Landgericht:Mord oder Totschlag

Beginn Mord-Prozess im 'Fall Rebecca'

Der Mann, der seine Geliebte umgebracht haben soll, wurde in Handschellen vorgeführt.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Im Prozess um die Tötung der schwangeren Rebecca weist der Angeklagte jeglichen Vorsatz von sich. Er habe aus dem Affekt heraus gehandelt

Von Katja Auer, Aschaffenburg

Auf dem Heimweg hat der Mann noch Blumen gekauft, einen Strauß für 22 Euro. Für seine Ehefrau Christina, sie hatte am nächsten Tag Geburtstag. Vorher, an jenem Nachmittag im Mai, hatte er in einem Waldstück bei Aschaffenburg die 24-jährige Rebecca erdrosselt. Das räumt der 32-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht Aschaffenburg ein, wo er sich wegen Mordes in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch verantworten muss. Mit Rebecca starb ihre ungeborene Tochter, wenige Tage darauf hätte sie zur Welt kommen sollen. Ihr mutmaßlicher Mörder war ihr Vater.

In der Anklageschrift klingt es nach einer kaltblütig geplanten Tat und nach einem klaren Motiv. Der Lkw-Fahrer und Rebecca kannten sich seit ein paar Jahren, gelegentlich hatten sie Sex miteinander. Heimlich, seine Ehe wollte der Mann nicht gefährden. Dann wurde Rebecca schwanger. Die junge Frau wollte das Kind bekommen, und das soll ihr Todesurteil gewesen sein. Zusammen mit einem Kumpel, der nun der Beihilfe angeklagt ist, soll der 32-Jährige die Tat geplant haben. Offiziell waren die beiden im Fitness-Studio, so sollte es der Freund bezeugen, als der Angeklagte Rebecca unter einem Vorwand in ein Waldstück an der Autobahn lockte. Klebeband, Kabelbinder und ein Spannbetttuch hatte er dabei. Er erdrosselte die junge Frau und versteckte ihre Leiche in einer Garage. Dann brachte er seinem Kumpel das geliehene Auto zurück und fuhr nach Hause zu seiner Familie.

25 Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt und 77 Zeugen geladen. Das verwunderte zunächst, da beide Angeklagten bei der Polizei ein Geständnis abgelegt hatten. Am ersten Prozesstag wird allerdings klar, dass es verschiedene Versionen der Geschichte gibt. Und in jener des mutmaßlichen Mörders hört sie sich nicht mehr nach Mord mit Kalkül an, sondern nach Totschlag mit Blackout.

Das "vollumfängliche Geständnis", das der Angeklagte seinen Verteidiger verlesen lässt, klingt über lange Strecken larmoyant. Sein Mandant habe sich wegen seiner Untreue nicht wohl gefühlt, sagt der Anwalt, schließlich hatte er inzwischen seine langjährige Freundin geheiratet, 2012 war der gemeinsame Sohn geboren worden. Aber er habe sich Rebeccas "forderndem Verhalten" nicht entziehen können. Er habe sich ihr "ausgeliefert und unterlegen" gefühlt. Der Mann stellt sich als Opfer dar, da schüttelt Rebeccas Mutter nur den Kopf. Als ihm die junge Frau von der Schwangerschaft berichtet habe, sei er vollkommen schockiert gewesen. Er sah seine Ehe gefährdet, wusste, dass mit dem Kind alles herauskommen würde.

An jenem Tag im Mai habe er mit Rebecca reden wollen, auf neutralem Boden, deswegen sei er mit ihr in den Wald gefahren. Dort sei sie "normal und überraschend nett" gewesen, aber dann habe sie wieder Geschlechtsverkehr gewollt. Die Stimmung sei gekippt, die beiden gestolpert, Rebecca habe geschrien, und da habe er einen Blackout gehabt. Er habe sie gewürgt, als sie sich nicht mehr bewegte, da habe er ihr einen Kabelbinder um den Hals gelegt und zugezogen.

Der 32-Jährige - er ist inzwischen geschieden - trage schwer an seiner Schuld, sagt der Anwalt, er habe schon mehrmals versucht, sich das Leben zu nehmen. In der Justizvollzugsanstalt ist er in der psychiatrischen Abteilung untergebracht. Er lässt die Eltern von Rebecca um Verzeihung bitten. Die lehnen ab. Als die Frau vor fast einem Jahr nicht im Kindergarten aufgetaucht war, um ihren dreijährigen Sohn abzuholen, da lief schnell eine Suchaktion an. Freunden kam das seltsam vor, Rebecca war im neunten Monat schwanger und galt als zuverlässig. Wo sollte sie denn geblieben sein? Auch die Polizei sei gleich intensiver in die Ermittlungen eingestiegen als sonst bei Vermisstenfällen üblich, sagt ein Kriminalbeamter vor Gericht. Es war klar, dass Rebecca etwas passiert sein müsste.

Der Vater ihres ungeborenen Kindes rückte bald in den Fokus, doch anfangs habe er glaubhaft jeden Verdacht geleugnet, sagt der Polizist. Er habe Blickkontakt gehalten, nicht gezittert, klare Sätze formuliert. Ein paar Tage später sah das anders aus. In einem Video, in dem die Polizei die Tat mit dem Angeklagten nachstellte, sieht man einen zittrigen Mann, der sich die Hände vor das Gesicht schlägt und dem die Stimme bricht.

Auf die Idee mit dem Mord habe ihn überhaupt erst sein Kumpel gebracht, lässt er seinen Anwalt noch sagen. Der habe seine Hilfe angeboten, wollte die Leiche entsorgen. Dieser allerdings bestreitet das: Der 26-Jährige will von den Mordplänen nichts gewusst haben. Er habe Rebecca gar nicht gekannt, nur einmal gesehen, lässt er seinen Verteidiger verlesen. Von einem Alibi für einen Mord sei nie die Rede gewesen. Erst als Rebecca schon tot gewesen sei, habe ihn der Ältere gebeten, die Leiche zu entsorgen. Das habe er abgelehnt. Das Auto, ja, das habe er ihm geliehen. Weil er dachte, dass sich der Kumpel mit Rebecca aussprechen wolle. Aber "nicht im Entferntesten habe ich daran gedacht, dass er Rebecca töten wollte." Das habe er dem Freund auch gar nicht zugetraut, nie habe er ihn gewalttätig erlebt. Und er selbst sei "allein wegen meiner Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft in die Sache reingezogen" worden. Der Prozess wird fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: