Kunsthandwerk:Mittenwald lädt zum Geigenbauer-Wettbewerb

8. Internationaler Geigenbauwettbewerb

Beim Wettbewerb werden selbst feinste Details berücksichtigt.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Handwerker aus der ganzen Welt schicken ihre Instrumente zum großen Wettbewerb nach Mittenwald. Den Juroren kommt es auf Wärme und Seele des Instruments an.

Die Werkstatt ist voll mit diesem tiefen, warmen Klang, die Türen der Werkzeugschränke, die Griffe der Schraubstöcke und die Sitzflächen der einfachen Drehstühle vibrieren sanft mit. Auch Kerstin Feltz sitzt auf so einem Drehstuhl. Sie bricht ihr Cellospiel ab, öffnet die Augen und mustert die Reihe der 13 Bögen, die auf einer weiß-blau karierten Tischdecke vor ihr auf der Werkbank liegen. Dann greift sie sich den nächsten, spielt wieder die gleiche Tonfolge. Bewähren müssen sich die Bögen nicht in einer Werkstatt, sondern vor großem Publikum.

Aber der Bogen hier, sagt Kerstin Feltz, werde dieses leise Kratzen auch im Konzertsaal nicht verlieren. Der andere klingt besser, viel reicher an Obertönen. Sie sortiert die Reihe auf der Tischdecke neu, wie schon so oft. Genau darum geht es hier beim 8. Internationalen Geigenbauwettbewerb in Mittenwald, wo an diesem Samstag die besten Geigen, Bratschen, Celli und Bögen aus 25 Ländern ausgezeichnet werden.

Alle vier Jahre bittet der Markt Mittenwald die Geigenbauer in aller Welt um Wettbewerbsbeiträge und holt eine international besetzte Jury in der örtlichen Geigenbauschule zusammen. Die ist 1858 nicht zufällig in Mittenwald gegründet worden. Denn die Kunst des Geigenbaus wäre zu dieser Zeit hier fast an ihrem eigenen Erfolg zugrunde gegangen. In ganz Europa spielte man auf "Mittenwalderinnen", Bauern fertigten Teile im Winter in Heimatarbeit, fahrende Händler gingen mit den Instrumenten landauf, landab hausieren.

Doch in den Werkstätten im Ort wurden oft nur entweder die Hälse oder die Stege geschnitzt, entweder die Decken und Böden gesägt oder die Bögen gebaut oder lackiert. Nur wenige verstanden sich noch auf alle Facetten ihres Handwerks, das ein gewisser Mathias Kloz wohl um 1685 nach seiner Lehrzeit in Oberitalien in seinen Heimatort Mittenwald gebracht hatte. Die italienischen Instrumentenbauer, allen voran Amati, Stradivari und Guarneri del Gesù in Cremona hatten aus der alten Fidel die moderne Geige gemacht, und die Mittenwalder machten damit gute Geschäfte. Bis heute gibt es in dem 8000-Einwohner-Ort zehn Geigenbaubetriebe, darunter kleine Ein-Mann-Werkstätten und größere Manufakturen mit mehreren Meistern.

Im historischen Vorbild Cremona gibt es alle drei Jahre auch einen Geigenbauwettbewerb, den wichtigsten weltweit. In Mittenwald finden die Wettbewerbe alle vier Jahre statt, heuer in beiden Orten. Umso mehr freuen sie sich hier, dass Geigenbauer aus vier Kontinenten mehr als 110 Instrumente und etwa 50 Bögen eingesandt haben. Die meisten kommen aus Italien, Deutschland und Rumänien, aber auch aus China und sogar aus Neuseeland sind welche dabei. Der Mittenwalder Wettbewerb sei der zweitwichtigste weltweit, heißt es hier oft, aber da wollen auch die eigenen Juroren nicht unbedingt eine Reihung vornehmen. Es gab schon Wettbewerbe in Paris und in Peking, und auch der in den USA ist bedeutend. Ein Preis in Mittenwald bringt für einen jungen Geigenbauer aber auf jeden Fall einiges Ansehen. Die besten Instrumente hier dürften den Wert eine Kleinwagens haben und mit einer Auszeichnung wohl noch teurer werden.

Welche Geige von wo und von wem kommt, weiß noch niemand, auch Tim Vogler und Hieronymus Köstler nicht. Vogler ist Geigenprofessor in Frankfurt und Erster Geiger des renommierten Vogler Quartetts. Er beurteilt als Musiker vorrangig die Geigen, so wie es die Grazer Violoncelloprofessorin Feltz für ihre Instrumente tut. Feltz' Ehemann Köstler hat vor mehr als 40 Jahren die Mittenwalder Geigenbauschule durchlaufen und restauriert heute in Stuttgart wertvolle alte Instrumente. Er leitet die Jury der Handwerker mit Kollegen aus Basel, Utrecht, Straßburg und Cremona sowie zwei Bogenbauern. Ihr Urteil zählt genauso viel wie das der Musiker, und sie haben gleich zu Beginn die chancenlosen Instrumenten aussortiert.

Chancenlos ist eine Geige bei Köstler, wenn sie auf ihn wie ein Industrieprodukt wirkt, "Fabrikgeige" ist das schlimmste Verdikt. Köstler und seinen Kollegen kommt es auf die Handwerkskunst an, auf die ästhetische Gesamterscheinung, auf Wärme und Seele des Instruments. Bei den Geigen haben Köstler und Vogler einen gemeinsamen Favoriten, ein dunkles, edel anmutendes Instrument mit der Nummer 36, gefolgt vermutlich von Nummer 47. Sie sind mit dem Jahrgang 2018 zufrieden, Feltz mit den Celli diesmal weniger. Die besten Instrumente werden an diesem Freitag in einer öffentlichen Klangprobe in der Mittenwalder Geigenbauschule zu hören sein, am Tag danach werden die Preise vergeben.

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