Leistungserhöhung im AKW Gundremmingen:Bayerns neue Liebe zur Atomenergie

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Vor der Stilllegung in wenigen Jahren soll die Leistung in Deutschlands größtem Kernkraftwerk um jeweils 20 Megawatt gesteigert werden. 

(Foto: AFP)

Nach dem Atom-Unglück von Fukushima tönte Ministerpräsident Seehofer, dass Bayern bei der Energiewende voranmarschieren werde. Jetzt, zwei Jahre später, spricht sich das bayerische Umweltministerium für eine Leistungserhöhung im Atomkraftwerk Gundremmingen aus - obwohl die zwei Siedewasserreaktoren längst als veraltet gelten.

Von Stefan Mayr

Nach dem Atom-Unglück von Fukushima tönte Ministerpräsident Horst Seehofer, dass Bayern bei der Energiewende voranmarschieren werde. Jetzt, zwei Jahre und drei Monate später, sagen Naturschützer die Kernschmelze der Energiewende voraus. Grund hierfür sind die jüngsten Äußerungen Seehofers zum Thema Windenergie und das Verhalten des Freistaats in Sachen Atomkraft: Denn das Umweltministerium befürwortet eine Leistungssteigerung im Kernkraftwerk Gundremmingen.

Mehr als zehn Jahre lang warteten die Betreiber des Kraftwerks vergeblich darauf, eine Erhöhung der Stromproduktion genehmigt zu bekommen. Doch jetzt, da die zwei Siedewasserreaktoren längst als veraltet gelten und alle gleichartigen Anlagen in Deutschland bereits abgeschaltet sind, spricht sich das Ministerium für ein Hochfahren der 29 Jahre alten Blöcke aus.

Dies ruft den Protest von Umweltschützern, Atomkraftgegnern und Bürgern hervor: Sie befürchten, dass das Risiko eines schwerwiegenden Störfalles damit steigt. "Wir fordern Umweltminister Marcel Huber auf, den Antrag auf Leistungserhöhung abzulehnen und das Kraftwerk stillzulegen", sagt Thomas Frey vom Bund Naturschutz. Er kritisiert auch Ministerpräsident Seehofer, der sich zuletzt dafür ausgesprochen hatte, dass jedes neue Windrad zwei Kilometer von einer Siedlung entfernt sein müsse. "Das wäre das Ende des Windkraft-Ausbaus", sagt Frey. "Diese Wendung und dann noch der Ausbau der Atomkraft, das wären schon zwei deutliche Signale gegen die Energiewende."

"Es kann nicht sein, dass die Konzerne RWE und Eon das Risiko für die Bevölkerung nochmals erhöhen, um noch mehr Geld zu verdienen", betont Frey. Vergangene Woche überreichten Vertreter des sogenannten "Schwabenenergierates" im Landtag 6700 Unterschriften. Ihre Petition wird voraussichtlich am 11. Juli im Umweltausschuss behandelt. "Dann müssen die Parteien Farbe bekennen", sagt Frey, "entweder sie verfolgen die Energiewende weiter oder begraben sie."

Steigerung "um gut 20 Megawatt"

Das Kraftwerk plant nach Angaben des Technischen Geschäftsführers Michael Trobitz eine Steigerung der elektrischen Leistung "um gut 20 Megawatt" je Reaktorblock - ohne Änderungen an der Anlagentechnik vorzunehmen. Dieses Konzept vergleicht Naturschützer Frey mit dem "Frisieren eines Mopeds". "Die Leistung des Motors wird erhöht, aber Chassis und Bremsen bleiben gleich."

Gundremmingen ist das letzte Kraftwerk Deutschlands mit Siedewasserreaktoren. Experten bezeichnen diese als veraltet, auch in Fukushima standen Meiler dieses Typs. Im Zuge der Energiewende sollen die Gundremminger Reaktoren 2017 und 2021 abgeschaltet werden.

Warum diese Reaktoren in ihren letzten Lebensjahren noch einmal hochgefahren werden sollen? "Gerade in Zeiten der Energiewende zählt jedes Megawatt", sagt KKW-Manager Trobitz. "Eine Leistungserhöhung trägt zur Versorgungssicherheit bei." Diese Argumentation weist Thomas Frey vom BN strikt zurück: "Wir exportieren so viel Strom wie nie zuvor. Hier geht es nur um Geldmacherei."

Gewinn wird auf 90 Millionen Euro geschätzt

Bereits 2001 hatten die Kraftwerksbetreiber die Leistungserhöhung beantragt. Diese wurde nie genehmigt. "Jahrelang war das AKW nicht in der Lage, die von den Genehmigungsbehörden und der Reaktorsicherheitskommission verlangten Sicherheitsnachweise zu erbringen", betont Frey. Doch nun bestätigt das Bundesumweltamt (BMU): Das Bayerische Umweltministerium hat dem BMU im Juni 2012 einen "überarbeiteten Genehmigungsentwurf" übermittelt. Versehen mit der Bitte um "zügige Durchführung der bundesaufsichtlichen Prüfungen", wie das ARD-Magazin "Kontraste" jüngst berichtete.

Noch ist nichts entschieden, eine Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) steht noch aus. Allerdings glaubt Dieter Majer, der im BMU bis 2011 für die Sicherheit der Atomanlagen zuständig war, dass die Genehmigung nur eine Frage der Zeit ist: "Die Staatsregierung und die Bundesregierung sind politisch ähnlich ausgerichtet, ich vermute, dass die Genehmigung durchgehen wird."

Der mögliche zusätzliche Gewinn wird auf 90 Millionen Euro geschätzt. Wird den Konzernen vor der Wahl noch ein schwarz-gelbes Zuckerl hingeworfen? Der Ministerialdirigent a.D. hält das Vorgehen für unzulässig: "Man geht unnötige Risiken ein, die man nicht eingehen darf." Das Staatsministerium teilt dagegen mit: "Die Sicherheit ist oberstes Gebot."

Die Mitglieder des Schwabenenergierates hoffen nun, dass ihre Petition die Genehmigung noch bremsen kann: "Der Landtag muss dem Ministerium den Auftrag erteilen, die Leistungserhöhung abzulehnen", sagt Thomas Frey. Auch Gundremmingens Bürgermeister Wolfgang Mayer - eigentlich ein Freund der Atomkraft - bezweifelt den Sinn einer Leistungserhöhung: "Muss man jetzt das Verfahren nochmals auffrischen und sich den Frust der Bürger holen?", fragt er. "Ich hoffe, dass der Staat eine weise Entscheidung trifft."

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