Lockerung des Rauchverbots:Qualmen erlaubt

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"Keinen Mumm in der Hose": Der Landtag lockert das Rauchverbot - doch drei Abgeordnete der Koalition stimmen gegen das Gesetz. Die Opposition kritisiert die neuen Regeln heftig.

K. Auer

Drei sind es. Drei Hände heben sich auf der Seite des Plenarsaals im Bayerischen Landtag, wo die 92 Abgeordneten der CSU und die 16 Liberalen sitzen. Drei Abgeordnete der Regierungskoalition stimmen gegen die Lockerung des einst strengsten deutschen Rauchverbots. Thomas Zimmermann und Hermann Imhof von der CSU und Otto Bertermann von der FDP. Außerdem enthalten sich die CSU-Abgeordneten Max Strehle, Robert Kiesel und Peter Winter.

Aller Protest der Opposition hat nichts geholfen, am Mittwoch beschloss der Landtag die Lockerung des Rauchverbots. Die Grünen taten ihren Unwillen darüber plastisch kund. Eine überdimensionale Zigarettenschachtel nahe dem Maximilianeum in München warnt vor der bayerischen Staatsregierung: "Schwarz-Gelb gefährdet Ihre Gesundheit." (Foto: Foto: dpa)

Es ist mit Spannung erwartet worden, mit welcher Mehrheit das neue Gesundheitsschutzgesetz verabschiedet werden würde. Weil in den vergangenen Wochen immer wieder Kritik an der Lockerung laut geworden war, nicht zuletzt seit die ÖDP ein Volksbegehren dagegen initiiert hat, bangte mancher schon um die Mehrheit. Die Regierungskoalition befürchtete, dass ihr Gesetz am Ende mit den Stimmen der Freien Wähler verabschiedet werden müsste - was ausgesprochen peinlich wäre. Also wurde die Fraktionsdisziplin beschworen.

Wer dem Koalitionsvertrag zwischen CSU und FDP zugestimmt habe, in dem die Lockerung festgeschrieben ist, der müsse jetzt ebenfalls mitgehen, so die Argumentation. In Einzelgesprächen wurde versucht, eine möglichst große Geschlossenheit herzustellen. Noch am Morgen hatte Ministerpräsident Horst Seehofer den Schwaben Eberhard Rotter zum Gespräch gebeten, der ebenfalls als Kritiker des neuen Gesetzes galt. Er stimmt später zu. 100 zu 73 geht es aus. Drei enthalten sich, elf Abgeordnete fehlen bei der Abstimmung.

"Keinen Mumm in der Hose"

Die Opposition nutzt die Debatte zur heftigen Kritik. Die SPD-Gesundheitsexpertin Kathrin Sonnenholzner nennt den Gesetzentwurf eine Bankrotterklärung der Gesundheitspolitik.

Sie wirft der Staatsregierung vor, den Gesundheitsschutz "auf dem Altar der Koalitionsvereinbarung und falsch verstandener Liberalität" zu opfern. Die Ärztin kündigt auch gleich an, fortan das Volksbegehren der ÖDP zu unterstützen. Grünen-Chefin Theresa Schopper stellt fest, dass die CSU-Abgeordneten "keinerlei Mumm in der Hose" hätten. Immerhin hatte die CSU-Fraktion im Oktober 2007 mit sehr großer Mehrheit ein Rauchverbot ohne Ausnahme beschlossen und war damit damals sogar weiter gegangen, als die Staatsregierung ursprünglich vorgeschlagen hatte.

CSU-Fraktionschef Georg Schmid war damals der Initiator, entsprechend zurückhaltend ist er seitdem zu Fragen des Rauchverbots. "Von Ihnen erwarte ich, dass Sie nicht zustimmen", sagt Sonnenholzner. Schmid tut es doch. Schopper nennt das neue Gesetz ein "Opus von Möchtegern-Populisten" und kritisiert, dass der Schutz der Angestellten in den Gaststätten nicht beachtet werde. Ganz geschlossen sind die Grünen allerdings ebenfalls nicht. Bei der Abstimmung über ihren eigenen Gesetzentwurf, der einen strikten Nichtraucherschutz vorsieht, enthalten sich Claudia Stamm, Sepp Dürr und Thomas Mütze.

Auf jegliche Fraktionsdisziplin verzichten wieder einmal die Freien Wähler. Zwar legen auch sie einen eigenen Gesetzentwurf vor, der eine weitgehende Lockerung vorsieht, aber nur ein Teil der Fraktion stimmt dem auch zu - obwohl die Freien Wähler im Wahlkampf die Lockerung gefordert hatten. Dennoch votieren manche mit den Grünen, wieder andere unterstützen den Vorschlag der Koalition. Redner Bernhard Pohl betont, dass die Freien Wähler eine andere Auffassung vom "mündigen Bürger" hätten als der Rest der Opposition: Immerhin müsse niemand in Gaststätten gehen.

Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) verteidigt ebenfalls die Aufweichung. Der "absolute strikte Nichtraucherschutz" habe nach wie vor Priorität. Allerdings werde das neue Gesetz der Lebenswirklichkeit in Bayern gerecht, da viele Wirte das Rauchverbot mit der Gründung eines Raucherklubs unterlaufen hätten. Die alte Regelung sei nicht praktikabel gewesen, sagt Söder. Besonders stolz sind die Liberalen an diesem Tag. "Mit diesem Gesetz löst die FDP ein Wahlversprechen ein", sagt Tobias Thalhammer. Es gehe nicht um "Raucher gegen Nichtraucher", sagt sein Fraktionskollege Andreas Fischer. Aber darum, "was der Staat regeln soll und was nicht".

Die neuen Regeln

Vom 1. August an darf wieder gequalmt werden. Wirte dürfen das Rauchen künftig in abgetrennten Nebenräumen erlauben, bisher waren keine Ausnahmen zugelassen. Die Wahl haben außerdem die Wirte von Kneipen, die kleiner sind als 75 Quadratmeter. Gestattet ist das Qualmen auch in Festzelten. Diese Regelung hatte die CSU bereits nach der verlorenen Kommunalwahl im März 2008 erlassen, allerdings bisher nicht gesetzlich festgeschrieben. Bedingung ist, dass die Zelte nicht länger als 21 Tage am Stück bewirtschaftet werden. Das neue Gesundheitsschutzgesetz bedeutet zudem das Ende der Raucherklubs, in denen bislang das Rauchverbot umgangen wurde. Die gesetzliche Lücke wird in der neuen Fassung gestrichen.

© SZ vom 16.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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