Leitfaden zur Dialektpflege:Bairisch ist auch nur Deutsch

Das oder dass? Wer Bairisch beherrscht, dem helfen die besten Eselsbrücken über die peinlichsten Fallen des Standarddeutschen. Zwei Dialektkardinäle aus der Oberpfalz legen nun einen klugen Leitfaden vor, der nicht nur Deutschlehrer inspirieren dürfte.

Rudolf Neumaier

Wer des Bairischen mächtig ist, der beherrscht besseres Deutsch. Das wäre doch mal eine These! Beim Münchner Fußballer Lahm und seinem Kölner Kollegen Podolski mag sie sich vielleicht noch bestätigen. Aber bei Seehofer und Gauck, bei Ramsauer und Steinbrück schaut es dann sprecherisch so aus, dass von der These allenfalls ein Theserl übrig bleibt, das aber ist unumstößlich: Wer Bairisch beherrscht, dem helfen die besten Eselsbrücken über die peinlichsten Fallen des Standarddeutschen.

Bairisch-Sprachtest auf dem Oktoberfest

Im Handbuch ist zusammengefasst, was sich in der Dialektpflege tut. Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte (FBSD) ist eine Initiative von vielen.

(Foto: dapd)

Für das und dass zum Beispiel: Wo der Baier "des wo" sagt, schreibt er das, und wo er "daas" mit langem hellem a ("I sog, daas i geh") spricht, schreibt er natürlich dass. Doch mit solchen praktischen Fragen halten sich Ludwig Schießl und Siegfried Bräuer nicht auf. Sie widmen sich der Dialektpflege in theoretischen Sphären.

Im Regensburger Verlag Edition Vulpes ist von Bräuer und Schießl, zwei Mundartforschern aus Oberviechtach, ein Buch mit dem Titel "Dialektpflege in Bayern" erschienen, das sich als "Handbuch zu Theorie und Praxis" versteht. Für eine Bibel, wie es ein Oberpfälzer Lokalblatt ankündigt, ist es zu akademisch angelegt.

Doch wenn der Regensburger Germanist und Honorarprofessor Ludwig Zehetner landauf, landab als Dialektpapst verehrt wird, dann darf man Schießl und Bräuer als Dialektkardinäle einstufen.

Was nicht heißen soll, dass sie verbohrt wären. Zum Bairischen haben sie eine wohltuend liberale Einstellung: Oft betonen sie, es sei nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine "gleichwertige und gleichberechtigte Sprachvarietät des Deutschen", die sich wie jede Sprache der Welt laufend verändert.

Statt Dogmen formulieren sie Definitionen. Zum Beispiel unterscheiden sie zwischen einerseits echter, nämlich bewusster, und andererseits unbewusster Dialektpflege sowie zwischen Pseudo-Dialektpflege, bei der mit der Mundart "zum Zwecke der ,Tümelei', der Pseudofolklore, des Klamauks" derbe Klischees bedient werden. Bräuer und Schießl bündeln viele ihrer Theorien, die sie mit zahlreichen Verweisen auf die Forschungsliteratur untermauern, in übersichtliche Schaubilder.

Diese vermitteln auf einen Blick, was mitunter ausufernd erläutert wird. Mehrmals ist zu lesen, worauf es den Autoren ankommt: auf den "Erhalt und die Aufwertung des Dialekts als eigenständige, gleichwertige und gleichberechtigte Sprachvarietät des Deutschen" und auf breites "Dialektbewusstsein und Dialektloyalität".

Klingt trocken? Ist es auch. Doch was ihre Akzeptanz angeht, erlebt die Mundart seit Jahren eine gute Phase - womöglich die beste seit einem halben Jahrtausend, als es anfing mit der Geringschätzung der Dialekte. Also kommt ein Vademekum zur Dialektpflege genau zum richtigen Zeitpunkt, und wer sich der aktiven Dialektpflege verschrieben hat, wird um die Lektüre nicht herumkommen, wenn er etwas über Zweck, Methoden und Ziele erfahren will.

Vor allem sollten es Kindergartenpädagogen und Deutschlehrer zur Hand nehmen: Sie können sich von vielen Projekten inspirieren lassen, die im praktischen Teil beschrieben werden. Das "Dialekteckerl online" der Realschule Vohenstrauß wird ebenso vorgestellt wie das Projekt "Bairisch als Integrationsfaktor" des Kindergartens von Denkendorf bei Eichstätt.

Nahezu zur gleichen Zeit wie das Handbuch zur Dialektpflege ist bei Vulpes ein Tagungsband zur Dialektforschung erschienen. Mehr als ein Dutzend Dialektwissenschaftler aus aller Welt trafen sich im März 2009 zum 70. Geburtstag von Ludwig Zehetner in einem Oberpfälzer Wirtshaus.

In ihren wissenschaftlichen und dennoch lesenswerten Beiträgen widmen sie sich Themen wie der Sprache Karl Valentins, der Modernisierung und sprachlichen Sozialisation in Dialekten und dem Vokabular der bayerischen Sexualfolklore. Ein besonders interessanter Artikel ist über die Partizipien im Bairischen zu lesen, in dem Konstruktionen wie "Es werd rengad" (Es beginnt zu regnen) und "Da weasd boid schwitzad" ("schweißtreibend") seziert werden.

Genau an dieser Stelle tut sich das Desiderat der bairischen Sprachgemeinde auf: Wer schreibt endlich eine neue bairische Grammatik?

Ludwig Schießl, Siegfried Bräuer: Dialektpflege in Bayern. Ein Handbuch zu Theorie und Praxis. 200 Seiten, 25 Euro. Ulrich Kanz, Nadine Kilgert-Bartonek, Ludwig Schießl: Die Heimat auf der Zunge tragen - Mundart als Sprachschatz. 245 Seiten, 22 Euro.

Wie gut kennen Sie sich mit der bayerischen Sprache aus? Testen Sie Ihr Wissen in unserem Schimpfwörterquiz!

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