Lindau:Anonymer Gönner mit einer Nase für Ästhetik und Drama

Lindau: "Tête à tête" heißt das edle, königliche, achtteilige Teeservice aus Meißen-Porzellan von 1897.

"Tête à tête" heißt das edle, königliche, achtteilige Teeservice aus Meißen-Porzellan von 1897.

(Foto: Auktionshaus Zeller)

Bei einer Auktion um ein königliches Teeservice stach ein Unbekannter die Stadt Lindau aus. Nun ließ er seinen Namen durchsickern.

Von Stefan Mayr, Lindau

Wenn Schönheitschirurg Werner Mang seine Arbeit verrichtet, dann fügt er seinen Kunden zunächst auch den einen oder anderen Schmerz zu. So eine Nasenoperation geht halt nicht ohne Schnitte und Schwellungen, doch in der Regel sind die Damen und Herren früher oder später mit dem Ergebnis ganz zufrieden.

Ganz ähnlich ist der vielleicht prominenteste und reichste Mann aus Lindau auch mit Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn und Museumsdirektorin Barbara Reil umgegangen. Am Donnerstag noch bereitete er beiden große Pein, doch am Dienstag machte er sie zu den glücklichsten Bediensteten der Stadt.

Prof. Dr. Dr. med. habil. Werner L. Mang ist offiziell der Gründer der Bodensee-Klinik und Erfinder der Mang-Nase, was ihm wiederum den inoffiziellen Titel "der Schönheitspapst" einbrachte. Jedenfalls hat er ein Näschen für Ästhetik und Drama - und diese brachte er in diesen bewegten Tagen auf der Insel Lindau mit Wucht ein.

Die Geschichte dreht sich um ein edles Teeservice aus dem Jahre 1897. Das "königliche Tête à tête", wie das achtteilige Set aus Meißner Porzellan heißt, würde zweifellos jede Festtafel schmücken, allerdings ist es viel zu kostbar, um es zu benützen. Jedes der acht Teile ist handbemalt, kobaltblau und "mit Goldstaffage", mit Motiven der Stadt Lindau sowie mit Blumen- und Insektendarstellungen. Es war das offizielle Hochzeitgeschenk der Stadt Lindau an Prinzessin Marie von Bayern. Auf dem Tablett steht in goldenen Buchstaben geschrieben: "Ihrer königlichen Hoheit Prinzessin Marie von Bayern zu Höchstderen Vermählungsfeste gewidmet von der treu ergebenen Stadt Lindau im Bodensee 1897."

Der König war oft zur Sommerfrische in Lindau

Wenige Tage vor der Vermählung mit Prinz Ferdinand von Bourbon-Sizilien, Herzog von Kalabrien, war Lindaus Bürgermeister Heinrich Schützinger höchstpersönlich und untertänigst nach München gereist, um das Präsent dem Brautpaare zu überreichen. Das Lindauer Tagblatt berichtete seinerzeit, die Prinzessinnen-Mutter Marie Therese von Österreich-Este sei zu Tränen gerührt gewesen. Sie hatte am 6. Juli 1872 ihre Tochter in Lindau zur Welt gebracht. In der Villa Amsee, in die der stolze Vater und spätere König Ludwig III. von Bayern regelmäßig zur Sommerfrische gekommen war.

"Ludwig III. ist zu einem Gutteil in Lindau aufgewachsen", sagt Museumsdirektorin Barbara Reil. "Lindau hat eine starke Bindung zu den Wittelsbachern." Sie seien bei der Bevölkerung sehr beliebt gewesen. Nicht zuletzt, weil sie den Hafen ausgebaut und die Stadt ans Eisenbahnnetz angebunden haben, aber auch weil sie sich bei ihren Aufenthalten volksnah gegeben hatten. "Und sie haben mit ihren Sommerfrischen quasi den Bodensee-Tourismus initiiert", betont Reil.

Genau deshalb habe dieses Teeservice auch ein "großes narratives Potenzial"; es könne von den Anfängen des Ausflugsverkehrs erzählen wie auch von dem engen Verhältnis der Lindauer zum Königshaus. Als dieses Teeservice nun am Donnerstag im Lindauer Auktionshaus Michael Zeller versteigert wurde, war sich Barbara Reil sehr sicher: keine Frage, dieses Service gehört ins Stadtmuseum!

Mäzene zeigten sich großzügig

Gemeinsam mit Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn bettelte sie von drei Mäzenen viel Geld zusammen, um das kostbare Los mit der Aufrufnummer 1266 zu erstehen. 28 000 Euro hatten sie eingesammelt, das war ihr Limit. In der Auktion überschritten sie dieses sogar kurzerhand um 2000 Euro. Doch es nutzte nichts. Der Zuschlag ging an einen anonymen Mitbewerber, der per Telefon 32 000 Euro geboten hatte. Der Hammer fiel, die Vertreter der Stadt machten lange Gesichter und die Lindauer Zeitung titelte am Tag danach: "Unbekannter ersteigert Lindauer Schatz."

Während Direktorin Reil noch die eine oder andere Träne verdrückte, sickerte allmählich durch, dass der große Unbekannte gar nicht so unbekannt ist. Jedenfalls lud Werner Mang am Dienstag die Presse und die Museumsdirektorin zur Präsentation seiner neuesten Errungenschaft ein.

Dabei teilte er mit, er werde das Teeservice der Stadt als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen. Sehr zur Freude von Barbara Reil, sie wird das Exponat von Mangs Gnaden alsbald in die Dauerausstellung integrieren. Mit freundlicher (und nur kurzzeitig schmerzhafter) Unterstützung vom Schönheitschirurgen.

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