Ludwig II. und Edgar Allan Poe:Der Kini und sein Geistesbruder

Vieles deutet darauf hin, dass der große Erzähler Edgar Allan Poe die Geisteswelt Ludwigs II. mitgeprägt hat.

Hans Kratzer

Wann wird der bedauernswerte König Ludwig II. (1845-1886) endlich seinen Frieden finden und in Ruhe der Vergessenheit anheimfallen?

Edgar Allan Poe könig ludwig bayern ddp

Autor Alfons Schweiggert mit seinem Buch 'Edgar Allan Poe und König Ludwig II. - Anatomie einer Geistesfreundschaft'

(Foto: Foto: ddp)

In schöner Regelmäßigkeit wird der bayerische Märchenkönig aus seinem Arkadien hervorgezerrt und öffentlich seziert, schon deshalb, weil sich der Mythos, der sich um diesen Menschen rankt, beispiellos vermarkten und ausschlachten lässt.

Nun erregt gerade ein neues Buch Aufsehen, das sich ausnahmsweise nicht mit seinem mysteriösen Tod, seiner Bausucht oder seiner Sexualität beschäftigt, sondern in eine Richtung weist, die echte Neugier weckt. Der Münchner Autor Alfons Schweiggert hat es geschafft, Ludwigs Marotten und Eigentümlichkeiten in ein neues, überraschendes Licht zu tauchen.

Zum 200.Geburtstag des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe (1809-1849) legt Schweiggert die These vor, dass Poe, der Virtuose des Grauens, gravierenden Einfluss auf die Psyche und auf die Geisteswelt Ludwigs nahm.

Den Thron für ein Gespräch mit Poe

Damit hat Schweiggert die bräsig gewordene Ludwig-Forschung in der Tat aufgerüttelt. Die Phantasiewelt des Edgar Allan Poe mit jener Ludwigs II. in Verbindung zu setzen, das war bisher noch niemandem in den Sinn gekommen. Diese geistig-seelische Beziehung wurde bisher weder in der Literatur über Poe noch in der über Ludwig II. angedeutet.

Auch Ludwig selber hat zu diesem Thema so gut wie nichts beigetragen. Mit einer Ausnahme, und die hat Schweiggert stutzig gemacht. Im Februar 1882 soll der umstrittene Bayernkönig in einem Gespräch mit dem amerikanischen Journalisten Lew Vanderpoole gestanden haben: "Für mich ist Poe einer der größten Menschen, die je geboren wurden."

Doch nicht nur das. Wie Vanderpoole überliefert, soll Ludwig II. auch noch erklärt haben, dass "eine bestimmte Ähnlichkeit zwischen Poes Natur und der meinen besteht".

Demnach muss der Monarch den Schriftsteller Poe tatsächlich sehr verehrt haben. Nach Aussage von Vanderpoole sagte der König sogar, für ein einstündiges Gespräch mit Poe hätte er jederzeit seinen Thron gegeben.

Eine ähnlich schwärmerische Hingabe hatte Ludwig ansonsten nur dem Komponisten Richard Wagner zuteil werden lassen. Mit dem pflegte er freilich noch zu Lebzeiten einen innigen Kontakt, was ihm mit Poe nicht gelang. Denn als der Dichter starb, war Ludwig gerade einmal vier Jahre alt.

Schweiggert ist nach der Lektüre von Poes Gesamtwerk fest überzeugt, dass Ludwig und Poe in vielerlei Hinsicht auf einer Linie lagen. "Ich kam beim Lesen aus dem Staunen nicht mehr heraus", sagt er.

Er stieß bei Poe auf Äußerungen, "die genauso gut Zitate von König Ludwig sein könnten". Die Ähnlichkeiten betreffen sowohl ihren Kunstsinn und ihre geistigen Interessen als auch die Ausformungen ihres Charakters. Nicht zuletzt fühlten sich beide verkannt, neigten zur Melancholie und zum Leiden an der Welt.

Selbst die Todesursache ist in beiden Fällen bis heute nicht restlos geklärt. Verblüffend auch ihre Lebensspanne: Poe wurde 40 Jahre und neun Monate alt, Ludwig 40 Jahre und zehn Monate.

Schweiggert sieht auch Zusammenhänge zwischen Ludwigs Bauten und Poes Erzählungen, wo eine phantastische Architektur beschrieben sei, die an Ludwigs Schlösser erinnere.

"Poes Bücher haben stark auf Ludwig abgefärbt", ist Schweiggert überzeugt. Ludwigs heutige Anhänger teilen diese Begeisterung nicht. Schweiggerts Buch ärgert sie genauso wie die kürzliche Veröffentlichung des Psychiaters Heinz Häfner, der Ludwigs homoerotische Disposition offenlegte.

Dass der Kini jetzt mit einem Säufer und Krimiautoren in Bezug gebracht werde, wollen sie nicht akzeptieren, teilen sie in Internet-Foren mit. Schweiggert entgegnet ihnen, Ludwig sei der Entdecker Poes in Deutschland, wo dessen Bücher erst 1904 bekannt wurden - da war Ludwig schon lange tot.

Alfons Schweiggert, Edgar Allan Poe und König Ludwig II., Anatomie einer Geistesverwandtschaft, EOS-Verlag, 176 Seiten, 17,80 Euro

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: