Luft- und Raumfahrt-Industrie:Machtkampf um Ariane

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Wenn die Ariane-5-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abhebt, fliegt stets Technik und Know-how aus Augsburg mit.

(Foto: AFP)

Noch tanzen in Augsburg die Roboter in der Luft. Doch dem Zentrum für Luft- und Raumfahrt-Industrie droht ein kräftiger Rückschlag. Es geht um Milliarden.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Der orangefarbene Roboter surrt über die Köpfe der Wissenschaftler und Besucher hinweg durch die Halle des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der mannsgroße Greifarm zuckt und zeigt seine unzähligen grünen Saugnäpfe, mit denen er eines Tages Treibstofftanks für die Ariane-Raketen aus Kohlefaser-Streifen zusammenbauen soll.

Hans Steininger vom Augsburger Hightech-Unternehmen MT Aerospace AG zaubert der aparte Tanz der Maschinen in drei Metern Höhe ein stolzes Strahlen ins Gesicht. "Wenn wir diesen Auftrag bekommen, dann pilgert die Elite der europäischen Raumfahrt-Ingenieure in den nächsten 30 Jahren nach Augsburg", sagt der Vorstandsvorsitzende. Und wenn nicht? "Dann kann ich in fünf Jahren hier das Licht ausmachen."

Ariane soll jünger werden

Es wäre der GAU für die 500 meist hochqualifizierten Mitarbeiter von MT Aerospace und auch für die Region, die sich seit einigen Jahren als "Aerospace Area Augsburg" einen Namen machen will. Deshalb lassen MT Aerospace und DLR in ihrer Forschungs-Halle des Innovationsparks Augsburg ihre Roboter tanzen. Es ist ein Tanz um eine betagte Dame, die nach der Fruchtbarkeitsgöttin aus der griechischen Mythologie benannt ist. Ariane. Ihre besten Zeiten hat sie zwar schon hinter sich, aber gerade deshalb verdreht sie vielen Unternehmern den Kopf: Weil sie dringend eine Verjüngungskur braucht, balzen die Manager vor allem im vorpolitischen Raum um die nächsten lukrativen Milliarden-Aufträge.

"Wir kämpfen dafür, künftig die gleichen Arbeitsanteile zu haben", sagt Hans Steininger. Seine Firma stellt derzeit zehn Prozent des Raketen-Modells Ariane 5 her, dieser Auftrag macht 80 Prozent des Gesamt-Umsatzes von MT Aerospace aus. Hauptprodukt sind die Ariane-Treibstofftanks. Diese sogenannten Booster bestehen noch aus Metall, in der kommenden Generation sollen sie aus Kohlefaserverbundstoffen (CFK) bestehen. An dieser Zukunfts-Technologie forschen die Ingenieure in der DLR-Halle.

Italienischer Hersteller will CFK-Booster bauen

Das Problem hierbei: Die französischen Ariane-Zulieferer Airbus Defence and Space und Safran haben ein mächtiges Joint Venture gegründet und forcieren die Neu-Entwicklung einer Ariane 6. Die deutschen Unternehmen wollen dagegen zunächst nur das aktuelle Modell zu einer "Ariane 5 ME" weiterentwickeln. Zudem will auch ein italienischer Hersteller die CFK-Booster bauen. Insider befürchten, dass dieser mit den Franzosen eine Allianz geschlossen haben, um MT Aerospace aus dem Markt zu drängen.

"Bezüglich unserer Technologie bin ich sehr optimistisch", sagt Heinz Voggenreiter, der Leiter des Augsburger DLR-Instituts für Bauweisen- und Konstruktionsforschung. "Wir haben schon jetzt das Know-how, um die Produktionskosten substanziell zu reduzieren." Ob das reicht, um auch in Zukunft im Ariane-Programm mitmischen zu dürfen, ist allerdings offen. Es ist ein Machtkampf um Milliarden - gewinnen wird ihn nicht der wirtschaftlich Leistungsfähigste, sondern der politisch Durchsetzungsstärkste.

Große Erwartungen an Zypries

"Die Zukunft der Ariane treibt uns massiv um", sagt auch Rolf Henke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR). Die DGLR veranstaltete ihren jährlichen Kongress vergangene Woche erstmals in Augsburg. Es ist das wichtigste Treffen der deutschen Szene.

Zu Gast war auch Brigitte Zypries, die Luft- und Raumfahrt-Koordinatorin der Bundesregierung. Die Forscher und Manager nutzten die Gelegenheit, um ihr klarzumachen, was sie von ihr erwarten. "Sie muss die Hand heben und sagen, wir Deutschen wollen diese Booster weiterhin bauen", fordert Heinz Voggenreiter von der DLR. "Es geht für Deutschland darum, den unabhängigen Zugang ins All zu erhalten", sagt Hans Steininger von MT Aerospace.

Am 2. Dezember soll die Ministerrats-Konferenz der europäischen Raumfahrtagentur ESA entscheiden, wie die Ariane künftig aussehen wird und welche Länder respektive Firmen mitbauen dürfen. Bei ihrer Rede auf dem DGLR-Kongress deutete Zypries an, dass sie die Botschaften verstanden hat. "Wir präferieren die Ariane 5 ME", stellte sie klar. Wenn es nach den deutschen Wirtschaftsbossen und Wissenschaftlern ginge, würde Zypries am 2. Dezember mit folgender Aussage auftreten: Die Bundesrepublik beteiligt sich am künftigen Ariane-Programm nur, wenn die Booster auch in Zukunft bei MT Aerospace bestellt werden. Diese Zusage machte Zypries in Augsburg allerdings nicht.

MT Aerospace AG will hoch hinaus

So bleibt Steininger und Voggenreiter nur übrig, am 2. Dezember das Ergebnis der ESA-Konferenz abzuwarten. Auch im Augsburger Rathaus und im Münchner Wirtschaftsministerium wird der Machtkampf mit Spannung beobachtet. Denn derzeit wird in Augsburg mit viel Steuergeldern der sogenannte Innovationspark aus dem Boden gestampft. Ziel ist es, dass dort im Idealfall Europas wichtigstes Kompetenzzentrum für die CFK-Welt entsteht.

Es gibt auch schon Erfolgserlebnisse: Das neue DLR-Institut platzt bereits aus allen Nähten, die Fraunhofer-Forschungsgruppe soll in fünf Jahren zum vollwertigen Institut aufgewertet werden. Auch der DGLR-Kongress schärfte das Profil der Aerospace Area Augsburg. Aber trotz allem: Eine Niederlage im Kampf um Ariane wäre ein deftiger Rückschlag. Die investierten Forschungs-Millionen würden verpuffen und MT Aerospace-Chef Steininger würde sein stolzes Strahlen einfrieren. "Wenn wir den Auftrag verlieren", sagt er, "dann wird unser Know-how nach Italien und in andere Länder abwandern."

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