Landshuter Staatsarchiv:Das Gedächtnis Niederbayerns

Landshuter Staatsarchiv: Rollregale prägen das Magazin des Landshuter Staatsarchivs. 39 laufende Kilometer Archivalien können dort verwahrt werden.

Rollregale prägen das Magazin des Landshuter Staatsarchivs. 39 laufende Kilometer Archivalien können dort verwahrt werden.

(Foto: Doris Wörner/Staatliche Archive Bayerns)
  • Das neue Staatsarchiv in Landshut wird eröffnet.
  • Derzeit lagern dort etwa 2,6 Millionen Dokumente vom hohen Mittelalter bis in die Gegenwart.
  • Jährlich kommen etwa 300 Meter Akten hinzu, die Platzreserven reichen für 50 Jahre.

Von Hans Kratzer, Landshut

In den Morgenstunden des 21. Oktober 1961 brach auf der Burg Trausnitz in Landshut ein Feuer aus, das sich schnell durch die ganze Burg fraß. Die alten Renaissance-Trakte sanken in Schutt und Asche. Darüber hinaus verbrannten in dem in der Burg untergebrachten Staatsarchiv Regalflächen voller alter Schriftstücke, Urkunden und Akten. Dabei gingen unersetzliche Zeugnisse und Dokumente verloren, in denen fein verästelt festgehalten war, wie die Vorfahren gelebt und was sie gedacht hatten.

Immerhin handelten die Archivare nach dem verheerenden Brand klug und weit vorausschauend, indem sie die vom Löschwasser durchtränkten und vom Feuer angesengten Bände nicht auf den Müll warfen, sondern sie trockneten und laminierten. Von da an arbeitete die Zeit wieder für das Archiv. Denn die famosen Fortschritte in der Restaurierungstechnik machen es heute möglich, zerstörte Akten wieder lesbar zu machen.

Das Staatsarchiv auf der Burg unterzubringen, war aus historischer Sicht verständlich, denn die Trausnitz ist als einstiger Stammsitz der Wittelsbacher Herzöge ein historischer Brennpunkt. "Unter konservatorischen Gesichtspunkten aber war das eigentlich unverantwortlich", sagt der Historiker Hermann Rumschöttel, der ehemalige Chef der staatlichen Archive in Bayern.

In dem Archiv herrschte seit Jahrzehnten Platzmangel, es war abgelegen und auch klimatisch problematisch. Große Mengen des dort gelagerten Papiers sind nämlich extrem fragil und empfindlich, vor allem das schlechte Säurepapier, das im 19. Jahrhundert verwendet wurde.

Schon seit den frühen 90er Jahren wurde um einen Ausweg politisch gerungen, aber erst 2010 genehmigte der Landtag den fast 25 Millionen Euro teuren Neubau im Stadtviertel Nikola, der an diesem Freitag im Rahmen eines Festakts offiziell eröffnet wird. Ob das Gebäude aus archivtechnischer Sicht Maßstäbe setzt, muss sich noch zeigen, aber der Bau macht auf die Besucher jetzt schon Eindruck.

2,6 Millionen Dokumente - also 18 Kilometer Archivgut

In den hochmodernen und klimatisierten Magazinen liegen, beginnend mit den ältesten Urkunden aus dem 13. Jahrhundert, 2,6 Millionen Dokumente zur Geschichte Niederbayerns. Das Landshuter Staatsarchiv verwahrt derzeit 18 Kilometer Archivgut, jährlich kommen etwa 300 Meter Akten hinzu, die Platzreserven reichen für 50 Jahre.

Für Landshut hat dieser Neubau eine weitaus größere Bedeutung, als sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Archive führen oft ein Schattendasein. "Immerhin ruht hier das schriftliche Gedächtnis von Niederbayern", sagt Margit Ksoll-Marcon, die Generaldirektorin der Staatlichen Archive Bayerns. Ihr unterstehen neben dem neuen Haus in Landshut auch noch die übrigen Staatsarchive in Amberg, Augsburg, Bamberg, Coburg, München, Nürnberg und Würzburg. Dazu kommt noch das Bayerische Hauptstaatsarchiv, in dem vor allem die Registraturen und Akten der staatlichen Zentralbehörden und der säkularisierten Klöster sowie der alten Hochstifte verwahrt werden.

