Landshut:Rettet das alte Graffl!

Landshut: Der Abriss des Moserbräu (zweites Gebäude von rechts), eines baugeschichtlichen Kleinods in der Landshuter Altstadt, ist heftig umstritten.

Der Abriss des Moserbräu (zweites Gebäude von rechts), eines baugeschichtlichen Kleinods in der Landshuter Altstadt, ist heftig umstritten.

(Foto: Hans Kratzer)
  • Der Besitzer will das Moserbräu in Landshut abreissen, doch das Landesamt für Denkmalpflege ist dagegen.
  • Der Stadtrat muss nun entscheiden.
  • Den Zwiespalt zwischen den Interessen der Investoren in Zeiten der Wohnungsknappheit und dem Bewahren von historisch wertvoller Bausubstanz gibt es allerdings nicht nur in Landshut.

Von Hans Kratzer, Landshut

In der Landshuter Altstadt begegnet dem Flaneur auf Schritt und Tritt das Mittelalter. Im Gegensatz zu dem nach der Gotik stark umgekrempelten München sieht das Zentrum von Landshut noch fast so aus wie vor 500 Jahren. Das liegt daran, dass in der Barockzeit das Geld für neue Häuser fehlte und dass die Abrisspläne der Nachkriegszeit in letzter Minute verhindert wurden.

Heute sind die Landshuter froh über diese Zurückhaltung, die ihnen ein in ganz Europa bewundertes Stadtbild bewahrt hat. Natürlich nimmt der Denkmalschutz in einer mit wertvoller Bausubstanz reich gesegneten Stadt eine zentrale Position ein. Ebenso wird jedoch der Grundsatzstreit zwischen Bewahren und Erneuern im hochsensiblen Stadtraum mit ausdauernder Härte geführt.

Vor allem ein Gebäude ist dabei zum symbolischen, weit über Landshut hinausstrahlenden Brennpunkt des Denkmalschutzes geworden. Es handelt sich um den Moserbräu, vielen als der alte Wienerwald geläufig. Dieses prägende Gebäude in der Altstadt ist schon im alten Sandtner-Modell von 1571 zu erkennen, nun hat dessen Besitzer jedoch einen Abbruchantrag gestellt hat.

An diesem Freitag wird der Stadtrat entscheiden, ob dem Gesuch stattgegeben wird, in dem sich die Kernfragen des modernen Denkmalschutzes bündeln. Insofern steht der Moserbräu exemplarisch für den Zwiespalt zwischen den Interessen der Investoren in Zeiten der Wohnungsknappheit und dem Bewahren von historisch wertvoller Bausubstanz.

Wer sich in Landshut umhört, weiß, dass ein Abriss in der Bevölkerung durchaus Unterstützer fände: "Was wollts denn mit dem alten Graffl, reißt es doch endlich weg!", lautet eine Standardaussage. Es ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, dass der Moserbräu von außen einen eher tristen Eindruck macht. Er ist wahrlich kein architektonisches Schmuckstück mehr. Die Fassade ist heruntergekommen, der Putz bröckelt, das Dach wirkt brüchig, kurzum: Dieses Gebäude ist viele Jahre lang vernachlässigt worden.

Aus der Sicht der Denkmalschützer ist hier aber noch lange nichts verloren. Gutachten zeigen, dass die Substanz des Gebäudes grundsätzlich erhaltungsfähig ist. "Der Moserbräu ist kein Extremfall", sagt Generalkonservator Mathias Pfeil vom Landesamt für Denkmalpflege. "Solche alten Häuser sind oft nicht so stark beschädigt, wie sie aussehen, aber sie repräsentieren eine jahrhundertealte Tradition."

Viele Bürger setzen sich für die alten Gemäuer ein

Die Kernfrage lautet also: Was darf in einem herausragenden historischen Baubestand verändert werden? Hin- und hergerissen zwischen Modernisierung und Denkmalerhalt, haben die Landshuter in der Vergangenheit durchaus schon radikale Neubau-Lösungen gewagt. Viel hätte nicht gefehlt, und man hätte in den 1960er-Jahren eine Straße quer durch das Zentrum geschlagen.

Es bedurfte eines Mahners in Gestalt des Filmemachers Dieter Wieland, damit die Landshuter ein Bewusstsein für ihre Stadtlandschaft entwickelten. Wieland, der in diesem Jahr den Lessing-Preis für Kritik erhalten hat, drehte 1973 einen wegweisenden Film über Landshut, in dem er die Zerstörungen anprangerte und kritisierte, die pseudogotischen Neubauten verwandelten die Stadt in ein Architektur-Disneyland.

Ein Teil der Bürgerschaft setzt sich seither nach Kräften für den Erhalt der Denkmäler ein. Die Initiative "Freunde der Altstadt" und der Bauunternehmer Johann Eller, der Besitzer des Moserbräu, führen seit Jahren einen Streit, in den sich auch das Landesamt für Denkmalpflege eingeschaltet hat. Eine Einigung auf Basis eines neutralen Gutachtens ist nicht zustande gekommen. Die Positionen klaffen weit auseinander. Eller sagt, es seien nur 20 Prozent des Gebäudes denkmalgerecht zu erhalten, das vom Denkmalamt initiierte Gutachten geht von 70 Prozent aus.

Auch der Landesdenkmalrat hat sich in den Streit eingeschaltet. Immerhin zählt der Moserbräu in seinem Kern zu den ältesten Gebäuden in Landshut. Einst stand er am Eingang zum alten jüdischen Viertel. "Es ist eine Stelle von besonderer Bedeutung, der dahinterliegende Dreifaltigkeitsplatz hat eine große Historie, und dieses Gebäude markiert sie", sagt Mathias Pfeil. Allerdings ist das Haus schon öfter umgebaut worden, etwa im Jahr 1830.

Besitzer Eller bemüht sich schon seit 20 Jahren um eine Baugenehmigung. Die Altstadtfreunde werfen ihm vor, er habe das Anwesen seit 1990 planmäßig verfallen lassen. Seine Baupläne kämen einer Totalzerstörung des Denkmals gleich. "Dazu sagen wir Nein!", lautete der Standpunkt des Denkmalamts. Gerhard Tausche, der Stadtheimatpfleger von Landshut, hält die Fokussierung auf den Moserbräu trotz allem für falsch. "Es gäbe so viele andere Projekte in Landshut, über die man diskutieren müsste", sagt er. Insgesamt sieht er Landshut zu Unrecht an den Pranger gestellt. "Andere beneiden Landshut um seinen Denkmalschutz", sagt er, "doch es wird so getan, als spiele der Denkmalschutz hier keine Rolle."

Trotzdem ist der Moserbräu ein Präzedenzfall. Denn es geht um die Frage, wie weit ein Investor in einem Denkmal-Ensemble gehen darf. "Würde der Moserbräu abgerissen, wäre das ein schwerer Schlag für den Denkmalschutz in Bayern", sagt Mathias Pfeil. "Ein solcher Fall wäre beispielgebend für viele andere Häuser." Der Landshuter Stadtrat trifft deshalb eine politische Entscheidung, die für den Denkmalschutz weitreichende Bedeutung hat.

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