Landespolitik:Wer wird wann was in der CSU?

Sitzung Kabinett in Bayern

Markus Söder gilt als Horst Seehofers stärkster Herausforderer.

(Foto: dpa)

Nach dem Scheitern in Berlin will sich Parteichef Seehofer am Donnerstag in Fraktion und Vorstand erklären. Der Machtkampf um den Führungsanspruch in Bayern ist in vollem Gang.

Von Wolfgang Wittl

Kaum ein Tag vergeht in der CSU, an dem Finanzminister Markus Söder nicht sagt, er reiche die Hand. Gemeint ist eine gemeinsame Lösung mit Horst Seehofer, die ihn, Söder, als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 vorsieht - als dann bereits amtierenden Ministerpräsidenten, der Seehofer vorzeitig abgelöst haben wird. Und siehe da: Am Montag kam aus der Parteizentrale eine große Handreichung. Allerdings nicht in der Form, wie Söder sich das gewünscht haben dürfte.

Unter der Rubrik "Topaktuell" verschickte die CSU-Spitze ein zweiseitiges Schreiben an die Mitglieder über das Scheitern der Sondierungsgespräche in Berlin. "Seehofer: CSU hat alles Menschenmögliche getan", ist das Papier überschrieben. "Auch in der schwierigen Frage der Zuwanderung (. . .) wäre eine Einigung möglich gewesen", schreibt Seehofer: "Das hätte uns ermöglicht, eine Antwort auf das Wahlergebnis zu geben, nämlich die Polarisierung in der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden und politisch radikale Kräfte zurückzudrängen."

Aufgelistet sind ferner alle Themen, in denen sich die CSU durchgesetzt habe. "In einem Koalitionsvertrag wären alle wichtigen Punkte des Bayernplans enthalten gewesen." Die CSU habe in den Sondierungen "sehr viel erreicht". Mandatsträger werden in dieser E-Mail aufgefordert, den Brief an Mitglieder weiterzuleiten, zu Pressemitteilungen zu verarbeiten und in Vorstandsrunden zu verbreiten.

Es gehe darum, "die möglichen Erfolge von Seehofer zu preisen", sagt einer, der das Schreiben bekommen hat. Der Kampf um die Deutungshoheit ist also in vollem Gang: auf der einen Seite Seehofer, der seine hohe Verhandlungskunst und damit die eigene Unverzichtbarkeit herausstellt; auf der anderen die Kritiker, die seinen (Teil-)Rückzug fordern. Einer spricht von "Phantom-Erfolgen", sagt sarkastisch: "Das reißen uns die Leute aus der Hand! Jubel nach einem Abseitstor!"

"So geht es weiter", steht am Ende des Schreibens. Skizziert wird ein Ausblick auf mögliche Gespräche mit der SPD oder Neuwahlen. Auf die für die CSU einzig interessante Frage, wie es personell weitergehen soll, gibt es keine Antwort. Die erhoffen sich Söders Leute am Donnerstag, wenn Seehofer vor die Gremien tritt: Mittags will er der Landtagsfraktion berichten, wo seine größten Gegner und Söders meiste Fürsprecher sitzen.

In der Telefonkonferenz mit der Parteispitze am Montag hatte Seehofer dem Vernehmen nach angekündigt, er werde für eine "Selbstzerfleischung nicht zur Verfügung stehen". Dies wurde gleich so interpretiert, als werde der Ministerpräsident den Gang vor die Fraktion meiden. Dem ist mitnichten so. Doch das, was Söders Freunde hören wollen, werden sie wohl nicht zu hören bekommen.

Die Rolle möglicher Neuwahlen

Der Finanzminister möchte die Personalfragen mit Blick auf die Landtagswahl beantwortet haben. Zuerst müsse geklärt werden, wer 2018 in die für die CSU wichtigste Wahl ziehe, sagen seine Freunde. Sie denken dabei natürlich an Söder. Alles weitere - Spitzenkandidatur für eine mögliche Neuwahl im Bund oder auch Parteichef - soll nebenbei geklärt werden. Seehofer will den umgekehrten Weg gehen, nämlich: "Wie wappnen wir uns für eine Neuwahl?"

Das habe höchste Dringlichkeit, weil mögliche Neuwahlen im Bund vor der Landtagswahl stattfänden und sich daraus alles Weitere ableite. Es habe keinen Sinn, schon jetzt das ganze Paket festzuzurren, wenn die Bundestagswahl alles wieder ändern könne. Das habe man ja am 24. September erlebt. Seehofers Kalkül könnte sein: Söder hat nicht das geringste Interesse, in die Bundespolitik hineingezogen zu werden. Damit könnte er den Rivalen also ausbremsen.

Söders Lager dürfte indes bereits in der Fraktionssitzung am Donnerstag versuchen, Seehofer in eine Personaldebatte zu zwingen. Seehofer wird seine Kritiker vermutlich mit dem Hinweis abperlen lassen wollen, dass er seinen Vorschlag dem zuständigen Gremium vorlegen will - am Abend im Parteivorstand. Dort hat er mehr Fürsprecher als in der Fraktion. Bis dahin wolle er sich mit seiner Familie beraten. Ob das reicht?

Mehrere der mächtigen CSU-Bezirkschefs erwarten, dass Seehofer noch vor Donnerstag das Gespräch mit ihnen sucht. Zu groß sei die Unruhe in ihren Verbänden, als dass sie eine einsame Entscheidung des Chefs hinnehmen wollten. Am Dienstag im Kabinett betonte Seehofer mehrmals, was die CSU in Berlin alles erreicht habe. Sehr ruhig, stabil und ausgeglichen habe der Chef gewirkt, berichten Teilnehmer, eine Debatte gab es nicht.

Söder wird bis Donnerstag schweigen, er wartet, was Seehofer im Vorstand vorlegt. Gemeldet hat sich dafür ein CSU-Deuter, der nicht immer Seehofers Zustimmung findet, in diesem Fall aber wohl doch. Der Politikprofessor Heinrich Oberreuter sprach von "Fake News", dass das Duell zwischen Seehofer und Söder bereits zugunsten des Franken gelaufen sei. Das Stillhalteabkommen, das Seehofer mit der Partei bis zum Ende der Sondierung vereinbart habe, sei "von Söders Lager permanent unterlaufen worden", sagte Obereuter dem Münchner Merkur.

"Mit dem abenteuerlichen Ergebnis, dass es in der öffentlichen Diskussion schon als Tatsache gilt, jede Kandidatur gegen Söder sei aussichtslos und Seehofer habe keine Chance mehr." Oberreuter ist gespannt, was passiert, wenn sich nun auch Seehofers Lager nach der vereinbarten Friedenspflicht zu Wort meldet - und nicht nur jene, die sich von Söder "Förderung und Ämter erwarten".

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