Landtag:Fall Schottdorf: Untersuchungsausschuss geht zu Ende

Bernd Schottdorf, 2015

Bernd Schottdorf, Laborarzt und CSU-naher Millionär, beschäftigte wegen seiner Geschäfte zwei Jahre lang einen Untersuchungsausschuss.

(Foto: Johannes Simon)
  • Nach zwei Jahren geht der Untersuchungsausschuss im Fall des Laborarztes Bernd Schottdorf zu Ende.
  • Die Parteien konnten sich allerdings nicht auf ein gemeinsames Abschlusspapier einigen.
  • Während die einen von einem Skandal um den Augsburger Arzt sprechen, ging für die anderen nahezu alles seinen geordneten Gang.

Von Stefan Mayr

Zwei Millionen Seiten Akten, 40 Sitzungen mit etwa 80 Zeugen in zwei Jahren. Am Dienstag geht der Untersuchungsausschuss Labor des Landtags so zu Ende, wie er angefangen hatte: im Streit. Die vier Parteien konnten sich nicht auf eine gemeinsamen Abschlussbericht einigen, deshalb wird es drei verschiedene Bewertungen geben. Grüne und Freie Wähler sprechen von einem "gesundheitspolitischen Skandal". Für die CSU ging dagegen (fast) alles mit rechten Dingen zu und die SPD steht zwischen diesen zwei Extrem-Positionen. Das ist die Zusammenfassung der Affäre um den Augsburger Labor-Unternehmer Bernd Schottdorf und deren Aufarbeitung:

Die Vorgeschichte

Die neun Abgeordneten sollten vor allem klären, ob es politische Einflüsse auf die Ermittlungen gegen Schottdorf und Hunderte verdächtige Ärzte gab. Warum stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg die Ermittlungsverfahren vorzeitig ein oder ließ sie verjähren, obwohl gleichzeitig ein sogenanntes Pilotverfahren gegen einen Münchner Arzt lief, mit dem die komplizierte Rechtslage geklärt werden sollte? Der Arzt wurde letztlich wegen Betrugs zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung.

Dennoch kamen viele Ärzte straffrei davon, weil die Augsburger Ermittler vorzeitig die Aktendeckel geschlossen hatten. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft München I intensiv ermittelt. Aber das Verfahren wurde ihr entzogen und nach Augsburg transferiert. Warum? Kritiker sagen, um das Verfahren auf Geheiß der Politik zu beenden. Die Generalstaatsanwaltschaft behauptet, das musste wegen der örtlichen Zuständigkeit so sein. Die Münchner Staatsanwälte hätten gerne weiter ermittelt. Doch selbst die Münchner Ärzte wurden ihnen entzogen - zudem durften sie bei einer Durchsuchung im Augsburger Labor Schottdorf nicht teilnehmen, obwohl sie sich schon darauf vorbereitet hatten.

Die Betrugsmasche

Das Betrugssystem funktioniert so: Die Ärzte rechnen Speziallabor-Untersuchungen mit ihren Privatpatienten so ab, als hätten sie diese Leistungen selbst erbracht. Tatsächlich aber lassen sie die Analysen im Labor von Schottdorf vornehmen und kassieren dabei Mengenrabatte. Abgerechnet werden die Untersuchungen aber zum vollen Honorar, die Differenz bleibt den Ärzten als Zusatzverdienst.

Diese Praxis ist laut BGH Betrug. Dennoch, so bestätigten das Experten im Ausschuss, werde die Praxis bis heute fortgesetzt. Dass dies ein Unding ist, darin sind sich CSU, SPD, Grüne und Freie Wähler ausnahmsweise einig. Aber dass der Bund etwas dagegen unternimmt, dafür sorgen die Koalitionsparteien CSU und SPD nicht. Sepp Dürr von den Grünen spricht vom "massiven Versagen der Politik".

