Sparkassen-Agentur in Lichtenberg:Geld gibt es nur in der Früh

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Nach der Post zieht sich auch die Sparkasse aus dem Land zurück. Gerade für ältere Menschen, die kein Online-Banking machen, ist das bitter.

(Foto: dpa)
  • Im fränkischen Lichtenberg hat die Sparkasse geschlossen, nun wird Bayerns erste Agentur bei einem Versicherungsvertreter betrieben.
  • Die Schließung von Filialen, in denen noch Banker den Kunden bedienen und beraten, ist im Freistaat seit Jahren an der Tagesordnung.
  • Die Sparkasse Hochfranken gab zu Jahresbeginn bekannt, dass 13 der 60 Geschäftsstellen zwischen Oberpfalz und Thüringen geschlossen werden - wegen zu geringer Frequenz rechnen sie sich nicht mehr.

Von Ralf Scharnitzky, Lichtenberg

Geld von der Bank gibt es im fränkischen Lichtenberg nur noch zwei Stunden am Tag, zwischen neun und elf Uhr. Und das auch nur am Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Dann zahlt die Mitarbeiterin von Uwe Funk Scheine bar aus - höchstens 200 Euro pro Kunde und Tag. Funk ist nicht etwa Bankkaufmann und Filialleiter, wie man vermuten könnte, sondern im Hauptberuf Versicherungsvertreter. Seit Kurzem betreibt der freundliche Mann mit dem Schnauzbart aber auch Bayerns erste Sparkassen-Agentur - in seinem etwas abseits vom Zentrum gelegenen Versicherungsbüro.

Zum 30. März hatte die Sparkasse Hochfranken ihre Filiale in der drittkleinsten Stadt Bayerns geschlossen, die Automaten gleich mit abgeschraubt und das Anwesen verkauft. Die Nachricht machte schnell die Runde. Kollegen von kommunalen Geldinstituten anderer Landkreise haben besorgt in der Zentrale in Selb nachgefragt: Das Beispiel könnte vor allem auf dem flachen Land Schule machen, fürchten sie und mit ihnen viele Privat- und Geschäftskunden.

Das Personal rechnet sich nicht mehr

Das Schließen von Filialen, in denen noch Banker den Kunden bedienen und beraten, ist im Freistaat seit Jahren an der Tagesordnung - hauptsächlich bei den Geschäftsbanken, aber immer häufiger auch bei den Sparkassen und Raiffeisen-Volksbanken. Der Grund: Immer mehr Kunden wickeln ihre Geldgeschäfte daheim am PC ab und machen Telefonbanking am Smartphone. Da rechnet sich das Personal angeblich nicht mehr. Verschärft wird das Ganze noch durch Niedrigzinsen, die die Gewinne der Geldhäuser einbrechen lassen. Da muss der weniger online-affine Kunde schon froh sein, wenn ihm wenigstens noch eine Servicestelle zur Selbstbedienung an seinem Wohnort bleibt. Denn auch die hohen Leitungskosten für Automaten sind vielen Bankvorständen ein Dorn im Auge.

In Lichtenberg (Landkreis Hof) hatten die etwas mehr als 1100 Einwohner im einzigen Geldinstitut am Ort bis vor Kurzem noch beides: zwei Bankmitarbeiter und Geldautomaten. Doch Anfang Januar gab die Sparkasse Hochfranken bekannt: 13 der 60 Geschäftsstellen zwischen Oberpfalz und Thüringen werden geschlossen, neun davon in der Region Hof-Wunsiedel. Der Sparkassenvorstand hatte bei einer Untersuchung festgestellt, dass sich die Filialen wegen zu geringer Frequenz nicht mehr rechnen. Auch Lichtenberg war dabei - und das, obwohl hier die Musikbegegnungsstätte "Haus Marteau" zu Hause ist, in der junge Musiker aus aller Welt an Meisterkursen teilnehmen und zu den Kunden der örtlichen Bank zählen. Wenn sie künftig am Wochenende Geld abheben wollen - Fehlanzeige.

Kein Personal, keine Automaten: In der verbliebenen Agentur sind nicht einmal Überweisungen, Umbuchungen oder der Druck von Kontoauszügen möglich. Doch nicht nur Privatkunden sind von dem Rückzug der Banken betroffen. "Eine Ausdünnung des Filialnetzes würde auch das Handwerk treffen", betont der Präsident des bayerischen Handwerkstags, Georg Schlagbauer. Denn Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Bayern sind zu mehr als 80 Prozent die Hausbanken des Handwerks. "Das kommt nicht von ungefähr. Man kennt sich, oftmals bestehen über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsbeziehungen," sagt Schlagbauer. Bei einem Rückzug fielen nicht nur die persönliche Bindung zwischen dem Handwerker und seinem Berater weg, auch die tägliche Bargeldversorgung für Betriebe mit Ladengeschäft werde schwieriger.

Konflikt zum gesetzlichen Auftrag

Wie passt all das zum Auftrag der Sparkassen, deren Träger Gemeinden, Städte und Landkreise sind? Laut Gesetz sind die Kassen verpflichtet, die Bevölkerung mit "kreditwirtschaftlichen Leistungen" zu versorgen: Kunden müssen die Möglichkeit haben, Ersparnisse sicher anzulegen und Geld leihen zu können. "Damit eine Sparkasse ihren öffentlichen Auftrag dauerhaft erfüllen kann, darf sie nicht völlig losgelöst von betriebswirtschaftlichen Tatsachen agieren", versucht Bayerns Sparkassenpräsident Ulrich Netzer die Entscheidung der Hochfranken zu erklären: "Kommt die Sparkasse zu dem Ergebnis, dass eine bestimmte Geschäftsstelle nicht mehr ausreichend frequentiert wird, muss sie auch geschlossen werden dürfen." Dem öffentlichen Auftrag, so Netzer, werde die Kasse ja immer noch durch das "sehr große Filialnetz" gerecht.

Die Lichtenberger jedenfalls müssen jetzt ins drei Kilometer entfernte Bad Steben fahren, um einen vernünftigen Service zu bekommen. Drei Kilometer - das kann vor allem für ältere Menschen ohne Auto eine Halbtagesreise sein. Deshalb sagt Bürgermeister Holger Knüppel (CSU/ULB): "So schnell gebe ich nicht auf." Anfang des Jahres hatte er mit mehreren hundert Bürgern vor dem Rathaus demonstriert und Unterschriften gesammelt - "ein Anschlag auf das Gemeinwohl" sei die Schließung. Knüppel glaubt auch nicht, dass zu wenig Kunden der Grund waren: "Das waren Pauschalschließungen." Im Ort hält sich zudem hartnäckig die Meinung, dass die Sparkasse die Filiale auch deshalb aufgab, um durch den Verkauf des Hauses ein gutes Geschäft zu machen.

Vielleicht erweist sich der Verkauf aber sogar als Rettungsanker für die Lichtenberger? Denn der neue Eigentümer des Anwesens heißt Uwe Funk, der Versicherungsunternehmer. Auf ihn setzt der Bürgermeister jetzt. "Die Leitungen für die Automaten sind ja noch vorhanden", freut sich Knüppel. Funk will nach der Renovierung mit seinem Büro ins ehemalige Bankgebäude ziehen - und dann die Geschäfte, die seine Hauptarbeit jetzt eher beeinträchtigen, am liebsten neu ordnen: "Ich gehe mal davon aus, dass die Sparkasse einen Raum anmieten und Automaten aufstellen wird", meint er zuversichtlich. In der Zentrale in Selb kann man sich das im Moment allerdings nicht vorstellen.

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