Landespolitik:Kabinett beschließt milliardenschweres Programm für Wohnraum

Wohnungsbau

Eine halbe Million neue Wohnungen soll bis 2025 in Bayern entstehen.

(Foto: Sina Schuldt/dpa)
  • Die Staatsregierung hat ein Maßnahmenpaket für Wohnraum beschlossen.
  • 500 000 neue Wohnungen sollen bis zum Jahr 2025 entstehen - nicht nur in München.
  • Bayern verstärkt den eigenen Wohnungsbau - dazu wird die staatliche Gesellschaft "Bayernheim" gegründet.

Von Johann Osel

Ilse Aigner lobt die Arbeit der Staatsregierung überschwänglich, und dazu empfiehlt sie einen Blick aus dem Fenster. Draußen: plätschernder Regen, die pure Ungemütlichkeit, gleich wird es noch laut donnern und sogar Hagelkörnchen geben. Die Ministerin für Bauen und Wohnen meint aber die Sicht auf Teile des McGraw-Kasernengeländes, wie man es vom Fenster des Staatlichen Bauamts in München-Obergiesing aus sehen kann.

Da unten soll sich etwas tun, wie auch im ganzen Freistaat - durch ein Maßnahmenpaket für Wohnraum. Um es zu beschließen, hat die Staatsregierung am Dienstag ihre Sitzung im Bauamt abgehalten und danach die Ergebnisse präsentiert. Ein "Wohnungskabinett" sei das heute gewesen, sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Es dürfte "die größte Offensive" dieser Art seit Jahrzehnten sein, man habe weit mehr als eine Milliarde Euro auf den Weg gebracht.

Gerade mal 13 Prozent der Bürger sind laut Bayerntrend des BR-Politikmagazins "Kontrovers" mit der Regierung zufrieden, wenn es um die Frage des bezahlbaren Wohnraums geht. Es droht da ein heikles Wahlkampfthema für die CSU. Schon nach Söders Regierungserklärung hatte die SPD-Chefin Natascha Kohnen ihre Erwiderung dem "Versagen" der CSU in der Wohnungspolitik gewidmet. Ein Thema also, das es abzuräumen gilt. "Bauen, bauen, bauen!" sei die Devise, heißt es am Dienstag. Söder gibt als Ziel 500 000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2025 aus - noch vor der Landtagswahl soll etwas von dem Aufbruch spürbar sein. "Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Wir brauchen bezahlbare Wohnungen im ganzen Land." Ein neuer "Werkzeugkasten" soll nun Schwung beim Bauen bringen, ein "wuchtiges Programm", wie Aigner sagt.

Allem voran verstärkt Bayern den eigenen Wohnungsbau. Dazu wird die staatliche Gesellschaft "Bayernheim" gegründet. Um rasch Bauland zu gewinnen, werde bald der gesamte Grundstücksbestand überprüft. Zudem will man auf andere Eigentümer wie den Bund zugehen. Allein diese Gesellschaft soll 10 000 Wohnungen bis 2025 bauen. Exponiertes Beispiel ist eben das elf Hektar große McGraw-Gelände, das dem Freistaat gehört.

Angedacht ist, dort ein neues Stadtquartier mit bis zu 1000 Appartements und Wohnheimplätzen, etwa für Pfleger oder Erzieher, zu entwickeln. Für "Menschen, die sich nicht auf dem freien Markt bedienen können", wie es Aigner nennt. Für den Osten des Areals laufen demnach Gespräche mit der Stadt München zur Vorbereitung eines Architektenwettbewerbs - eine "Art Bavarian City" schwebt Söder vor. Das wird alles wohl dauern: Bei einer Halle, in der die Polizei derzeit Fahrzeuge und Absperrgitter lagert, ist etwa der Denkmalschutz zu beachten.

Familien sollen gefördert werden

Zweiter Aspekt des Pakets sind Förderungen: Familien will die Regierung beim Bau oder Kauf eines Zuhauses helfen. Mit einem bayerischen "Baukindergeld Plus" stockt sie das Baukindergeld des Bundes in Höhe von 1200 Euro um 300 Euro (je pro Kind und Jahr) auf - über einen Zeitraum von zehn Jahren. Eine landeseigene Eigenheimzulage kommt dazu. Eine Familie mit zwei Kindern könne somit über einen Zeitraum von zehn Jahren 40 000 Euro erhalten, rechnet Söder vor. Details beider Programme werden derzeit erarbeitet. Die ersten Auszahlungen sollen noch im September erfolgen, im Monat vor der Landtagswahl. Profitieren sollen jedoch nur Bürger, die jetzt schon in Bayern leben - es sind also keine Lockprämien für Auswärtige.

Der Werkzeugkasten ist breit, einige Beispiele: Für staatliche Wohnungen will man fünf Jahre auf Mieterhöhungen verzichten; 150 Millionen Euro jährlich sollen Städte und Gemeinden erhalten, um Neubauten anzukurbeln; zudem sollen Kommunen für die Wiederbelebung von Ortskernen Geld abrufen können; Baugenehmigungen sollen - zunächst mancherorts als Pilotprojekt - digital laufen, damit Handwerker rascher anrücken. Man habe, so Söder, "ausgereizt, was geht, um das Thema zum prioritären Thema zu machen".

Trotz aller Wuchtigkeit des Werkzeugkastens - aus der Opposition kommt Kritik. "Endlich ist die CSU aus ihrem wohnungsbaupolitischen Dornröschenschlaf erwacht", sagt zwar der Bauexperte der Freien Wähler, Thorsten Glauber. Sie seien allerdings "bei Weitem nicht ausreichend" angesichts der Zielmarke von einer halben Million Wohnungen. Vergessen habe die CSU den ländlichen Raum, dort müssten moderne, kleine Wohnungen für junge Menschen entstehen, "um deren Migrationsdruck in die Metropolregionen zu bremsen".

"Bayernheim" muss erst eine Bleibe finden

Ein Vorschlag sei, dass Landwirte Bauland steuerfrei aus dem Betriebsvermögen entnehmen können, wenn darauf Mietwohnraum entstehe. Bei den Grünen hieß es: "Schöne Ankündigungen, aber es fehlt ein kleines, aber entscheidendes Wort: sozial." Jürgen Mistol, Sprecher der Fraktion für Kommunales und Wohnen, sieht einen Fokus auf Eigentumserwerb - für ihn "die falsche Strategie". Die Zielmarke erinnert ihn zudem an frühere "Ankündigungen".

Nicht in ein, zwei Wochen sei das Thema Wohnen abzuarbeiten, aber man gehe "große Schritte", meint Söder. Schnell geht die Gründung der "Bayernheim". Deren Amtssitz wird nahe der Staatskanzlei angemietet. Dort sollen im Juli 20 Mitarbeiter die Arbeit aufnehmen. Ein Journalist fragt bei der Pressekonferenz: Wäre eine Wohngesellschaft nicht besser in einer Gegend aufgehoben, wo tatsächlich Menschen wohnen, ein bodenständigeres Quartier? Es sei "ja keine große Liegenschaft mit Riesenbüros", antwortet Aigner. Auch müsse man schauen, überhaupt schnell Passendes zu kriegen. Der Münchner Mietmarkt eben.

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