Landmaschinen unter Wasser:Der bange Blick auf das Regenradar

Unwetter in Bayern

Ungläubig blicken die Bewohner eines Hofs im oberbayerischen Polling hinüber zu ihrer Scheune.

(Foto: Hildenbrand/dpa)

Schon zum zweiten Mal in einer Woche füllen Menschen im Kreis Weilheim-Schongau Sandsäcke - dieses Mal trifft es Polling

Von Matthias Köpf, Polling

Die Menschen in Peißenberg sind langsam erschöpft. Erst eine Woche zuvor musste die Feuerwehr an die 150 Keller auspumpen, und kaum hatten die Peißenberger ihre Keller ausgeräumt und aufgewischt, da kam am Freitag erneut der Regen und mit ihm das Wasser vom Hohenpeißenberg. Allerdings waren sie diesmal vorbereitet, deshalb traf es da nur zwei Dutzend Häuser. Und jetzt, am Sonntagvormittag, stehen sie schon wieder seit Stunden im Bauhof, um Sandsäcke zu füllen. Am Nachmittag soll wieder eine Gewitterzelle über das Oberland ziehen. An vielen Orten ist die Feuerwehr unterwegs, pumpt hier und räumt da den von einem Hang gespülten Dreck von der Straße. Alle fragen sich, wen es diesmal erwischt. Gerade ist es ein Dorf ganz in der Nähe. "Polling ist abgesoffen", sagt ein Feuerwehrmann.

Dort, nur ein paar Kilometer weiter, ist an diesem Morgen der meiste Regen niedergegangen. Es war viel mehr als der Tiefenbach und der Russengraben, der vor 70 Jahren in mittlerweile viel zu enge Rohre gezwängte wurde, aufnehmen können. An der Engstelle beim Pollinger Kloster staut sich das Wasser. Die braune Brühe strömt teilweise mehr als kniehoch durchs Unterdorf, Wohnhäuser und Bauernhöfe stehen im Wasser, die Keller laufen voll, teilweise wird auch im Erdgeschoss der Boden nass. Doch bisher halten die Dämme des Tiefenbachs, dessen von den Mönchen einst künstlich angelegtes Bett stellenweise höher liegt als die Straßen drumherum.

In dem 3500-Einwohner-Dorf Polling sind keine Menschenleben in Gefahr, und auch wirtschaftliche Existenzen stehen nicht auf dem Spiel. Einige Maschine sind im Wasser verschwunden, und manchen Bauern treibt das Brennholz davon. Für die betroffenen Pollinger ist all das aber durchaus eine Katastrophe, und aus Sicht des Landratsamts in Weilheim ist es das auch. Um 9.38 Uhr ruft Landrätin Andrea Jochner-Weiß also in aller Form den Katastrophenfall aus. Die örtlichen Feuerwehren sind aber ohnehin längst im Einsatz, manche seit Tagen wie die in Peißenberg. Jetzt kommen auch noch Kollegen aus den Nachbarlandkreisen Garmisch-Partenkirchen und Bad Tölz-Wolfratshausen hinzu, insgesamt sind bald 42 Feuerwehren in Polling. Viele der 670 Helfer kommen auch vom THW, das bis aus Dachau, Pfaffenhofen, Ausburg und Sonthofen Mannschaften und vor allem Pumpen herbeischafft.

Die Menschen in Polling sind unterdessen entweder rastlos am Arbeiten, oder sie verfolgen gefasst, was da mit ihrem Dorf passiert. An die 500 von ihnen sind mit ihren eigenen Häusern von der Flut betroffen. Das Rote Kreuz kann sich aber darauf beschränken, die anderen Helfer mit Essen und Getränken zu versorgen. Für den Überblick sorgt die Bergwacht aus Penzberg, die über eine Drohne mit Kameras verfügt.

Am Mittag stehen am Ortseingang die Lastwagen mit den Sandsäcken Schlange, die hinunter an den Tiefenbach dirigiert werden müssen. Die Pollinger selbst füllen am Sportplatz weitere Säcke. Ganz neu ist so ein Hochwasser für sie nicht, doch so heftig ist es seit 1979 nicht mehr gekommen, sagt Bürgermeisterin Felicitas Betz. Wie heftig es in diesen Tagen noch kommen wird, ist die Frage im Oberland. Am Nachmittag beruhigt sich die Lage in Polling erst einmal, das Landratsamt hebt den Katastrophenfall auf, und auch die Peißenberger scheinen nicht das dritte Mal binnen einer Woche ihre Keller auspumpen zu müssen. Die Polizei gibt die Bundesstraße 472 zwischen Peißenberg und Oberhausen wieder für den Verkehr frei, die erst selbst wegen Überflutung und dann zugunsten des Sandsacktransports gesperrt worden war. Doch der bange Blick auf das Regenradar bleibt.

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