Die Standorte sind ein Problem - die Entscheidung für Kitzingen löste Entsetzen aus

Insgesamt sind in diesen Häusern 44 Millionen Archivalien eingelagert, die zum Teil bis in das 8. Jahrhundert zurückreichen. Die frühesten Urkunden sind ob ihrer Aura jederzeit imstande, beim Betrachter Ehrfurcht zu erwecken. Das älteste bayerische Archivale ruht im Staatsarchiv Würzburg. Es stammt aus dem Jahr 777 und betrifft einen Vorgang im Bezirk Hammelburg. Unterzeichnet hat es Karl der Große höchstselbst.

Landshuter Staatsarchiv: Das neue Staatsarchiv hat 25 Millionen Euro gekostet. Das Gebäude mit der markanten Fassade setzt in Landshut auch städtebauliche Akzente.

Das neue Staatsarchiv hat 25 Millionen Euro gekostet. Das Gebäude mit der markanten Fassade setzt in Landshut auch städtebauliche Akzente.

(Foto: Doris Wörner/Staatliche Archive Bayerns)

Natürlich hat ein Kulturstaat ein Interesse daran, diese Schätze zu bewahren. Gerade in Bayern, wo der Begriff der Staatlichkeit einen hohen Stellenwert besitzt, wird die Archivpolitik gut gepflegt. Seit 1990 gibt es ein Bayerisches Archivgesetz, das die Archivierung von Unterlagen normt und regelt. Und es wird, wie das Beispiel Landshut zeigt, auch Geld in die Hand genommen.

Zuletzt hatte Augsburg ein neues Staatsarchiv erhalten, das war im Jahr 1991. Da dort die Aufnahmekapazität schon fast wieder ausgeschöpft ist, wurde das Gebäude nun um fast 3000 Quadratmeter Archivfläche erweitert. Während in allen anderen Bundesländern die Neigung vorherrscht, die Archive in einem einzigen Landesarchiv zu zentralisieren, setzt Bayern weiter auf die Regionalisierung. Jeder Bezirk im Freistaat hat sein eigenes Archiv.

Freilich löst diese Politik gelegentlich auch Frustrationen aus. Die Entscheidung der Staatsregierung, das Staatsarchiv für Unterfranken von Würzburg nach Kitzingen zu verlegen, hat bei Archivaren und Archivbenutzern blankes Entsetzen hervorgerufen. Bisher galt stets der Grundsatz, ein Staatsarchiv benutzerfreundlich und identitätskonform im Zentrum eines Bezirks zu betreiben, im Fall Würzburg blieb die Politik aber beratungsresistent.

Verglichen mit anderen Herausforderungen aber sind die Standorte ein eher marginales Problem der Archive. Fast alle Archivalien sind Unikate, all die gelagerten Akten, Urkunden, Fotos, Karten, Pläne, Plakate, Briefe, Telegramme und Filme bilden ein gigantisches Gedächtnis des Landes und ein herausragendes Kulturgut.

Große Bedrohung für die alten Dokumente

Leider schweben viele dieser Objekte in größter Gefahr. Mindestens 25 Millionen bayerische Archivalien sind vom Säurefraß bedroht. Das Geld und vor allem die personellen Ressourcen, die man zur Digitalisierung aller Archivalien bräuchte, fehlen bei weitem, sagt Frau Ksoll-Marcon.

Die Digitalisierung ist für die Archive eine Jahrhundertaufgabe. Die elektronische Aktenführung und die ständige Änderung der Speichertechnik verlangen hochkomplexe Lösungen, die noch nicht überall in Sicht sind. Es gibt in Bayern ja auch noch 2056 Gemeinden, die ebenfalls eigene Archive führen. Das Problem der Langzeitspeicherung der dortigen Akten wird in der Politik bislang noch verdrängt.

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