Landtagswahl:Sepp Dürr startet von ganz hinten

Grünen-Politiker Sepp Dürr auf seinem Hof in Germering

Rauflustig ist der Biobauer Sepp Dürr auch nach fast 20 Jahren im Landtag noch.

(Foto: Leila Al-Serori)
  • Sepp Dürr, der frühere Fraktionschef der Grünen, startet von Listenplatz 42 in die Landtagswahl.
  • Auch in der Vergangenheit war der Politiker, der seit fast 20 Jahren im Landtag sitzt, schon öfter durchgereicht worden.
  • Doch der Biobauer aus Germering kapituliert nicht und will es wieder schaffen.

Von Wolfgang Wittl

Listenplatz zwölf, klar, das war ehrgeizig. Einerseits. Andererseits bewegte er sich damit sogar in seinen unteren Gefilden. Seit Sepp Dürr für die Grünen im Landtag sitzt, 20 Jahre werden es bald sein, war er ja nie schlechter als von Rang zwölf der oberbayerischen Bezirksliste aus in den Wahlkampf gestartet. Also, warum nicht auch diesmal?

Die Delegierten entschieden anders. Sie ließen Dürr nicht nur auf Platz zwölf durchfallen, sondern auf Platz 20 ein weiteres Mal. Am Ende wiesen sie ihm Rang 42 zu, wie einem Anfänger im tristen Niemandsland. Es war der Moment, als Dürr sich dachte: "Eigentlich ist es jetzt auch schon wurscht." So erzählt er es zumindest einen Tag später, und er klingt völlig entspannt dabei. Denn aufgegeben hat er lange noch nicht.

Sepp Dürr und die Aufstellungsversammlungen - das war immer eine besondere Geschichte. Durchgereicht hatten sie ihn, einen der wenigen Partei-Promis, bereits öfter, aber da hatte er sich noch um Spitzenränge beworben. Verdienste zählen bei den Grünen traditionell weniger als in anderen Parteien, ein bekannter Name schadet mitunter mehr, als er nützt. Und dennoch: Platz 42 auf einer Bezirksliste für den Mann, der länger im Maximilianeum sitzt als jeder andere in seiner Fraktion, die er immerhin acht Jahre angeführt hat?

Einige bei den Grünen finden, Dürr, 64, sei an dieser Situation nicht ganz unschuldig. "Er kann nicht Bauchpinseln", sagt einer, der mit dem Innenleben der Partei vertraut ist. Auch bei den Grünen seien Spielregeln einzuhalten, "und er tut's halt mal nicht". So hätten Parteifreunde erst aus der Zeitung erfahren, dass Dürr ein weiteres Mal antreten wolle - und das nach einem langen Abwägungsprozess, an dem er die gesamte Öffentlichkeit teilhaben ließ. Will er, will er nicht: Mancher Grüne sah darin ein Kokettieren Dürrs, fühlte sich schlicht "genervt". Hätte sich der Biobauer aus Germering früh und eindeutig erklärt, die Dinge wären vielleicht anders gelaufen. Aber wäre er dann noch er selbst?

Dürr vertritt ohnehin die Meinung, er sei weniger an sich als vielmehr an den Strukturen so einer Nominierung gescheitert. Stadt und Landkreis München bildeten einen Machtblock, der einem wie ihm kein Schlupfloch biete. An seiner Kompetenz, auch Kritiker gestehen ihm das zu, bestehe kaum Zweifel. "Sein Ausscheiden wäre ein Verlust für die Fraktion", sagen Kollegen. Sie können sich Dürr sogar als künftigen Landtagsvizepräsidenten vorstellen, aber dafür müsste er erst gewählt werden.

Dürr schaffte es 2013 über die Zweitstimmen

Aussichtslos? Wenn es einem gelinge, dann dem Sepp. "Ich traue es ihm zu", sagt Fraktionschef Ludwig Hartmann, der sich mit seiner Kollegin Katharina Schulze die beiden Spitzenplätze auf der Oberbayernliste sicherte. Schon 2013 habe Dürr "die Sensation geschafft", erinnert sich Hartmann, warum nicht auch jetzt? Damals eroberte Dürr einen der nur sieben oberbayerischen Abgeordnetenplätze, diesmal hoffen die Grünen auf bis zu elf Mandate.

Schon 2013 war Dürr ohne eigenen Stimmkreis angetreten, allein über die Zweitstimmen katapultierte er sich nach vorne. Doch damals war er von Platz zehn aus gestartet, nicht von 42. Dass Dürr kämpfen kann, hat er bewiesen. Er hat eine Krebserkrankung überwunden, er sagt, "ich bin gesund und leistungswillig". Sein Motto: Weiterarbeiten wie bisher, "ich habe eine Chance, aber dafür muss ich auch etwas tun".

Heimatbegriff nicht den Rechten überlassen

Das heißt, um Sepp Dürr dürfte es kaum ruhiger werden bis zur Wahl im Oktober. Den Heimatbegriff, um den jetzt plötzlich alle Parteien streiten, hat er schon vor 20 Jahren als Thema entdeckt. Man dürfe ihn nicht den Rechten überlassen, sagt er. Noch vor der Sommerpause soll ein dritter Heimatkongress stattfinden, "ohne Diskriminierungen".

Nur wenige im Landtag verfügen über Dürrs Rauflust, der CSU wirft er abwechselnd "Pfusch", "Verlogenheit" oder "Maulheldentum" vor. Was ihn nicht daran hindert, notfalls auch gemeinsam mit dem ewigen Lieblingsgegner zu regieren, um grüne Ideen durchzusetzen. "Die überfällige Erneuerung der CSU geht nur mit uns", behauptet er keck. Das gelinge freilich nur, wenn die Grünen als zweitstärkste Kraft in den Landtag einzögen.

Sepp Dürr ist bereit, seinen Beitrag dafür zu leisten, auch auf Platz 42. Sein größtes Hindernis habe er ja hinter sich: "Die Aufstellungsversammlung ist für mich immer die bittere Pille, die ich schlucken muss, damit ich an die Wählerinnen und Wähler rankomme."

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