Landesverband:Vor Mitgliederbefragung: Viel Misstrauen in der Bayern-SPD

Natascha Kohnen

Die Generalsekretärin der bayerischen SPD, Natascha Kohnen.

(Foto: dpa)
  • Im SPD-Landesverband hat sich ein Klima der gegenseitigen Verdächtigungen breit gemacht.
  • Unter anderem kam es zu Aufregung um den Ablaufplan der SPD-Mitgliederbefragung.

Von Lisa Schnell

Da ist etwa das Eintreffen von Natascha Kohnen beim Bezirksparteitag der Oberbayern. Die Generalsekretärin der SPD kommt zu spät, erst kurz nachdem der langjährige Bezirkschef Ewald Schurer abgewählt wurde, betritt sie den Saal. Sie erzählt von einem ICE, der stehen geblieben ist, von einer S-Bahn, die nicht kam.

Wirklich? Einige Genossen können das gar nicht glauben. Schließlich ist Kohnen eine von sechs Kandidaten, die sich für den Landesvorsitz bewerben. Was ihre Verspätung damit zu tun hat? Man weiß es nicht genau, aber weiß man denn, dass sie nichts damit zu tun hat?

In der SPD werden derzeit die kleinsten Details genauestens studiert. Alles, alles könnte mit der diesen Donnerstag endenden Mitgliederbefragung zum Landesvorsitz zusammenhängen. Kohnen trug beim Bezirkstag eine gemusterte Bluse in Gelb. Nähert sie sich der FDP an?

Was hat es zu bedeuten, dass ihr Konkurrent Florian von Brunn kurz vor der Wahl den Saal verließ? Und warum trägt Kandidat Markus Käser eigentlich immer diesen blauen Strickpulli? Auch das ist, genauer betrachtet, eigentlich sehr verdächtig. Man würde sich nicht wundern, wenn einige demnächst auch die Kondensstreifen von Flugzeugen in die eine oder andere Richtung interpretieren würden.

Neben den Deutern beschäftigt sich noch ein anderen Typ in der SPD sehr intensiv mit dem Basisvotum: der Wahlbeobachter. Jedem Hinweis, der auf eine mögliche Ungerechtigkeit hindeuten könnte, wird nachgegangen. Etwa bei den Pressemitteilungen, die von der Parteizentrale verschickt werden. Welcher Kandidat wird wie oft erwähnt? Manch einer stellt ein Ungleichgewicht fest, das meist genau den Kandidaten begünstigt, für den man selbst nicht ist.

Auch sonst kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommene Schriften werden penibel studiert, wie etwa ein Newsletter der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Die spricht sich für die einzige Frau unter den sechs Kandidaten aus. Mancher mag das nicht verdächtig finden, andere meinen scharf zu erkennen: Zwei X-Chromosome sind noch keine politischen Inhalte.

Große Aufregung um den Ablaufplan der Mitgliederbefragung

Nicht unwichtig - da dürften sich auch die weniger skeptischen in der SPD einig sein - ist die Frage, wie die Stimmen diesen Freitag ausgezählt werden. Schließlich gab es schon Fälle wie bei einer SPD-Mitgliederbefragung in Hamburg, wo auf einmal fast 1000 Stimmzettel fehlten.

Auch deshalb zeigten sich einige besorgt über einen internen Ablaufplan. Demnach sollten die Postkästen am Donnerstagabend in einem Geschäft unter der Parteizentrale am Münchner Oberanger gelagert werden. Wie sie gesichert sind, stand dort nicht. Die Wahlbeobachter waren alarmiert, in ihren Köpfen wohl Wahlbetrugsszenarien wie in Weißrussland.

Kurz gab es große Aufregung, dann aber die Entwarnung aus der Parteizentrale: Ein Notar wird die Ankunft der Stimmzettel bezeugen, den Raum verschließen und sogar versiegeln. Jeder Kandidat kann einen Ombudsmann benennen, der die Auszählung beobachten soll. Anders als von manchem Skeptiker vermutet, habe man dies nicht erst beschlossen, nachdem Bedenken geäußert wurden. "Wir wussten von Anfang an, dass Misstrauen stärker ist als sozialdemokratische Freundschaft", sagt ein Mitarbeiter. Welches Auto der Notar fährt und ob den Helfern Leberkäs oder Wiener serviert werden, sagte er nicht. Informationen, die für manche sicher noch wichtige Hinweise gegeben hätten.

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