Landtagswahl in Bayern:Ude, der Alleinunterhalter

Ude bei der Eröffnung der historischen Wiesn.

Ude bei der Eröffnung der historischen Wiesn.

(Foto: dpa)

Er möchte Ministerpräsident werden. Christian Ude ist Schwabinger durch und durch. Seine Eigenschaften: Pragmatismus und Ausdauer. Sein wichtigster Berater: seine Frau. Was Christian Ude auszeichnet.

Von Frank Müller

Wo kommt er her?

Christian Ude ist in München geboren, in München aufgewachsen, hat in München gearbeitet. Und bewirbt sich jetzt um einen Job in - München. Denn dort steht ja nicht nur das Rathaus, in dem Christian Ude nun fast auf den Tag genau seit 20 Jahren Oberbürgermeister ist. Sondern auch die Staatskanzlei, in die er nach der Wahl vom Sonntag einziehen will.

Im Wahlkampf hat die von der CSU gern forcierte Frage, ob Ude zu münchnerisch ist für das bayerische Großamt des Ministerpräsidenten, eine enorme Rolle gespielt. Doch was kann einer dafür, dass er, wenn man so will, ein Parade-Münchner ist? Mehr noch: ein Parade-Schwabinger. Mit dem Viertel, das für seinen Kunstsinn, seine Intellektualität und sein Großbürgertum berühmt ist, verbindet sich Udes ganzes Leben. Hier, am Kaiserplatz, wohnt er bis heute.

Der am 26. Oktober 1947 geborene Ude ist als Sohn des Kulturjournalisten und Schriftstellers Karl Ude und dessen Frau Renée quasi von selbst ins linksliberale Literatenmilieu hineingewachsen. Nach dem Abitur startete er Ende der sechziger Jahre in den Journalismus; er war Volontär und dann Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Dort schrieb er unter dem Kürzel "cu", das heute noch auf seinem Autokennzeichen steht, drei Jahre lang über alles aus München - auch über heute völlig undenkbare SPD-Erfolgsmeldungen. "SPD erobert alle fünf Wahlkreise" stand über einer Geschichte zur Bundestagswahl von 1969.

Dann studierte Ude Jura, seit 1979 arbeitete er als Rechtsanwalt, sein Fachgebiet: Mietrecht. Die SPD ist die ganze Zeit über seine zweite Heimat gewesen, schon als Gymnasiast trat er ein, in den 70er Jahren wurde er ihr Münchner Pressesprecher. Doch zum Berufspolitiker wurde Ude erst mit 42 Jahren. 1990 wurde er in den Stadtrat gewählt und sofort Vize des damaligen Oberbürgermeisters Georg Kronawitter.

Udes Anfangsjahre in der Politik

Drei Jahre später übernahm er dessen Platz. Wenn Christian Ude und seine Frau Edith einmal nicht in München sind, dann findet man sie mit einiger Wahrscheinlichkeit auf der griechischen Insel Mykonos. Dort verbringen sie ihre Ferien praktisch immer.

Was hat ihn geprägt?

In seinen politischen Anfangsjahren waren die Flügelkämpfe der Münchner SPD legendär. Ude positionierte sich klar links und gegen den damaligen OB Hans-Jochen Vogel, wie es sich heute bei den Sozis gegen Ude niemand trauen würde. Aber er wahrte die Form und setzte Vogel bei einem Hausbesuch höflich von seiner Gegnerschaft in Kenntnis.

Dass Ude heute solches Revoluzzertum niemals zulassen würde, gehört zur Geschichte seiner Wandlung. In den 80er Jahren wurde klar, dass Vogels Nachfolger Kronawitter - auch er ein Feindbild der Parteilinken - Ude zum Kronprinzen auserkoren hat. Er bereitete ihm mustergültig den Weg.

OB-WAHLKAMPF MÜNCHEN KRONAWITTER UDE VOGEL

Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude mit seinen beiden Vorgängern Hans-Jochen Vogel und Georg Kronawitter.

(Foto: DPA)

Seitdem läuft die Ude-Maschine in München. Insgesamt viermal ist er mit stetig wachsenden Ergebnissen zum OB gewählt worden, bis zum Triumph von 2008. Da ließ er mit sagenhaften 66,7 Prozent die eigene Partei um mehr als 25 Punkte hinter sich.

Nach praktisch jedem Erfolg wehrte er die Frage nach anderen Ambitionen mit einem stereotypen Satz ab: "Meine Lebensaufgabe liegt in München, es bleibt dabei." Erst 2011 änderte er diese Meinung - nachdem eine Gesetzesänderung klar gemacht hatte, dass er in München nicht noch einmal antreten dürfte. Udes Regierungszeit mit einer rot-grünen Mehrheit lief problemlos, auch weil es keine ernst zu nehmenden Gegenspieler gab. Dazu kam eine überwiegend wohlwollende Presse.

Wenigstens er selbst machte sich als Hobbysatiriker fortgesetzt auch über sich selbst lustig - mit sehr viel mehr Kritik sah er sich vor seinem Wechsel auf die Landesbühne nicht konfrontiert. Eine wirklich grobe Niederlage erlebte er nur ein einziges Mal: 1987 sollte er im Münchner Rathaus als Nachfolger von Peter Gauweiler zum neuen Kreisverwaltungsreferenten gewählt werden. Vier SPD-Stadträte verweigerten ihm die Stimme, gewählt wurde der CSU-Gegenbewerber Hans-Peter Uhl. Ude spricht nicht sehr oft darüber, aber er hat das nie vergessen.

