Bodensee:Warum der Zoll in Lindau kaum noch Steuersünder erwischt

Deutsch-schweizierische Grenze

Milliardensummen an Schwarzgeld wurden früher an der deutsch-schweizerischen Grenze von den Zollfahndern bei ihren Kontrollen entdeckt.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Im Drei-Länder-Eck am Bodensee sind die Zeiten vorbei, in denen Schwarzgeld in Milliardenhöhe entdeckt wurde. Das liegt auch an Uli Hoeneß.

Von Christian Rost

Wenn Geld stinken würde, wäre die Luft am Bodensee über Jahrzehnte hinweg miserabel gewesen. Nirgendwo sonst in Deutschland entdeckten Zollfahnder bei Reisenden so viel Bargeld wie im Raum Lindau, das heimlich über die Grenzen geschmuggelt wurde.

Allein im Jahr 2010 kamen die Beamten bei ihren Kontrollen in Zügen, auf Autobahnen und Fähren einem Auslandsvermögen von 1,85 Milliarden Euro auf die Spur, das die Eigentümer nicht versteuert hatten.

Als der deutsche Fiskus 2006 erstmals CDs mit den Daten von Steuerhinterziehern aufkaufte, begann der Schwarzgeldtransfer in und aus der Schweiz heraus sowie nach Liechtenstein und Österreich langsam zu erodieren. Doch weiterhin wurden die Zollkontrolleure fündig: 40 bis 80 Mal im Jahr, wie Hagen Kohlmann, Sprecher des fürs Drei-Länder-Eck zuständigen Hauptzollamts in Ulm, berichtet. Erst der Fall Uli Hoeneß setzte dem Schwarzgeld-Tourismus ein Ende.

Die Kontrolleure des Zolls sind nach wie vor unterwegs, von der österreichischen Grenze bis 30 Kilometer tief ins Hinterland erstreckt sich ihr Gebiet. Sie fahren im Eurocity München-Zürich mit, der "Schwarzgeldexpress" genannt wird, sind aber auch in Bummelzügen an Bord, in denen sich Steuersünder mit ihrer Barschaft vermeintlich sicherer fühlen. Selbst auf den Bodensee-Fähren und im Lindauer Hafen liegen die Fahnder regelmäßig auf der Lauer. Und selbstverständlich greifen sie ihre Klientel bei mobilen Kontrollen auf der Lindauer Autobahn ab.

Im "Schwarzgeldexpress" und in Bummelzügen sucht der Zoll nach Steuersündern

An einer Kontrollstelle an der A 96 winken die Beamten einen Mercedes heraus, am Steuer sitzt ein älterer Herr. Das Auto mit dem Stern ist für die Fahnder ein "Klassikerauto", aber es gibt natürlich auch günstigere Wagen, die sich zum Bargeldschmuggel im Luftfilter oder im Radkasten eignen. Die Zöllner haben da ihre Erfahrungswerte und ihr Näschen, auf das sie sich meist verlassen können.

Dem älteren Herrn halten sie ein Kärtchen hin, auf dem steht, dass er "Bargeld oder gleichgestellte Zahlungsmittel" im Wert von mehr als 10 000 Euro vorzeigen müsse. In 40 Sprachen hält der Zoll solche Kärtchen vor, um Missverständnisse zu vermeiden. Der Mann gibt an, nur wenige hundert Euro mit sich zu führen und auch keine Unterlagen über ausländisches Kapital oder Edelsteine und Edelmetalle dabei zu haben. In seinem Geldbeutel stecken tatsächlich nur ein paar Scheine, auch in der Handtasche seiner Frau, im Handschuhfach und im Kofferraum findet sich nichts Verdächtiges. Das Paar kann seine Fahrt fortsetzen.

Die Beamten achten bei den Kontrollen auf jedes Detail. Gibt ein Reisender an, nur einen Tagesausflug nach Lindau gemacht zu haben, und hält dabei eine Schweizer Zeitung in der Hand, macht ihn das schon verdächtig. Klemmt in seinem Geldbeutel die Visitenkarte eines Schweizer Bankberaters, so ist das ebenfalls ein Indiz, dass sich im Gepäck des Reisenden womöglich noch mehr findet. Nicht nur Bargeld, Diamanten und Gold sind interessant, sondern auch Kontoauszüge, Wertpapiere und nicht zuletzt Schließfachschlüssel. Bei einem Gesamtwert von mehr als 10 000 Euro droht dem Schmuggler eine empfindliche Strafe, obendrein erhält sein Finanzamt eine Mitteilung des Zolls.

Kreative Verstecke: Geldscheine im Lebkuchenhaus oder in der Unterhose

Beim Verstecken ihrer Wertsachen im Grenzverkehr zeigen sich Steuersünder seit jeher kreativ. Einer deponierte seine Geldscheine in einem Lebkuchenhaus, andere stopften sie sich in die Unterhose oder schnürten sich die Bündel unter der Kleidung auf die Brust. Dumm nur, dass beim Zoll auch Hunde zum Einsatz kommen, die Geld tatsächlich riechen können. Die schnüffelnden Experten entdecken jedes noch so gut getarnte Versteck.

"Vom alten Mütterchen bis zum Finanzrichter" sind unzählige Reisende mit Schwarzgeld aufgegriffen worden, sagt Kohlmann. Manche bettelten, man solle sie doch laufen lassen. "Ein ehemaliger Staatssekretär weinte sogar", weiß Kohlmann. Gar nicht gut kommt es bei den Zöllnern an, wenn ein Ertappter auf seine herausgehobene berufliche Position verweist und "mit Konsequenzen" zu drohen beginnt. Die muss er dann meist selber tragen.

Der Fall des wegen Steuerhinterziehung 2009 gerade noch zu einer Bewährungsstrafe verurteilten ehemaligen Post-Chefs Klaus Zumwinkel ließ die Steuersünder landauf landab aufhorchen. Der Ankauf von Steuer-CDs durch die Finanzbehörden zeigte erste konkrete Auswirkungen. Doch es brauchte erst den Fall Uli Hoeneß, der 2014 zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, damit die Steuerhinterzieher im großen Stil reinen Tisch machten.

2014 schnellte die Zahl der Selbstanzeigen bei den bayerischen Finanzämtern im Vergleich zum Vorjahr von 4000 auf 6000 sprunghaft nach oben. Und auch die Zollfahnder am Bodensee bekamen schlagartig mehr Arbeit, denn die Schweizer Banken hatten ihre Kunden zudem aufgefordert, ihre Vermögen steuerlich zu klären. Viele holten ihr Schwarzgeld rasch nach Hause und gerieten damit ins Visier der Zollfahnder.

Mittlerweile verzeichnet der Zoll nahezu überhaupt keine Aufgriffe mehr im Drei-Länder-Eck. Bei Besitzern kleinerer und mittlerer Vermögen habe ein "Reinigungsprozess" stattgefunden, sagt Kohlmann. "Und die großen Fische müssen mit ihrem Kapital nicht mehr über die Grenze. Die machen das heute digital."

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