Diese Rolle spielt Peter Gauweiler

Die Sitzordnung

Die Sitzordnung des Ausschusses sprach Bände. Links vom Vorsitzenden Alexander König (CSU) und seinem Stellvertreter Franz Schindler (SPD) saßen drei Vertreter von SPD, FW, Grüne. Die Oppositionsbank. Ihnen gegenüber saßen vier Abgeordnete der CSU - direkt neben den Gesandten der Ministerien. Diese räumliche Nähe passte perfekt zur politischen Nähe: Keiner der CSU-Abgeordneten legte großen Wert darauf, das Vorgehen eines Ministeriums zu kritisieren.

Im Gegenteil: Regierungspartei und der Vertreter der Verwaltung waren sich einig, dass im Freistaat nichts, aber auch gar nichts schief lief in der Affäre Schottdorf. Die CSU und der Beamtenapparat - da passte kein Blatt dazwischen. Nur einen Unterschied gab es: Die Beamten aus den Ministerien verfolgten die Sitzungen diszipliniert und vollzählig. Die Abgeordneten waren da weniger konzentriert. Hans Reichhart arbeitete während der Vernehmungen mehrmals seine Unterschriftenmappe durch und Mechthilde Wittmann war auf ihrem Laptop auch mal auf Shoppingtour im Schuhgeschäft.

Peter Gauweilers Rolle

Einen massiven Eingriff eines CSU-Politikers in die Ermittlungen gab es auf jeden Fall - auch wenn dieser rein juristisch gesehen sauber war und nur moralisch angreifbar ist: Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler schrieb in seiner Funktion als Schottdorfs Anwalt einen Brief an den Chef des Landeskriminalamts und regte Ermittlungen gegen den Polizisten Robert Mahler an. Der Wunsch ging in Erfüllung.

SPD-Mann Franz Schindler ist überzeugt, dass mit Gauweilers Brief auch der Druck auf den ermittelnden Münchner Staatsanwalt Andreas Harz stieg. Harz berichtete im Ausschuss von "acht mündlichen Anweisungen", die er vom Generalstaatsanwalt erhalten hatte. Später versuchte Gauweiler sogar noch, den Untersuchungsausschuss per Verfassungsbeschwerde zu verhindern. Dieser Wunsch ging allerdings nicht in Erfüllung.

Das Berichtssystem

In Bayern brauche es gar keine schriftlichen Anweisungen, um die Ermittler auf Linie zu bringen, sagt der FW-Abgeordnete Florian Streibl. Er spricht von einem "ausgeklügelten Berichtssystem", das bei jedem brisanten Fall greife. Dabei muss jeder Staatsanwalt regelmäßig Zwischenberichte an die Generalstaatsanwaltschaft schicken, von dort werden sie ans Ministerium weitergeleitet. Im Ausschuss war die Rede von zwei Arten von Berichten: Beim "Absichts-Bericht" erläutert der Staatsanwalt, welche weiteren Schritte er "beabsichtigt". Streibl: "Dann muss er auf die Reaktion aus dem Ministerium warten, erst dann kann er die geplanten Schritte umsetzen."

Beim "Werde-Bericht" kündigt der Ermittler an, was er demnächst tun "werde". Streibl: "Hier kann der Staatsanwalt aktiv werden, wenn innerhalb von zwei Wochen keine Meldung aus dem Ministerium kommt." Mit anderen Worten: Alle politisch brisanten Ermittlungs-Schritte geschehen nur dann, wenn das Ministerium vorher damit einverstanden ist.

Ermittlungen gegen Polizisten

Innerhalb der Soko Labor gab es Streit über die Frage, ob das Treiben der Ärzte illegal sei oder nicht. Das Landeskriminalamt versetzte deshalb Soko-Chef Stephan Sattler - er wollte partout weiterermitteln - kurzerhand ins Polizeipräsidium. Ohne vorher mit ihm gesprochen zu haben, was wiederum rechtswidrig ist. Wie auch die jahrelangen Ermittlungen gegen Sattler und seinen Kollegen Robert Mahler wegen Falschaussage respektive Verfolgung Unschuldiger: Das Landgericht München hat eines der überlangen Verfahren bereits als "amtspflichtwidrig" bezeichnet. Beide Schmerzensgeld-Klagen von Sattler und Mahler sind noch anhängig.

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