Landshuter Hochzeit:Das Festival der Langhaarigen

Scharenweise bewerben sich Bürger als Laiendarsteller bei der Landshuter Hochzeit - Kurzgeschorene haben keine Chance.

Hans Kratzer

Dutzende langmähnige Jungmänner hocken im Zeughaus der Landshuter Hochzeit und warten. In einer Ecke kauert eine Gruppe, die aufgekratzt wirkt. Es sind Fußballer, die feixend ihre jüngsten Abenteuer auf allerlei Faschingsbällen zum Besten geben.

Landshuter Hochzeit: Landshuter Hochzeit: Lange Haare sind für eine Teilnahme an den Festspielen Pflicht.

Landshuter Hochzeit: Lange Haare sind für eine Teilnahme an den Festspielen Pflicht.

(Foto: Foto: ddp (Archivbild))

Einer der Jünglinge, der dunkellockige Sebastian, ist, wie dem Palaver zu entnehmen ist, ein guter Gitarrist. Eine Art Jimi Hendrix aus dem Isartal. Das ist im Bewerbungsverfahren für die Landshuter Hochzeit sicher kein schlechtes Pfund, denn das Mittelalterfest lebt von der Musik. Trotzdem wird der Bewerber Sebastian nicht mitmachen dürfen: Seine Haare sind viel zu kurz.

Flaute beim Friseur

In gut sechs Monaten beginnt das größte Mittelalterfest Bayerns, vielleicht sogar Europas. Schon längst glüht die 60000-Einwohner-Stadt unter den Fieberwellen der Landshuter Hochzeit. Nur die Friseure fiebern nicht. Denn die Männer lassen sich schon seit Monaten die Haare nicht mehr schneiden.

Wer beim Festspiel mitmachen will, der muss frisurtechnisch so aussehen wie jene Fürsten und Junker, Spielleute, Gaukler und Marketender, die 1475 eines der rauschendsten Feste des Mittelalters gefeiert und dabei unter anderem 320 Ochsen abgefieselt haben. Vor 130 Jahren hatten Münchner Maler das Landshuter Rathaus mit Szenen dieser gigantischen Feier ausgeschmückt. Und sofort weckten sie damit in der Stadt die Sehnsucht nach dem Zug der Fürsten, Bischöfe, Musikanten und Brautleute.

Die Bürger gründeten den Verein "Die Förderer", der seit 1903 alle vier Jahre den inzwischen weltberühmten Brautzug durch die Stadt führt. Etwa 2300 Mitspieler werfen sich dazu in mittelalterliche Kostüme, hunderte ehrenamtliche Helfer kümmern sich darum, dass in den drei Festwochen von den Gewändern bis zu den Gebäuden der Stadt alles möglichst originalgetreu wie aus dem 15. Jahrhundert wirkt.

Tausend Rollen müssen diesmal neu besetzt werden, aber es haben sich doppelt so viele Männer und Frauen beworben. Dieser Andrang ist nicht leicht zu erklären. Ernst Pöschl, der Vorsitzende der Förderer, erkennt darin den ausgeprägten Bürgersinn der Landshuter.

Davon kann man anderswo nur träumen, zum Beispiel bei den Agnes-Bernauer-Festspielen in Straubing. Dort müssen die Veranstalter händeringend nach Mitspielern suchen, in Landshut müssen sie aus einer großen Schar auswählen. Allein dafür brauchen sie jetzt im Januar vier Wochenenden. Im Zeughaus des Vereins, in dem der gesamte Fundus des Festspiels lagert, geht das aufwändige Verfahren über die Bühne, jeweils von morgens acht bis abends 18 Uhr. 25 Kommissionsmitglieder prüfen die Kandidaten streng auf ihre Tauglichkeit.

Bis Februar wird sich aus den Kandidaten das Brautpaar herausschälen. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Das Festival der Langhaarigen

Bevor sie in Dreiergruppen eingelassen werden, müssen die jungen Männer die Schuhe ausziehen, dann werden sie gemessen. Jetzt muss alles stimmen, Gewicht und Größe, die Haare und die Mimik. Nur bei der Sprache werden Zugeständnisse gemacht. Auch in der Hauptstadt Altbayerns ist der Dialekt von der Schwindsucht befallen. Aber selbst ein preußischer Zungenschlag ist zu verschmerzen: Schon 1475 kamen ja auch Gäste aus ganz Europa nach Landshut. Immerhin war Jadwiga, die Braut Herzog Georgs des Reichen, eine gebürtige Polin.

Die Szenerie im Zeughaus erinnert an die militärischen Musterungen der 70er Jahre, als langmähnige Burschen auf ähnliche Weise vermessen, befragt und protokolliert wurden. Jeweils drei Kandidaten nehmen Aufstellung vor der Jury. Passt die Größe, stimmen die Haare, gibt es ein jeweils passendes Gewand?

Klar ist: Fürs Spießeschleppen kann man kein Krischperl brauchen. Ein Musiker kann noch so toll sein, wenn die Haare nicht passen, fällt er raus. Der Besetzungsausschuss verteilt die Noten mit einer Tafel, wie einst die Wertungsrichter beim Eiskunstlauf. Erst in einigen Wochen werden die Prüflinge erfahren, ob sie mitmachen dürfen. Leider sind viel zu viele geeignet. "Da muss sicher das Los entscheiden", sagt Ernst Pöschl.

Alle Hotels ausgebucht

Bis Februar wird sich aus all den Kandidaten das Brautpaar herausschälen. Und es müssen auch noch 700 Kinder getestet werden, nur 400 werden gebraucht. Ob das ohne Dramen abgeht? Die Ritter und ihre Pferde dagegen üben schon seit dem Sommer. Ernst Pöschl sprüht vor Optimismus: "Es wird ein tolles Turnier und es wird eine tolle Landshuter Hochzeit."

Für die Stadt ist das Fest ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor geworden. Zwar beläuft sich der Etat, den der Verein stemmen muss, auf 4 Millionen Euro. Aber es werden 130 000 Karten verkauft, bis zu 700 000 Besucher aus aller Welt werden kommen und das Treiben in der Altstadt, auf dem Lagerplatz und bei den sonntäglichen Festumzügen verfolgen. 16 bis 20 Millionen Euro Wirtschaftskraft fließen damit in die Region. Schon jetzt sind sämtliche Hotels in der Gegend für diese Zeit ausgebucht.

Nun sind endlich die Fußballer dran, nervös fahren sie mit den Händen durch ihr Wallehaar. Und was ist, wenn·s nicht klappt? "Ja mei", sagt Sebastian, "dann machts auch nix. Der Landshuter Sommer wird bestimmt nicht langweilig."

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