nach der Bundestagswahl 2017 als konservatives Gegengewicht in ein Kabinett Merkel wechseln. Als Superminister für innere Sicherheit und Zuwanderung soll er für Ordnung sorgen, nur er könne der Kanzlerin Paroli bieten.

Darüber freuen würde sich wohl Finanzminister Markus Söder, der lieber heute als morgen als Ministerpräsident in die Staatskanzlei einzöge. Soll der Alte sich doch an Angela Merkel in Berlin abarbeiten. Rechnen sollte Söder aber lieber nicht damit, dass Seehofer ihm diesen Gefallen erweist.

Söder schließt Wechsel nach Berlin aus

Der CSU-Chef hat immer betont, dass er bis 2018 Ministerpräsident bleiben will. Dass er früher abtritt, ist schwer vorstellbar - lieber hängt er stattdessen noch ein paar Jahre als Regierungschef dran. Sollte Seehofer vorzeitig nach Berlin gehen, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis der Ministerpräsident in München versuchte, ihm den Parteivorsitz zu entreißen. Außerdem gibt es nichts, was ihm den Wechsel nach Berlin versüßen würde, schon gar nicht die Aussicht auf ein Ministeramt unter Merkel.

Die Richtlinienkompetenz obliegt stets der Kanzlerin, auch als CSU-Vorsitzender wäre Seehofer in einer Koalition nur die Nummer drei in der Berliner Hierarchie. Dann schon lieber mit der Unabhängigkeit des CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten in der Hauptstadt aufkreuzen und Rabatz machen. Unabhängig davon hasst Seehofer Debatten über eine mögliche Verteilung von Posten in einer möglichen Regierung, wenn noch nicht einmal feststeht, wer die Wahlen gewinnt.

In Seehofers Lager hält man von einer Luftveränderung also ungefähr so viel wie von einer sofortigen Machtübergabe an Söder. Umgekehrt gibt es Menschen, die sich den Finanzminister gut in Berlin und damit weit weg von Seehofers Windschatten vorstellen könnten. Seehofer spielt immer wieder mit dem Gedanken, für einen starken Listenführer bei der Bundestagswahl sogar den Parteivorsitz zu räumen. Für jeden, der zugreifen wollte, ist das ein vergiftetes Angebot - nicht zuletzt weil der Parteitag wohl erst nach der für die CSU riskanten Bundestagswahl angesetzt wird.

Söder wittert diese Gefahr, so lässt er im Moment keine Gelegenheit aus, seine Verbundenheit mit Bayern zu betonen. Wenn er zu Verhandlungen zur Erbschaftssteuer fliegt, verkündet er bereits bei seiner Ankunft am Flughafen, dass er eigentlich lieber daheim im Freistaat wäre. Einen Wechsel nach Berlin "schließe ich für mich komplett aus", sagt Söder. Er spricht dann gern von seinen Kindern, die er zumindest ab und zu sehen wolle. Auch die Berliner seien froh, wenn er in Bayern bliebe, glaubt Söder: "Das ist mein Toleranzangebot."

Auch Aigner wird immer wieder für einen Posten in Berlin genannt

So mancher in der CSU freilich würde den Finanzminister mit seinem brachialen Politikstil gerne in Berlin sehen, und vielleicht auch gerne scheitern sehen. Söder gibt offen zu, dass es zwischen der Politik im Land und im Bund durchaus Unterschiede gibt: Ihm mache es mehr Spaß, in Bayern zu entscheiden, als in Berlin an Zugeständnissen zu feilen. Oder wie er sagt: "Diese endlose Pfriemelei in Berlin mit Gesetzen, die am Schluss als Kompromiss getroffen werden und meistens praktisch gar nicht umsetzbar sind."

Eine, die solche Erfahrungen bereits gesammelt hat, ist Ilse Aigner. Auch die Wirtschaftsministerin, die zur Landtagswahl 2013 aus Berlin zurückkehrte, wird immer wieder für einen Posten in der Hauptstadt genannt. Doch auch sie denkt nicht daran, eine erneute Rolle rückwärts zu vollziehen. Zwar hat Aigner gezeigt, dass ihr der sachlichere Stil in Berlin besser liegt als die mitunter arg testosterongeschwängerte Politik in München. Aber sie hat den Kampf inzwischen angenommen und ist nicht bereit, ihn schon wieder aufzugeben. Zumal dem Wähler in Oberbayern schwer vermittelbar wäre, wenn die CSU-Bezirkschefin jede Wahl auf einer anderen Liste antritt.

Joachim Herrmann wäre bestimmt eine Figur, mit der sich die CSU auf Bundesebene nicht schämen müsste. Als bayerischer Innenminister überzeugte er nach den Anschlägen in Würzburg, München und Ansbach durch seine Ruhe und Geradlinigkeit. Herrmann wäre auch der CDU als Bundesinnenminister vermittelbar - und für die CSU wäre es eine Chance, wieder ein wichtiges Ministerium zu besetzen.

Es ist nicht das erste Mal, dass er für dieses Amt gehandelt wird. Doch in internen Runden winkt Herrmann bereits ab: Er fühle sich mit seiner Tätigkeit sehr wohl. Gleiches gilt für CSU-Vize Manfred Weber, dem ebenfalls die Statur als Bundesminister nachgesagt wird. Als einer von wenigen in der CSU hat Weber sogar direkten Zugang zu Merkel, seinen Job als einflussreicher Vorsitzender der größten Fraktion im Europaparlament wird er dennoch nicht aufgeben.

Ein abschreckendes Beispiel dürfte allen in Erinnerung geblieben sein. Edmund Stoiber, damals CSU-Chef und Ministerpräsident, wollte 2005 als Superminister ins Kabinett Merkel wechseln, zog aber noch zurück. Es war sein Anfang vom politischen Ende. So wird München bis auf Weiteres der Sehnsuchtsort der CSU bleiben.

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