Landtagswahl in Bayern:Zeit der großen Versprechen

Wahl-Cloud

Die Wort-Wolke: Die zentralen Begriffe in den Wahlprogrammen der Parteien.

(Foto: SZ-Grafik)

Am Sonntag wird in Bayern gewählt. Das Wahlprogramm der Grünen ist 173 Seiten lang, die CSU kommt mit 25 aus - aber auch darin steht eine ganze Menge. Doch was sagen die bayerischen Politiker eigentlich genau? Wir zeigen die Worte, mit denen sich die Volksvertreter am liebsten umgeben.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Die Zeiten sind vorbei, in der die CSU kalte, technokratische Gebrauchsanweisungen für den Freistaat als Wahlprogramme geschrieben und unters Volk gebracht hat. Unter Horst Seehofer als Parteichef ist die CSU gefühliger geworden - viel mehr Mensch, viel weniger Hightech. Sie fasst sich auch wesentlich kürzer. Seehofer wollte mal was "Frisches, ein neues Wording", wie er sagte, nun heißt das Wahlprogramm "Bayernplan" und kommt mit gerade einmal 25 Seiten aus. "Ich will eine Politik des Dialogs nach dem Grundsatz: Zuhören, Verstehen, Handeln", sagt er im Vorwort.

Aber mitreden will die CSU überall - angefangen bei den Kommunen bis hin zur Europapolitik. "Europa soll sich nicht in Belange einmischen, die Mitgliedstaaten, Länder und Kommunen selbst regeln können." Die CSU rückt in den Mittelpunkt, dass sie als bayerische Partei direkt in Berlin und Brüssel die Interessen des Freistaats vertreten kann - Anspruch und Anmaßung zugleich, aber das war auch immer das Erfolgskonzept der CSU.

Die Bildung hat sie als eines der wichtigsten Politikfelder erkannt, Seehofer verspricht beispielsweise, Ganztagesangebote für alle Schüler bis 14 Jahre zu schaffen und Grundschulen zu erhalten. Erhalten und ausbauen - das sind die Vokabeln eines Bundeslandes, das wirtschaftlich schon viel erreicht hat. Die CSU betet sie herunter. Was bleibt von der Technikbegeisterung früherer Jahre? Etwas abgeschlagen: die Digitalisierungsmilliarde, eine finanzielle Kraftanstrengung, um den Freistaat unter anderem mit schnellem Internet zu versorgen, damit Bayern auch ja nicht den Anschluss verpasst.

Lesen Sie hier, wie die Landtagswahl genau funktioniert.

SPD und Menschen

Wer sich als Programmpartei bezeichnet, nimmt Programme natürlich ernst, sehr ernst sogar. Die SPD erarbeitete ihr Wahlkonzept über Monate hinweg in verschiedenen Foren, beteiligte Bürger im Internet, machte dann das Fass auf einem Programmparteitag in Augsburg noch einmal auf. Sie unterschied sich somit in jeder Hinsicht komplett vom Vorgehen der CSU.

Auf nicht weniger als 150 Seiten - "Regierungsprogramm" genannt - variiert die SPD nun ihre beiden Schlüsselsätze. Die lauten: "Wir bringen Bayern ins Gleichgewicht" und "Jetzt ist alles drin". Mit ihnen beschreibt die SPD ein Bayern, dem es gut geht - aber nicht überall. Ein wirtschaftlich starkes Land, in dem aber zu wenig getan wird fürs flache Land, für die weniger Privilegierten, auch für die Mittelschicht mit ihren Problemen bei der Kinderbetreuung, in Schulen oder im Job. "Unser Leitmotiv dafür ist Gerechtigkeit", schreibt die SPD mit einem Hauch von Pathos. Das Programm führt dies mit vielen Details aus. "Frauen", "Arbeit", "Gesellschaft", "Kommunen" - nicht ohne Grund finden sich diese Worte besonders häufig.

Gleichstellungspolitik und der Schutz von Minderheiten sind besondere Schwerpunkte. Demonstrativ am Beginn des Programms stehen jedoch Finanz- und Wirtschaftspolitik. Spitzenkandidat Christian Ude hatte als Linie vorgegeben, es dürften keine finanziell unerfüllbaren Forderungen aufgestellt werden. Kaum eine Rolle spielt dagegen die in der Wahlkampf-Endphase so bedeutend gewordene Pkw-Maut. Sie wird mit ein paar knappen Sätzen eher routinemäßig abgelehnt - das Thema kochte erst nach Programmschluss hoch.

Freie Wähler und Heimat

Die Freien Wähler sind so etwas wie die Wundertüte in der bayerischen Landespolitik - so genau weiß man nicht, was man bekommt, wenn man hineingreift. Mal stimmen die Parteifreien im Landtag mit der CSU für eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich, dann wieder machen sie gemeinsame Sache mit SPD und Grünen, wenn es darum geht, die Schulpolitik der CSU anzugreifen.