Udes Führungsstil

Seine engen Mitarbeiter sind des Lobes voll. Er sei ein Chef, dem man auch widersprechen könne, einer, der auf die gegenteilige Meinung Wert legt, sagen sie. In seiner Rathauszeit hat er das möglichst frühzeitige Entschärfen von Konflikten zu seinem Markenzeichen gemacht - anders als sein Vorgänger Kronawitter, der es gerne zum Showdown kommen ließ.

Zur öffentlichen Hinrichtung Untergebener neigt er nicht. Doch gleichzeitig lässt er gerne durchblicken, dass er jedenfalls in München der Größte ist. Das trägt ihm intern das Prädikat "Sonnenkönig" ein.

Auf wen hört er?

Eröffnung historische Wiesn

Christian Ude mit seiner Frau Edith bei der Eröffnung der historischen Wiesn.

(Foto: dpa)

Ude gibt viel auf den Rat seiner Frau Edith, mit der er seit 1983 verheiratet ist. Sie war selbst SPD-Stadträtin. Wenn sie ihm nach einem Auftritt sagt, er habe zu lange über die Pkw-Maut geredet, lässt Ude seinen Wahlkampfschlager bei der nächsten Rede völlig weg. So viel Einfluss hat sonst niemand auf ihn.

Die großen Linien zieht sich Ude selbst - das führt auch dazu, dass er Fehler erst spät korrigiert. In seinem engeren Wahlteam sind Fraktionschef Markus Rinderspacher, Generalsekretärin Natascha Kohnen und Landeschef Florian Pronold. Dazu greift er in Wahlkämpfen schon seit Jahrzehnten auf dieselben Unterstützer zurück: Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, dazu Münchner Kulturgrößen wie Jutta Speidel, Senta Berger oder Ron Williams. Man wird gemeinsam älter.

Stärken und Schwächen

Ude spürt, was die bürgerliche Mehrheit will, und er versteht es, seine Partei auf Kurs zu trimmen. Wenn er selbst ursprünglich neben einer mehrheitsfähigen Linie liegt, findet er den passenden Moment zum Absprung. So kommt es, dass er heute Straßentunnel gut findet, die er einst ablehnte, und sich nur noch sporadisch daran erinnert, dass er einmal für die dritte Startbahn am Münchner Flughafen war.

So pragmatisch Ude in solchen Fragen ist, so grundsatztreu ist er, wenn es ans Eingemachte geht. Bei Themen wie Rechtsradikalismus oder Ausländerfeindlichkeit steht er wie eine Eins. Er agiert verlässlich, er ist zäh und ausdauernd, auch körperlich. Seine Wahlkampftour durch Bayern ist ein wahrer Marathon.

Ude hat Freude am Debattieren, er ist ein kluger Kopf, mit dem man bei vielen Themen in die Tiefe gehen kann. Er kann die Argumente drechseln und biegen, wie es ein gelernter Jurist eben kann. Doch er bleibt sogar dann redlich, wenn es ihm zum Nachteil gereicht.

Das zeigt sich an der Geschichte seines größten Wahlkampfpatzers, als er gleich zum Auftakt Aschaffenburg nach Oberfranken verlegte. Was viele nicht wissen: Ude hatte selbst entschieden, dass sein Fauxpas aus einem Interview der Nürnberger Nachrichten in der Druckfassung nicht getilgt wurde. Das kann man ehrlich nennen oder auch blauäugig.

Horst Seehofer über Christian Ude
Bavarian State Premier Seehofer stands together with his challenger Ude before their TV duel in Unterfeohring

"Udes Stärke ist der totale Pragmatismus. Deshalb war er nicht immer sehr nah bei seiner Partei. Kommunalpolitiker sind meistens Pragmatiker. Es gibt etliche Beispiele, wo wir zwischen Landeshauptstadt und Freistaat völlig komplikationslos zusammengewirkt haben. Im Großen und Ganzen hat er in München vernünftige Arbeit geleistet."

Seine Schwächen

"Nehmen Sie's mir nicht übel", sagte Peter Gauweiler, der 1993 die Münchner OB-Wahl gegen Ude verlor, als er gefragt wurde, was er vom Gegenspieler hält: "Er ist halt ein Journalist." Der Berufsstand neigt zur Rechthaberei mindestens ebenso wie der des Juristen.

Ude ist beides, das merkt man, wenn er sich unfair behandelt fühlt. Das ist bei Ude relativ häufig der Fall. Er weist dann minutiös und zuweilen oberlehrerhaft dem Gegenüber Versäumnisse nach, wo sich andere schnell aufs nächste Ziel konzentriert hätten. In Ude paart sich dann eine gewisse Wehleidigkeit mit Gerechtigkeitsempfinden.

Letzteres bestimmt auch manche Wahlkampfrede. Gelegentlich erweckt er den Eindruck, die SPD habe es jetzt nach 56 Jahren der CSU-Herrschaft einfach mal verdient, ans Ruder zu kommen. Wenn er dann noch in seinen stakkatohaften Sprachstil rutscht, kann das einschläfernd wirken.

Wo will er hin?

Da ist er wie Horst Seehofer: Er will an die Spitze. Ude spricht viel von den Erlebnissen, die ihn schon als Jugendlichen in den 60er Jahren gegen die CSU aufgebracht haben. Würde er nun die CSU überwinden, schlösse sich insofern ein Kreis.

Aber Ude geht es auch um mehr: mitzuhelfen, dass die SPD nicht von den Grünen überflügelt wird, wie es 2011 in Baden-Württemberg geschah. Und die SPD in der Stadt München vorne zu halten. Dass ein von ihm geführtes Bayern sich von dem Horst Seehofers grundlegend unterschiede, ist dagegen nicht zu erwarten. Dazu ist Udes Gefühl für die Stimmung der Mehrheit viel zu stark.

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