Landesvorsitzender:Als AfD-Chef Bystron noch von Multikulti schwärmte

AfD-Landesparteitag Bayern

Petr Bystron gilt als einer der Musterkandidaten für Rechtsausleger in der neuen AfD-Fraktion.

(Foto: dpa)

Wie der Mann, der heute Angst vor "Überfremdung" schürt, vor 20 Jahren über den Alltag mit seinen ausländischen Mitbewohnern plauderte.

Von Johann Osel

"Ran an die Arbeit - Probleme sind nur dornige Chancen!" Vor 20 Jahren lautete so das Motto eines 18-jährigen, strubbelhaargegelten Gymnasiasten namens Christian Lindner, der heute FDP-Chef ist. Vor der Bundestagswahl war das Video aus einer Sendung der Deutschen Welle von 1997 aufgetaucht, als Blutjungunternehmer machte Lindner damals auf dicke Hose - sein Metier waren Marketingkonzepte für Firmen.

Das Outfit: Anzug, Aktenkoffer, Kuhflecken-Krawatte. Während Mitschüler fürs Abitur büffelten, fuhr er mit einem geliehenen Mercedes auf dem Schulhof seiner Heimatstadt Wermelskirchen vor. Irgendwie peinlich. Womöglich hat der Archivfund dem FDP-Mann aber sogar genützt: Man könnte es schließlich putzig finden, und Neunzigerjahre-Nostalgie herrscht eh gerade. Hätte von einer solchen Reise in die Vergangenheit auch Bayerns AfD-Chef Petr Bystron profitiert? Eine Art Pendant zum alten Lindner-Video hat die SZ nun aufgespürt.

Ebenfalls aus dem Jahr 1997 stammt ein Beitrag über ihn aus dem SZ-Jugendmagazin Jetzt - erst im Archiv entdeckt nach der Wahl, die Bystron zum Bundestagsabgeordneten machte. Es geht um Freunde und um die Liebe, es menschelt extrem. Der heutige AfD-Politiker polarisiert dagegen: Weil er vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nachdem er seine AfD als parlamentarisches "Schutzschild" für die islamfeindlichen Pegida-Pöbler definiert hat sowie für die als rechtsextremistisch eingestufte "Identitäre Bewegung"; weil er die ehemals fast nur an Euro-Kritik orientierte AfD in Bayern stetig nach rechts rückte - Flüchtlinge als einziges Thema; weil er politischen Beobachtern als einer der Musterkandidaten gilt für Rechtsausleger in der neuen AfD-Fraktion. Bystron selbst sagt: "Wenn man ständig versucht, aus mir einen Rechtsextremisten zu machen, ist das lächerlich oder vielmehr beängstigend." Bei den Grünen gebe es Abgeordnete, die offen linksextremistische Gruppen unterstützten. "Das ist die größere Gefahr."

Nun ins Jahr 1997: Bystron, der Ende der Achtziger als Bub mit den Eltern aus der Tschechoslowakei nach Deutschland geflohen war, kam laut Bericht von Delmenhorst nach München, wo er an der Hochschule für Politik studierte. Mit einem Freund gründete der 25-Jährige eine Werbeagentur. Der junge Bystron strahlt übers ganze Gesicht. Die 20 Jahre seitdem haben ihn übrigens kaum altern lassen. So strahlend hat man ihn aber in letzter Zeit nur am Wahlabend gesehen, als die AfD in Bayern zwölf Prozent einfuhr. Im Wahlkampf blickte er oft grimmiger.

Im Text vor zwei Jahrzehnten geht es um die Agentur, um die Freundschaft mit dem Kompagnon. Und um die Liebe - was Jugendmedien eben gern thematisieren. "Wichtiger als Mädchen" heißt die Überschrift, es sind Protokolle der beiden Mittzwanziger. "Wenn zwei das gleiche Mädchen lieben, ist das eigentlich nicht die beste Voraussetzung für den Beginn einer Freundschaft. Aber bei uns war das damals der Fall", plauderte der junge Bystron.

So sei eine gewisse Ilona gleichzeitig mit beiden liiert gewesen - die Freundschaft sei aber dennoch gewachsen. Ein großes Plus des Kompagnons sei dessen Oma gewesen, heißt es im Bericht, diese schicke einmal im Jahr eingemachten Grünkohl aus dem Norden. "Und weil wir oft ausländische Mitbewohner bei uns haben", so Bystron, "kennt man Kohl und Pinkel jetzt sogar schon in Korea."

Ist das der Mann, der heute auf allen Kanälen die Angst vor "Überfremdung" schürt? Was sagt Bystron zum jungen Petr und dessen Liebe zum Multikulti-Grünkohlessen? Er amüsiert sich erst mal über die alte Geschichte und lacht, klingt dann aber schnell ernst: "Natürlich ist keiner nach 20 Jahren derselbe. Aber man sieht, was für ein Trugschluss es ist, mich ausländerfeindlich zu nennen." Er sei "nicht gegen Ausländer an sich, sondern gegen den Missbrauch der Asylpolitik".

Als Chef der AfD-Landesgruppe in Berlin wollte er sich nicht wählen lassen. Das wurde unlängst der bayerische Spitzenkandidat Martin Hebner, der sich bei der Listenaufstellung im Mai auf Platz eins gegen Bystron durchsetzte; der Landesvorsitzende kam nur auf Rang vier, der aber klar reichte für den Bundestag. Dort will er sich thematisch Europa und der Außenpolitik widmen. Wichtig sei ihm "knallharte Oppositionspolitik". Vielleicht gar wichtiger als Mädchen.

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