Ländervergleich:Bayern schwächelt beim Artenschutz

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Einst war er eine Landplage, heute steht er auf der Roten Liste: Der Feldhamster ist in Bayern vom Aussterben bedroht. Doch beim Ranking der Umweltverbände liegt der Freistaat nicht nur aus diesem Grund ganz weit hinten.

Von Christian Sebald, München

Der Feldhamster zum Beispiel: Einst waren die possierlichen Tierchen mit dem auf der Oberseite gelbbrauen Fell eine solche Landplage, dass die Bauern klagten, sie könnten ihre Felder kaum noch bewirtschaften. Sogar Prämien für erlegte Tiere wurden ausgesetzt.

Der Feldhamster ist längst so selten, dass er auf der Roten Liste steht. Aber auch um Vogelarten wie den Ortolan, den Wendehals und den Wiesenpieper ist es immer schlechter bestellt. Und mit der Mond-Azurjungfer, einer filigranen, schwarz-blau gezeichneten Libellenart, werden die Artenschützer hierzulande demnächst eine weitere Tierart als verschollen in Bayern einstufen.

Für den Grünen-Politiker und aktiven Vogelkundler Christian Magerl ist das ein Skandal. "Es ist jetzt sechs Jahre her, da hat sich die Staatsregierung das ehrgeizige Ziel gesetzt, den dramatischen Artenschwund zu stoppen", schimpft Magerl, der Chef des Umweltausschusses im Landtag ist. "Seither ist praktisch nichts geschehen. Um die Artenvielfalt ist es so schlecht bestellt wie eh und je."

Der Freistaat zählt zu den Schlusslichtern

In seinem barschen Urteil kann sich Magerl auf das Länder-Ranking der Umweltverbände Nabu und BUND berufen. Danach zählt der Freistaat zu den Schlusslichtern in Deutschland. In Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und dem Saarland ist es sehr viel besser bestellt um den Artenschutz.

Im Freistaat gibt es ungefähr 80 000 Arten von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Flechten und Mikroorganismen. Aber nur 30 Prozent davon, also etwa 24 000 Arten, sind so gut erforscht, dass man weiß, wie es um sie steht und wie sich die Bestände entwickeln. Laut Experten sind knapp 10 000 Arten akut bedroht, das entspricht 40 Prozent der gut erforschten. Damit aber nicht genug. Weitere elf Prozent sind so dezimiert, dass sie unmittelbar vor der Aufnahme in die Rote Liste stehen.

Dabei will die Staatsregierung auch im Artenschutz Klassenprimus unter den Bundesländern sein. 2008 legte der Freistaat als einziges Bundesland eine eigene Biodiversitätsstrategie auf. Darin heißt es nicht nur, dass der Artenschwund in Bayern bis zum Jahr 2020 gestoppt werden solle. Bei den Rote-Listen-Arten solle alles dafür getan werden, dass sie sich auf der siebenstufigen Gefährdungsskala der Roten Listen um mindestens eine Stufe nach oben verbessern.

Die bisherigen Ergebnisse sind sehr ernüchternd. Zwar kann Umweltminister Marcel Huber (CSU) einige Erfolge melden. Den Wanderfalken, den Wiesenweihen und der Großen Hufeisennase geht es dank gezielter Hilfsprogramme inzwischen sehr viel besser als früher, womöglich kann die eine oder andere Art sogar wieder aus der Roten Liste entlassen werden.

"Natürlich ist jeder einzelne Erfolg wichtig", sagt Magerl. "Aber die 80 Artenhilfsprogramme, die wir hier in Bayern haben, sind für durchgreifende Erfolge viel zu wenig. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Staatsregierung nach ihren eigenen Zielen die Situation von ungefähr 5000 bedrohten Arten verbessern will."

Die Gründe dafür sind vielfältig. Die konventionelle Landwirtschaft mit ihrem massiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger ist einer, die Bauwut in Bayern - nach wie vor werden hierzulande gut 17 Hektar freie Landschaft täglich zubetoniert - ist ein anderer. "Aber auch die immer intensivere Bewirtschaftung der Wälder schädigt die Artenvielfalt", sagt Magerl.

"Die Staatsregierung ist nicht bereit, den Bauern, der Bauwirtschaft, den Kommunen mit ihren Begehrlichkeiten, und all den anderen Grenzen zu setzen, die der Natur tagein tagaus wieder ein Stück abknapsen." Auch Umweltminister Huber sagt offen, es sei "generell festzustellen, dass in der Normallandschaft die Artenvielfalt weiter abnimmt". In Schutzgebieten "bleibe sie hingegen eher stabil". Gleichwohl werden höchstens eines oder vielleicht zwei Naturschutzgebiete im Jahr ausgewiesen.

Stellenabbau beim Naturschutz

Und von dem Ziel der Bundesregierung, zehn Prozent der Staatswälder aus der Nutzung zu nehmen und unter strengen Naturschutz zu stellen, ist der Freistaat himmelweit entfernt. Forstminister Helmut Brunner (CSU) weigert sich strikt, es umzusetzen, wie der wüste Streit um das Schutzgebiet "Der Hohe Buchene Wald" im Steigerwald zeigt. Dabei zählen die Buchenwälder dort zu den schützenswertesten in Europa.

Aber das ist es nicht alleine. Die Staatsregierung machte von Anfang an klar, dass sie für ihre Artenschutz-Ziele weder zusätzliches Geld in die Hand nehmen, noch neue Planstellen einrichten will. Dabei klagen sie überall im Naturschutz, dass ihnen die Stellen gekürzt werden, wo immer es geht. Nur um die 300 Mitarbeiter zählt der amtliche Naturschutz in Bayern über alle Behördenebenen hinweg.

In der Straßenbauverwaltung kommt man auf 6500. Die Unteren Naturschutzbehörden an den 71 Landratsämtern kämpfen seit Jahren um etwa 20 Planstellen, damit sie wenigstens ihr Soll erreichen. Wenn es um Stellenabbau geht, ist stets der Naturschutz dran, klagen Insider. "Da braucht es einen nicht zu wundern, wenn nichts vorangeht", sagt Magerl. "Von ehrgeizigen Zielen allein kommen keine Erfolge."

© SZ vom 21.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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