Liftbetreiber fotografieren Skifahrer:Big Brother auf der Piste

Kaiserwetter in den bayerischen Alpen

Vorsicht Kamera: Vielen Sportlern ist nicht bewusst, dass sie beim Betreten des Skigebiets aufgenommen werden - auch wenn es Hinweisschilder gibt.

(Foto: dpa)

Vorsicht Kamera: Viele Liftbetreiber fotografieren jeden Skifahrer nach dem Ticketkauf. Damit wollen sie den Schwarzhandel mit Tageskarten verhindern. In einigen Skigebieten hat das Ergebnis der Kontrollen die Betreiber erschreckt.

Von Heiner Effern

Das digitale Auge der Liftbetreiber hängt deutlich sichtbar oben an einem Balken hinter den Drehkreuzen. Dennoch nimmt kaum ein Skifahrer die Kamera wahr, die Foto um Foto von allen schießt, die mit der Kabinenbahn aufs Brauneck hinauffahren wollen. Im Kontrollhäuschen der Talstation ploppen die Fotos am Bildschirm auf.

Von jedem, der mit seiner Chipkarte die Sperre passiert, sind es jeweils zwei: eines, das beim ersten Zutritt ins Skigebiet gemacht und dann mit den Ticketdaten verknüpft wurde, und ein aktuelles. Hat sich zum Beispiel eine junge Snowboarderin im trendigen Outfit im Lauf des Tages in einen älteren Herrn mit antikem Overall verwandelt, wissen die Bahner Bescheid: Da wurde eine Tageskarte unter der Hand am Parkplatz weiterverkauft. Aus dem günstigen Skispaß für den neuen Besitzer wird aber nichts, das Ticket wird eingezogen.

Seit dieser Saison kontrollieren die Bergbahnen am Brauneck, am Sudelfeld und auch am Spitzingsee in Stichproben, ob Skipässe übertragen werden. Das ist verboten, in den Geschäftsbedingungen der Bahnen steht das festgeschrieben. "Manche sind sich des Unrechts nicht bewusst", sagt Antonia Asenstorfer, Sprecherin der im Verbund Alpenplus organisierten Skigebiete.

Als die ersten Tickets eingezogen wurden, habe es einige Beschwerden gegeben. Doch nicht nur die Gäste waren überrascht. "Das Ergebnis der Kontrollen hat uns ein bisschen erschreckt", sagt Sprecherin Asenstorfer. "Wir haben gewusst, dass es Schwarzhandel gibt, aber dass er so massiv ist, hätten wir nicht gedacht."

"Das ist in allen großen Skigebieten gang und gäbe"

Genaue Zahlen über die unter der Hand verkauften Skipässe liegen den Betreibern nicht vor, doch zum Beispiel an der Talstation der Stümpflingbahn im Spitzinggebiet wurden in einer Stunde schon 14 Chipkarten aus dem Verkehr gezogen. Dass der mitunter rege Handel auf den Parkplätzen in den Focus der Skigebietsbetreiber geriet, sei aber nicht ihrer Lust an der Verfolgung zu verdanken, sagt Asenstorfer.

Vielmehr hätten sich die Gebiete für diese Saison ein komplett neues Karten- und Zutrittssystem gekauft. In dem etwa eine Million Euro teuren Paket sei die Foto-Überwachung als Standard enthalten. "Das ist in allen großen Skigebieten gang und gäbe."

"Das ist ja krass"

"Das ist ja krass", sagt eine Frau aus München, die einen ganzen Tag im Spitzinggebiet verbracht hat, ohne von den Kontrollen etwas zu bemerken. "Mir ist nirgends eine Kamera aufgefallen." Ihr Sohn, der öfters am Spitzingsee ist, hat die Schilder mit den Hinweisen auf die Überwachung, die an den Verkaufsstellen angebracht sind, schon gesehen.

Peter Huber, Vorsitzender des Verbands Deutscher Seilbahnen und Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn in Garmisch-Partenkirchen, sagt, dass nicht nur die Bergbahnen von den Kontrollen profitieren, sondern auch diejenigen Skifahrer, die ihr Ticket regulär kaufen. Denn der Schwarzhandel führe langfristig zu höheren Kartenpreisen. Auch sein Unternehmen werde in der kommenden Saison mit einem neuen Ticketsystem die Kontrollen aufnehmen. Ob die Kontrollen dem Datenschutz entsprächen, dazu solle man aber lieber Experten befragen.

Das bayerische Landesamt für Datenschutz hält sie für korrekt. Bei einem privaten Skigebietsbetreiber und einem Kunden gelte nämlich das Bundesgesetz für Datenschutz, das eine solche Kontrolle erlaube, wenn der Kunde ausreichend darauf hingewiesen worden sei, sagt Peter Meier vom Landesamt. An den Talstationen der Alpenplus-Gebiete hingen Hinweisschilder, sagt Sprecherin Asenstorfer. Außerdem könnten Kunden in den aushängenden Geschäftsbedingungen und auf dem Pistenplan die Informationen nachlesen.

Wäre der Liftbetreiber eine Kommune, dann sähe es aber wohl anders aus. Dann würde nämlich bayerisches Recht gelten, das hier viel strenger ist. Der Datenschutzbeauftragte der Staatsregierung, Thomas Petri, verweist auf SZ-Anfrage auf einen ähnlichen Fall aus dem Jahr 2010, in dem er massiv einschritt. Gäste einer Therme hatten sich beschwert, dass sie am Eingang des Bades fotografiert und ihre Bilder mit den Daten ihres Eintritts-Coins verknüpft worden seien. Der Betreiber des Bades begründete die Kontrollen mit dem wirtschaftlichen Schaden durch Missbrauch.

Der Datenschutzbeauftragte sah weder eine Rechtsgrundlage noch eine wirksame Einwilligung der Betroffenen, obwohl in der Haus- und Badeordnung - auch als Aushang an der Kasse - auf die Kontrollen hingewiesen worden sei. "Ich habe deshalb die Therme aufgefordert, das Anfertigen von Fotografien der Badegäste zu unterlassen und noch gespeicherte Fotografien unverzüglich zu löschen", erklärt Petri.

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