In jedem Fall haben sie in ihrem Programm den Begriff Heimat wie keine der anderen Parteien besetzt. Die Freien Wähler sind eine Landpartei, traditionell stark in den kleinen Gemeinden und Städten. Und diese Verwurzelung spielen sie als ihre Stärke aus: Bürger, Heimat, Menschen, Gesellschaft - das sind ihre Schlüsselbegriffe, die noch präsenter als das Wort Kommune sind.

In den Rathäusern sind die Freien Wähler eine Macht. Inhaltlich zeigen sie in vielen Punkten eine Nähe zur CSU, die deshalb in den Freien Wählern auch ihre größte Konkurrenz sieht. Neben einer guten Finanzausstattung für die Kommunen ist den Freien Wählern die Bildung besonders wichtig. Wie weit haben es die Kinder zur Schule, und bekommt auch jedes Kind eine gute Ausbildung? Und wie viel Zeit bleibt fürs Vereinsleben und die Freiwillige Feuerwehr, wenn das achtjährige Gymnasium zu sehr stresst?

"Wir Freien Wähler wollen die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9", heißt es im Programm. Und sie fordern, dass alle Grundschulen im Freistaat erhalten bleiben. "Stärkung", "Ausbau", "gemeinsam" - die Freien Wähler machen die Probleme auf dem Land zu ihrem Thema. Es soll genug Ärzte in der Fläche geben und Einkaufsmöglichkeiten sowie einen funktionierenden Nahverkehr. Daseinsvorsorge eben - ein altmodisch klingender Begriff. Auf dem Land ist er aber brandaktuell.

Weit, weit hinten im Landes-Wahlprogramm stehen dann auch zwei Sätze, wie sie die Grünen derzeit bundesweit in Turbulenzen bringen: mehr Staatseinnahmen durch höhere Spitzensteuersätze und Vermögensbesteuerung. Doch im Zentrum des Programms, das mit 173 Druckseiten sogar noch umfangreicher ausfällt als das der SPD, steht etwas anders.

Grüne und die Vision Zero

Die Grünen im Freistaat präsentieren sich mit ihrem Kernthema Ökologie. "Blauer Himmel - Grünes Land" heißt einer ihrer bajuwarischen Leitsätze. Energiewende, grüne Landwirtschaft, Umsteuern bei der Verkehrsplanung sind Kernpunkte einer ökologischen Erneuerung des Freistaats, wie sie den Grünen vorschwebt. Im Detail entwickeln sie dabei durchaus Mut zur Utopie: "Vision Zero" lautet ein Punkt - der Freistaat soll seine Verkehrswege und -regeln so gestalten, dass es keine Toten und Schwerverletzten auf der Straße mehr gibt.

Für alle unter 18 Jahren soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos werden. Für Diskussionen in einem möglichen Dreierbündnis mit SPD und Freien Wählern könnte auch die Drogenpolitik sorgen: Ziel sei "eine Entkriminalisierung von DrogenkonsumentInnen", heißt es. Großen Raum nehmen im Programm die Forderungen nach mehr Engagement bei der Kinderbetreuung und einem Ausbau des Bildungssystems ein. Das zeigt sich an Schlüsselbegriffen wie Kinder, unterstützen, Schulen, leben in der Word-Cloud. Ebenfalls groß schreiben die Grünen traditionell das Thema Frauen. Ihnen soll auch eine Änderung des Wahlrechts zugute kommen: In Kommunalparlamenten und im Landtag müssten künftig die Hälfte der Sitze an Frauen gehen.

FDP und Ausbau

Obwohl die Liberalen um den Wiedereinzug in den Landtag bangen müssen, legen sie in ihrem Wahlprogramm einen ungeheueren Tatendrang an den Tag. Als einzige der im Landtag vertretenen Parteien steht bei den Liberalen nicht das Wort Mensch oder Bürger ganz oben, sondern: Ausbau. Als "Motor in der schwarz-gelben Staatsregierung" bezeichnet ihr Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Martin Zeil die FDP, und dieser Motor läuft, liest man das Programm, offenbar auf Hochtouren.

Den Liberalen geht es ums Stärken, ums Fördern, ums Schaffen. So quirlig hat man die FDP in den vergangenen fünf Jahren nicht erlebt, wie sie ihre Arbeit jetzt beschreibt. Auf der To-Do-Liste ganz oben: den Mittelstand stärken und Bürokratie abbauen. Gleich danach: "Vollbeschäftigung bis 2015". Was das angeht, ist die FDP ehrgeiziger als die CSU, die sich für dieses Ziel bis 2018 Zeit lassen will. Auch wenn die Bayern-FDP mit Landeschefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die profilierteste Vertreterin des Bürgerrechtsflügels aufbieten kann, dominieren klar die Themen Wirtschaft und Forschung.

Das hängt damit zusammen, dass dies die Ressorts sind, für die die FDP in der Regierung die Verantwortung trägt. Die FDP verspricht, mehr Fachkräfte auszubilden oder anzuwerben. Ginge es nach ihr, dürften Geschäfte länger öffnen. Die Landesbank möchte die FDP am liebsten verkaufen, Spielbanken sollen Private übernehmen. Dass die FDP Bayern vor der Finsternis einer Alleinregierung der CSU bewahren möchte, ist vor allem ein Argument in Wahlkampfzeiten.

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